Optimierung der Liquiditätsströme durch Ver­rech­nungs­preise in der aktuellen Krise

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veröffentlicht am 7. April 2020 | Lesedauer ca. 6 Minuten

  

​Die Coronakrise hat nahezu alle Unternehmen völlig unerwartet getroffen. Der Zeitraum zwischen dem Ausbruch der Pandemie in China und der Verhängung von Kontakt- und Ausgangssperren und damit die weitgehende Stilllegung von Produktion, Dienstleistungserbringung und Verwaltung war zu kurz, um den Shutdown vorzubereiten und wirksame Maßnahmen (v.a. zum Liquiditätserhalt) zu ergreifen. 

  

  
 
Die Liquidität ist für viele Unternehmen, trotz der historisch niedrigen Zinsen, zu dem Überlebensfaktor geworden. Es gilt Liquidität im Unternehmen dort bereit zu stellen, wo sie am nötigsten gebraucht wird, sei es, um den ohnehin nur eingeschränkten Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten oder gar um zumindest einzelne (werthaltige) Unternehmensteile vor der Insolvenz zu bewahren. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen (insb. Gewinnausschüttung, Kapitalherabsetzungen, Kapitalerhöhungen oder -einlagen) innerhalb der Unternehmensgruppe sind zu bürokratisch oder sind auf Grund von Kapitalerhaltungsvorschriften faktisch nicht möglich.

 

Zusätzlich kann es genauso wichtig sein, Gruppengesellschaften den Zugang zu finanziellen Mitteln von Dritter Seite zu ermöglichen. Hier gilt es regelmäßig gegenüber Darlehensgebern (insbesondere Banken) zu bürgen oder aber auch bspw. durch Patronatserklärungen gegenüber Lieferanten eine Ausweitung der Zahlungsziele zu erreichen. Diese Haftungsübernahme ist fremdüblich zu vereinbaren, da neben Verrechnungspreis­korrekturen auch eine Versagung der steuerlichen Abzugsfähigkeit im Falle der Inanspruchnahme insbesondere nach § 8b Abs. 3 KStG droht.

 

Es stellt sich die Frage, wie sich Geschäftsbeziehungen zwischen Gruppengesellschaften zur Steuerung der Liquiditätsströme nutzen lassen. Eng damit verbunden ist – trotz der Krise – die Einhaltung des Fremdvergleichs für die Verrechnungspreisgestaltung, d.h. ob die getroffenen Maßnahmen als solches fremdüblich sind und, ob die im Rahmen der Maßnahmen vereinbarten Konditionen dem Fremdvergleich genügen. Sollten die Regelungen der Verrechnungspreisermittlung nicht eingehalten worden sein, drohen in der nächsten Betriebsprüfung steuerliche Risiken, die zu Doppelbesteuerungen und erneut zu Liquiditätsverlusten führen können.

 

Nachfolgend finden Sie einige denkbare liquiditätswirksame Maßnahmen:

 

Transfer von vorhandener Liquidität

Sofortige Zahlung von IC-Rechnungen

Fraglich ist, ob die sofortige Zahlung von IC-Rechnungen dem Drittverhalten entspricht, oder aber, ob Dritte Liquidität durch Ausnutzen entsprechender Zahlungsziele im eigenen Unternehmen gehalten hätten. Sicherlich sollte der Einzelfall betrachtet werden. So wäre z.B. eine vorzeitige Zahlung unter Vereinbarung eines Skontos als Nachweis der Fremdüblichkeit u.E. durchaus als Argument nutzbar; zudem könnte eine erwartete Verlustsituation des zahlenden Unternehmens durch den Skontobetrag etwas gemildert werden.

 

Verkauf von Umlaufvermögen (Lagerbestand) an Vertriebsgesellschaften

Der Verkauf von Umlaufvermögen an Vertriebsgesellschaften könnte ebenfalls zu einem Liquiditätstransfer führen. U.U. gelingt es auf Grund der erwarteten wirtschaftlichen Eintrübung die Verrechnungspreise zu reduzieren und damit auch Zollkosten einzusparen. Zu beachten ist dabei, dass der konzerninterne Verkauf zu steuerlichen Erträgen des Veräußerers führt. Es ist zu prüfen, ob der angemessene Verrechnungspreis die Ertragssituation des Verkäufers so positiv gestaltet, dass z.B. Herabsetzungsanträge für Vorauszahlungen ins Leere gehen oder zurückgenommen werden.

 

Rückkauf von Waren von Vertriebsgesellschaften

Weitere Alternativen sind Warenlieferung an Vertriebsgesellschaften rückabzuwickeln sowie der Rückkauf von Warenlieferungen durch den Produzenten. Damit fließt der Vertriebsgesellschaft Liquidität zu. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies sogar zur Rückerstattung von Zöllen führen (z.B. Draw-back-Verfahren in den USA), was einem Liquiditätsrückfluss von dritter Seite bedeutet. Allerdings sind die Logistikaufwendungen aus einem Rücktransport ins Kalkül zu ziehen.

