Der Betriebsstättenbegriff im Wandel: Risiko für international tätige Unternehmen

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zuletzt aktualisiert am 4. April 2018

 

Sowohl international als auch national steht die Diskussion zur steuerlichen Thematik der Betriebs­stätte immer wieder im Fokus. Zentral sind dabei stets 2 Fragen: Wann steht einem Staat über­haupt ein Besteuerungsrecht zu, wenn ein Unternehmen grenzüberschreitend tätig ist? Und wie ist in diesen Fällen das steuerliche Ergebnis aufzuteilen?
 

  

 

Unter der Diskussion um aggressive Steuerplanung international tätiger Unternehmen und der politischen Aktionspläne zu ihrer Unterbindung, hat sich das Thema der Betriebsstättendefinition für die international tätige deutsche Wirtschaft zu einem nicht zu unterschätzenden steuerlichen Risiko entwickelt. Denn für die Staaten geht es darum, einen angemessenen Anteil am Unternehmenserfolg entsprechend der in ihrem Land erzielten Wertschöpfung als Besteuerungsgrundlage zu erhalten.

 

Daher hat der Blick auf Unternehmen, die sich für ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten gegen eine selbst­ständige Rechtsform (Tochtergesellschaft) und für die Tätigkeit als einheitliches Unternehmen entschieden haben, in den vergangenen Jahren stets an Bedeutung gewonnen.

 

Die Anforderungen an das Bestehen einer Betriebsstätte sinken

Mangels rechtlicher Selbstständigkeit liegt ein Schwerpunkt der Diskussion bereits auf der Frage, ab wann das wirtschaftliche Engagement in einem anderen als dem Sitzstaat einen Grad der Organisation erreicht hat, sodass es international als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Tätigkeitsstaat anzuerkennen ist. Das setzt die Begründung einer Betriebsstätte voraus.

 

Dabei stehen sich 2 kontroverse Ansichten gegenüber. Deutschland, wie auch die übrigen westlichen Industriestaaten, vertritt hierzu eine eher restriktive Haltung, die dem Schutz des jeweiligen eigenen Besteuerungspotenzials der international tätigen einheimischen Unternehmen dient. So war in der Vergangenheit stets die sog. „feste Geschäftseinrichtung” (Räumlichkeiten wie etwa Büros, Fabrikations­gebäude etc.) zentrales Merkmal einer Betriebsstätte.

 

Auf internationaler Ebene erfolgte jedoch eine Absenkung der Schwelle für die Annahme einer Betriebs­stätte. Ein Großteil der internationalen Staatengemeinschaft ist der Auffassung, dass es nicht mehr allein auf das Vorhandensein von Räumlichkeiten ankommt. Vielmehr sei entscheidend, ob Personal im betreffen­den Staat für einen bestimmten Zeitraum (6 Monate oder mehr) gearbeitet hat oder ein Teil der Wert­schöpfung über eine faktische Präsenz in dem Staat zustande gekommen ist. Weitere Brisanz entwickelt dieses Thema in Hinblick auf den Wandel hin zu einer digitalen Wirtschaft.

 

Die Folgen der Differenzierung zeigen folgende Beispiele:

 

Bsp. 1: Dienstleistungsbetriebsstätte

Ein auf technische Dienstleistungen spezialisiertes deutsches Unternehmen schließt mit einem Kunden in Tschechien einen Vertrag über die Erbringung von bestimmten Dienstleistungen ab. Zur Erfüllung der Vertragsverpflichtungen muss das deutsche Unternehmen vor Ort ca. 3 Monate lang Prozesse analysieren und erfassen. Danach erfolgt in weiteren 3 Monaten in den deutschen Büros die Ausarbeitung eines Konzepts, das anschließend beim Kunden in Prag eingeführt werden soll. Die Implementierung beläuft sich auf insgesamt 7 Monate, während derer sich deutsche Mitarbeiter in Tschechien vor Ort befinden. Eigene Büroräumlichkeiten stehen den deutschen Mitarbeitern in Tschechien nicht zu.

 

Aus Sicht des deutschen Finanzamts wäre keine Betriebsstätte in Tschechien begründet worden. Gleich­wohl besteht aus tschechischer Sicht eine Betriebsstätte, da die Auftragsdauer der Mitarbeiter einen 6-Monats-Zeitraum überschreitet. Allein die Präsenz der Mitarbeiter beim Auftraggeber wird für maßgeblich gehalten. Aus tschechischer Sicht besteht ein Besteuerungsrecht.

