Anti-Dilution-Protection und die Auswirkung für Gründer

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veröffentlicht am 13. Juli 2020 | Lesedauer ca. 7 Minuten

von Cyril Prengel, Rödl & Partner Nürnberg, und Alexander Hennevogel

  

Venture Capital Finanzierungen gehen generell mit einem umfangreichen und kom­plexen Vertragswerk einher. Ein wesentlicher Bestandteil der Verträge ist eine sog. Anti-Dilution-Protection, oder auch Down-Round Protection. Der Artikel erklärt, was eine Anti-Dilution Klausel im Detail bedeutet, welche Implikationen sie für die Gründer haben kann und warum das Thema gerade während der Coronakrise relevant ist.  

  

  

Anti-Dilution-Protection

Vereinfacht dargestellt besteht das Geschäftsmodell eines institutionellen Venture-Capital-Investors, nach­folgend Investor genannt, darin Geschäftsanteile zu erwerben um sie später gewinnbringend zu veräußern. Um das Investitionsrisiko soweit als möglich zu minimieren stützen sich Investoren häufig auf verschiedene Instrumente, die ihr Verlustrisiko reduzieren. Ein gängiges Mittel stellt eine Anti-Dilution-Protection dar. Die Anti-Dilution-Klausel greift, wenn nach dem Beitritt des Investors und vor seinem Exit mind. eine weitere Finanzierungsrunde zu einer Bewertung unterhalb der Einstiegsbewertung stattgefunden hat (Down-Round). Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Kapitalverwässerung, bei der der Wert der verbliebenen Anteilsquote mind. dem Investmentbetrag des Finanzinvestors entspricht kommt es bei einer Down-Round ohne eine Anti-Dilution-Protection zusätzlich zu einer sog. Preisverwässerung. Durch eine geringere Folgebewertung sinkt – neben dem prozentualen Anteil – auch der Wert der Anteile unter das Niveau des ursprünglichen Investments.

   

Grundsätzlich kann der Ausgleichsmechanismus der Anti-Dilution-Protection über eine Kapitalerhöhung oder über eine Abtretung von Geschäftsteilen erfolgen. Darüber hinaus wird bei beiden Mechanismen wiederum zwischen zwei Methoden unterschieden: der Full-Ratchet und der Weighted-Average Anti-Dilution. Die Full-Ratchet Methode garantiert dem Investor eine nachträgliche Umwandlung seines Investments zu dem Wandlungspreis der Down-Round. Der durch die Anti-Dilution geschützte Investor wird so gestellt, als hätte er von Anfang an zu der neuen und günstigeren Bewertung investiert. Das kann teilweise zu einem sehr hohen Ausgleichsanspruch des Investors gegenüber den Gründern führen. Der Ausgleichsanspruch bei der Weighted-Average Methode fällt deutlich moderater aus, da der Wandlungspreis des Investors sich aus einem gewichteten Durchschnittspreis der Finanzierungsrunden ergibt, was im Ergebnis nicht zu einem voll­umfäng­lichen Schutz des Investors führt. Die folgenden Zahlenbeispiele veranschaulichen die Wirkungs­weisen und Implikationen der unterschiedlichen Formen einer Anti-Dilution-Klausel für Gründer und Investor.

 

Anti-Dilution: Ausgleich über eine Kapitalerhöhung

Die erste Finanzierungsrunde

Die unterschiedlichen Anti-Dilution-Klauseln und ihre Auswirkungen basieren alle auf folgendem Ausgangs­szenario: Die von Gründern errichtete GmbH hat ein Stammkapital von 25.000 Euro und im Rahmen einer ersten Finanzierungsrunde ergibt sich eine Pre-Money Bewertung von 4,5 Mio. Euro. Ein Investor, im folgenden Initial-Investor, ist bereit 1,5 Mio. Euro zu investieren (Post-Money-Bewertung 6 Mio. Euro). Der Initial-Investor erhält für sein Investment 8.333 neue Geschäftsanteile mit einem Nennwert von je 1 Euro, was einer Betei­ligung von 25 Prozent am Stammkapital entspricht. Der Post-Money Preis je Anteil ist folglich mit 180 Euro beziffert. Tab. 1 stellt den Capitalization-Table nach der ersten Finanzierungsrunde dar.


Tab. 1: Capitalization-Table nach der ersten Finanzierungsrunde

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Die zweite Finanzierungsrunde („Down-Round”)

Zu einem späteren Zeitpunkt kommt es zu einer zweiten Finanzierungsrunden mit einer Pre-Money Bewertung von nur 3 Mio. Euro (Down-Round). Der Investor, der an der zweiten Finanzierungsrunde teilnimmt (Folge-Investor) ist bereit 1 Mio. Euro zu investieren, was zu einer Post-Money-Bewertung von 4 Mio. Euro führt.

 

Tab. 2: Capitalization-Table zweite Finanzierungsrunde („Down-Round”)

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Tab. 2 stellt die Beteiligungsverhältnisse nach der zweiten Finanzierungsrunde, ohne Anti-Dilution-Klausel für den Initial-Investor, dar. Zum einen kommt es zu einer gewöhnlichen Kapitalverwässerung, da sich der prozentuale Anteil des Initial-Investors auf 18,75 Prozent verringert hat. Zum anderen zieht die Down-Round auch eine Preisverwässerung nach sich und führt zu einer Abwertung der Anteile auf 750.000 Euro. Entsprech­end hat sich der Post-Money Preis je Anteil halbiert und beträgt nur noch 90 Euro.

 

Die zweite Finanzierungsrunde unter der Full-Ratchet Methode

Die Full-Ratchet Methode ermöglicht es dem Initial-Investor den neuen und geringeren Preis pro Anteil, der sich aus der zweiten Finanzierungsrunde ergibt, nachträglich bei der Umwandlung seines Investments heranzuziehen.

 

Die Anteilspreise und -quoten werden dabei in der Praxis so ermittelt als hätten Initial- und Folge-Investor in einer (fiktiven) gemeinsamen Finanzierungsrunde investiert. In dem Fall geht man von der Post-Money Bewertung der zweiten Finanzierungsrunde (4 Mio. Euro) aus und subtrahiert die beiden Investmentbeträge (1,5 Mio. Euro und 1 Mio. Euro). Daraus ergibt sich ein Pre-Money Wert von 1.5 Mio. Euro und folglich ein Anteils­preis von 60 Euro bei 25.000 Anteilen. Zu dem Ausgleichspreis können sowohl der Initial- als auch der Folge-Investor ihre Investments in Anteile umwandeln. Tab. 3 fasst die Full-Ratchet Methode für die involvierten Parteien zusammen.
   
Tab. 3: Full-Ratchet – Ausgleich durch Kapitalerhöhung bei Ausgleichspreis

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Der Folge-Investor zahlt 60 Euro je Anteil und kommt vor dem Ausgleich durch die Anti-Dilution Klausel auf eine Beteiligung von 33,3 Prozent. Durch die Full-Ratchet Klausel und der damit verbundenen Kapitalerhöhung durch den Initial-Investor verwässern die Anteile des Folge-Investors auf die anfänglich angestrebte Beteiligung von 25 Prozent.

 

Die Down-Round führt in dem Beispiel zu einem Wertverlust von 3 Mio. Euro. Das ergibt sich aus der Differenz der Post-Money Bewertung nach der ersten Finanzierungsrunde (6 Mio. Euro) und der Pre-Money Bewertung vor der zweiten Finanzierungsrunde. Der Wertverlust wird allein von den Gründern getragen und der Initial-Investor hat, bedingt durch die Full-Ratchet Anti-Dilution-Klausel, keine Verluste hinzunehmen.

 

Im Ergebnis stellt die Full-Ratchet Klausel somit die aggressivste Form des Verwässerungsschutzes dar bei der die Gründer das volle Risiko einer Down Round tragen.

 

Die zweite Finanzierungsrunde unter der Weighted-Average Methode

Anhand des bekannten Zahlenbeispiels wird nun der Effekt einer Weighted-Average Anti-Dilution-Klausel betrachtet. Neben dem Wandlungspreis wird dabei auch das Volumen der ersten Finanzierungsrunde und der aktuellen Down Round berücksichtigt. Dadurch ergibt sich ein gewichteter Durchschnittspreis aller Fin­anzier­ungs­runden. Die genaue Berechnung hängt des Weiteren davon ab ob die „broad based” oder die „narrow based” Variante herangezogen wird. Die Broad-Based Weighted-Average Methode berücksichtigt alle Stamm- und Vorzugsaktien sowie Options- und Wandlungsrechte, wohingegen die Narrow-Based Variante meist nur Vorzugsaktien betrachtet. Je mehr Anteile und Rechte in die Berechnung einbezogen werden, desto geringer ist die Anti-Dilution Protection bei einer Down-Round. Aus Sicht der Investoren ist die Narrow-Based Variante folglich attraktiver. Die nachfolgenden Berechnungen der Weighted-Average Methode basieren auf der Broad-Based Variante.