 

Bsp. 2: Objektbetreuung im Ausland

Ein Projektentwickler für Solaranlagen entwickelt und verkauft einen Solarpark in Griechenland. Ein auf 8 Jahre abgeschlossener Vertrag sichert dem Kunden die Wartung und Instandhaltung des Solarparks zu. Der Projektentwickler beauftragt für diese Zwecke ein Tochterunternehmen in Griechenland, das die entsprechenden Leistungen aus dem Vertrag vor Ort übernimmt.

 

Aus deutscher Sicht besteht kein Anlass, aufgrund des langfristigen Dienstleistungsvertrages eine Betriebsstätte des deutschen Projektentwicklers in Griechenland anzunehmen. Aus griechischer Sicht allerdings wird durch den langfristigen Vertrag auch ein Tätigwerden des deutschen Unternehmens in Griechenland als zwingend anzunehmen sein, sodass aus dieser Sicht eine Betriebsstätte begründet wird.

 

Bsp. 3: Homeoffice

Zur Ausnutzung von Lohnvorteilen stellt ein deutsches Unternehmen 3 indische Softwareentwickler an, die von ihrem Heimarbeitsplatz in Indien aus an Softwareprogrammierungen des Unternehmens arbeiten sollen. Der Arbeitnehmer hat dazu einen Homeoffice-Platz zur Erbringung seiner Arbeit vorzuhalten und wird durch den Arbeitgeber entsprechend mit Soft- und Hardware versorgt.

 

Aus deutscher Sicht gibt es keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Betriebsstätte, da das private Heim keine Verfügungsmacht über den Heimarbeitsplatz durch den Arbeitgeber zulässt. Eine feste Geschäftseinrichtung kann daher nicht zustande kommen.

 

Aus indischer Sicht könnte eine Betriebsstätte allerdings angenommen werden, da die notwendige Bedingung zur Erbringung der Arbeitsleistung die Einrichtung eines Homeoffice ist – das genügt für die Annahme einer Verfügungsmacht.

 

Risikomanagement Betriebsstätten

Die Beispiele verdeutlichen das Problem der unterschiedlichen Auffassung der Betriebsstättenfrage. Bereits aus dem Auftragsverhältnis bei Dienstleistern, durch Anstellungsverhältnisse bei Arbeitnehmern oder durch die Einschaltung von Subunternehmern können Betriebsstätten entstehen. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten unter steuerlichen Gesichtspunkten einer Revision zu unterziehen. Ein umfassendes steuerliches „Risikomanagement Betriebsstätten” wird dabei folgende Aspekte zu berücksichtigen haben:
  • Analyse sämtlicher grenzüberschreitender Tätigkeiten, die nicht von selbstständigen Tochtergesell­schaften ausgeübt werden. Allerdings sollten auch Dienst- und Unterstützungsleistungen der Muttergesellschaft, verbundenen Unternehmen oder anderen Subunternehmern in die Betrachtung einbezogen werden. Aus solchen ehemals unbeachtlichen Aktivitäten können sich heute Anknüpfungspunkte für eine Betriebsstättenqualifikation ergeben.
  • Ermittlung von Optimierungspotenzial bei Gestaltung der Auslandsaktivitäten unter steuerlichen Gesichtspunkten, insbesondere Vermeidung oder gezielte Gestaltung von Betriebsstätten. Eine besondere Herausforderung ist die Behandlung bislang „unentdeckter” Betriebsstätten, da hier nicht nur die steuerliche Behandlung in der Zukunft zu gestalten ist, sondern auch steuerliche Risiken der Vergangenheit bearbeitet und minimiert werden müssen.
  • Anpassung der internen Prozesse an die sich wandelnden steuerlichen Anforderungen. Hier geht es insbesondere um die Einführung einer eigenständigen (steuerlichen) Betriebsstättenbuchführung, die für die Ergebnisabgrenzung notwendigen Maßnahmen wie Funktions- und Risikoanalysen oder die Zuordnung von Wirtschaftsgütern sowie die Erfüllung steuerlicher Dokumentationsanforderungen.
  • Einführung strukturierter Informations- und Entscheidungsprozesse in Hinblick auf die Aufnahme, Ausgestaltung und Modifikation von Auslandsaktivitäten, um die nachträgliche Aufdeckung von Betriebsstätten vorausschauend zu vermeiden und ein steuerliches Controlling zu ermöglichen. Das beinhaltet auch mögliche, noch nicht akute Konfliktpunkte in der grenzüberschreitenden Tätigkeit, deren Beurteilung derzeit noch im Fluss ist, zu identifizieren und die Rechtsentwicklung laufend zu beobachten, um zu einem geeigneten Zeitpunkt die steuerliche Behandlung anpassen zu können.
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