 

Das Zahlenbeispiel aus Tab. 4 veranschaulicht die unterschiedlichen Auswirkungen für Gründer und Investoren im Vergleich zu einer Anti-Dilution unter der Full-Ratchet Methode.


Tab. 4: Weighted-Average – Ausgleich durch Kapitalerhöhung bei Ausgleichspreis

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Damit der Folge-Investor trotz des Anti-Dilution Anspruchs des Initial-Investors die angestrebte Beteiligung von 25 Prozent erhält, wird ihm bei der Umwandlung seiner Investmentsumme ein Anteilspreis von 86,67 Euro, anstatt der ursprünglichen 90 Euro, gewährt. Die Anzahl der Anteile, die dem Initial-Investor zustehen, errechnet sich aus der ursprünglichen Investmentsumme (1,5 Mio. Euro) dividiert durch den ermittelten gewichteten Durchschnittspreis je Anteil (156 Euro). Der Beteiligungswert des Initial-Investors wird dabei aber mit dem Anteilspreis des Folge-Investors berechnet. Daraus ergibt sich ein Beteiligungswert von 833.333 Euro (9.615 Anteile x 86,67 Euro Neupreis je Anteil) nach der Down-Round. Der Wertverlust geht bei der Weighted-Average Methode sowohl zu Lasten des Initial-Investors als auch des Gründers. 

 

Anti-Dilution: Ausgleich über Geschäftsanteilsabtretung

Bisher wurde die Durchführung der Anti-Dilution im Zuge einer oder mehrerer Kapitalerhöhungen betrachtet. Jedoch kann eine Anti-Dilution-Klausel auch über eine Geschäftsanteilsabtretung erfolgen. Eine Geschäftsanteilsabtretung wird unmittelbar wirksam, während eine Kapitalerhöhung erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister Wirksamkeit erlangt. Die Geschäftsanteilsabtretung ist auch für Initial-Investoren von Vorteil die, etwa aufgrund von Fondsstatuen, nicht in der Lage sind weitere Einlagen zu leisten. Auch bei dem Ausgleich über Geschäftsanteilsabtretung ist es üblich, die Ausgleichspreise mit den oben genannten Methoden zu ermitteln. Auf Basis der sich ergebenden Zielbeteiligungen kommt es dann zu einer Umverteilung der Anteile zwischen Gründern und Initial-Investor.

 

Die zweite Finanzierungsrunde unter der Full-Ratchet und Weighted-Average Methode – Ausgleich durch Abtretung

Durch die Down-Round sinkt der Preis pro Anteil wieder auf 90 Euro und der Folge-Investor erreicht seinen Zielanteil von 25 Prozent aufgrund einer Kapitalerhöhung über 11.111 Anteile. Bei einem Ausgleich über eine Geschäftsanteilsabtretung mit der Full-Ratchet Methode bedarf es demnach keiner weiteren Kapitalerhöhung. Analog der vorherigen Full-Ratchet Anti-Dilution Methode erhält der Initial-Investor 37,5 Prozent der Geschäftsanteile mit einem Anteilswert von 1.5 Mio. Euro. Das geschieht durch die Übertragung von 8.333 Anteilen vom Gründer auf den Initial-Investor. Hauptunterschied bei dieser Methode liegt darin, dass sich das gezeichnete Kapital auf 44.444 Euro anstatt auf 66.667 Euro beläuft.

 

Tab. 5: Full-Ratchet – Ausgleich über Geschäftsanteilsabtretung

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Auch die Anti-Dilution Weighted-Average Methode durch Geschäftsanteilsabtretung führt zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Weighted-Average Methode durch Kapitalerhöhung. Bei der Berechnung der Methode wird zunächst die Zielbeteiligung des Initial-Investors analog Tab. 4 berechnet. Um die Beteiligung von 20,8 Prozent zu erreichen müssen die Gründer lediglich 926 Anteile abtreten. Die Höhe des Wertverlustes ist sowohl für die Gründer als auch den Initial-Investor identisch mit der Weighted-Average Methode durch Kapitalerhöhung. Durch die Geschäftsanteilsabtretung besteht das Stammkapital weiterhin aus 44.444 Anteilen im Vergleich zu den 46.154 Anteilen nach Durchführung der Weighted-Average Anti-Dilution mit Kapitalerhöhung.

 

Tab. 6: Weighted-Average – Ausgleich über Geschäftsanteilabtretung

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Auswirkungen von Anti-Dilution-Klauseln

Eine Anti-Dilution-Klausel kann bereits in einer Konstellation mit nur zwei Finanzierungsrunden und zwei Investoren zu einer erheblichen Verwässerung der Anteile der Gründer führen. Der Komplexität sind mit steigender Anzahl an Investoren und Finanzierungsrunden in der Realität keine Grenzen gesetzt. Gründer sollten nicht nur die Verträge und Klauseln zwischen den involvierten Parteien im Auge behalten, sondern sich auch darüber im Klaren sein, welche Implikationen die Verträge für nicht mittelbar beteiligte Parteien haben können.

 

Durch die Anti-Dilution-Klausel eines Venture Capital Vertrages werden Gründer und Investor zu Schuldner bzw. Gläubiger des Geschäftsanteilsgewährungsanspruches. Mittelbar von dem Ausgleichsmechanismus können auch noch weitere Gesellschafter betroffen sein. Das können zum Beispiel Business Angels sein, die weder Schuldner noch Gläubiger der Anti-Dilution Regelung sind oder Vorrundeninvestoren, deren Anti-Dilution Rechte erloschen sind. Den mittelbar beteiligten Gesellschaftern sollten sekundäre Anti-Dilution Rechte eingeräumt werden um eine Verminderung der Beteiligungsquote bei einem Ausgleich durch (primäre) Anti-Dilution Ansprüche über eine Kapitalerhöhung auszugleichen.

 

Durch weitere übliche Klauseln in Venture Capital Verträgen, z.B. Meilensteinregelungen, kann es zu erheblichen Wechselwirkungen kommen. Meilensteinregelungen sind meist an die Erreichung von betriebswirtschaftliche Kennzahlen geknüpft. Eine Verfehlung führt i.d.R. zu einer Verweigerung der Folgefinanzierung oder der Abgabe von Anteilen an den Investor. In der Praxis ist durch ein Verfehlen der Meilensteine darüber hinaus häufig eine weitere Finanzierungsrunde notwendig. Die (wahrscheinlich) folgende Down-Round kann zu weiteren Ausgleichsansprüchen führen, was insgesamt zu unangemessen hohen Anteilsabtretungen der Gründer führt.

 

Insbesondere durch die Coronakrise ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Down-Rounds zunehmen wird. Einige Start-ups werden aufgrund von Liquiditätsengpässen und der stärkeren Verlagerung der Verhandlungs­macht zu Neuinvestoren auch zu einer Down-Round gezwungen sein. Es empfiehlt sich für Gründer vor dem Hintergrund die Klauseln ihrer Investorenverträge und deren Implikationen genau zu prüfen und gemeinsam mit den Altinvestoren Lösungen zu erarbeiten. Denn am Ende gilt es ein zu starkes Ungleichgewicht bei zukünftigen Exiterlösen zu vermeiden um nicht zusätzlich den Anreiz der Gründer das Geschäftsmodell zur Zufriedenheit aller Investoren weiter zu entwickeln allzu stark zu „verwässern”.

Die Komplexität der Anti-Dilution-Klausel in Investorenverträgen wird von vielen Marktteilnehmern unterschätzt. Gründer müssen sich darüber im Klaren sein, welche Auswirkungen die Klauseln in ver­schie­denen Szenarien haben, um spätere „Überraschungen” zu vermeiden. Investoren sollten bei der Vertrags­gestaltung berücksichtigen, dass ein zu hoher Investorenschutz (Full-Ratchet-Klausel) die Gründer durch starke Anteilsverluste demotivieren kann, was letztendlich zu einem Scheitern der jungen Unternehmung führen kann. Eine ausbalancierte Gestaltung der Risikobegrenzung auf Investorenseite kann die Entwicklung verhindern.

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