 

Zu beachten ist dabei allerdings die bisherige Risikoallokation im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung, sicherlich aber auch die vertragliche Gestaltung von Vertriebsverhältnissen. Daneben ist – analog zum Verkauf von Umlaufvermögen - auf die Ertragssituation der beteiligten Parteien zu achten, um nicht liquiditätswirksame staatliche Maßnahmen (z.B. Steuerstundung) zu riskieren.

 

Erhöhung oder Reduzierung von Verrechnungspreisen für Warenlieferungen, Dienstleistungen, Darlehen (Zinsen), etc.

Die Krise hat erheblich Einfluss auf Umsatz-, Kosten- und Bonitätssituation von Unternehmen. Damit ist zu prüfen, inwieweit die Preise anzupassen sind und dabei u.U. eine Steuerung der Liquidität erlauben. Denkbar wäre auch unter bestimmten Voraussetzungen, vorläufige Preise zu vereinbaren.

 

Ausreichen, aber auch Kündigung von Darlehensverträgen

Das Ausreichen von Darlehen ist auf den ersten Blick der einfachste Weg einer Liquiditätssteuerung. Allerdings bestehen derzeit erhebliche steuerliche Risiken. Fraglich ist, inwieweit ein Darlehen in dieser unsicheren Phase durch Dritte überhaupt ausgereicht werden würde und wie sich ein fremdüblicher Zinssatz bestimmen lässt. Daneben sind steuerliche Risiken latent, sollte das Darlehen ausfallen drohen Verluste aus Teilwertabschreibungen mangels Drittvergleich steuerlich verloren zu gehen (insbes. § 8b Abs. 3 KStG). Damit sind im Zeitpunkt der Darlehensgewährung Fremdvergleichsüberlegungen nicht nur in Bezug auf die Höhe des Zinssatzes, sondern auch zu Sicherheiten und sonstige Umstände anzustellen und zu dokumentieren.

 

Die (Teil-)Kündigung bzw. Aufhebung von Darlehen erlaubt ebenfalls einen Liquiditätstransfer. Dabei ist zu prüfen, ob eine solche Vorgehensweise vorab vertraglich geregelt wurde oder auf Basis anderer Rechtsquellen im Einzelfall möglich ist, um dem steuerlichen Fremdvergleichsgrundsatz zu genügen.

 

Verkauf von Anlagevermögen/Sale-and-lease-back

Der Verkauf von Anlagevermögen an eine Gruppengesellschaft mit ausreichend Liquidität kann ebenfalls eine Möglichkeit sein, schnell Liquidität zu verschieben. Dabei ist es möglich, die veräußerten Wirtschaftsgüter zurück zu mieten. Gegenstand solcher Übertragungen können nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Wirtschaftsgüter sein. Auch hier sind fremdübliche Bedingungen einzuhalten. Daneben sind die steuerlichen und handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften der Zuordnung des Wirtschaftsgutes zu beachten.

 

Aktive und bewusste Funktionsverlagerungen

Funktionsverlagerungen können ohnehin auf Grund der veränderten Supply-Chains erforderlich sein, aber auch ohne wirtschaftlichen Zwang vorgenommen werden. Da solche Verlagerungen grundsätzlich nicht unentgeltlich zwischen Dritten stattfinden, kann auch auf diese Weise ein Liquiditätstransfer erfolgen. Zu beachten ist, dass die Vergütung einer Funktionsverlagerung teils erhebliche Werte annehmen kann und damit trotz Krise steuerpflichtige Gewinne entstehen.

 

Eine Alternative wäre eine Funktionsverlagerung zeitlich zu beschränken. Da für Funktionsverlagerungen international kein einheitliches Verständnis besteht und die deutschen Regelungen zur Funktionsverlagerung im Ausland weitgehend unbekannt sind, sollte eine Funktionsverlagerung gut durchdacht und strukturiert sein.

 

Stützungsmassnahmen zur Abwendung der Insolvenz von Gruppengesellschaften

Nicht rückzahlbare Unterstützungszahlungen zur Abwendung einer Insolvenz eines Vertragspartners sind auch zwischen Dritten denkbar und können steuerliche Anerkennung finden. Entscheidend ist dabei, die Fremdüblichkeit solcher Zahlungen nachweisen zu können.

 

Retrograde Preisanpassung

Nach § 1 Abs. 3 S. 11 AStG sind in solchen Fällen, in denen in der Vergangenheit immaterielle Wirtschaftsgüter Gegenstand einer Geschäftsbeziehung waren, Preisanpassungen vorzunehmen. Neben anderen Voraussetzungen ist dies v.a. dann erforderlich, wenn die tatsächlichen Gewinnentwicklungen von denen der Verrechnungspreisermittlung erheblich abweichen. Davon kann derzeit in vielen Fällen ausgegangen werden.

Fraglich ist jedoch, ob auch Vergütungen für bereits erfolgte Lieferungen retrograd geändert werden können.

Vor dem Hintergrund des Fremdvergleichs sollte das für Lieferungen, die der Krise vorausgingen (z.B. für das Jahr 2019) kritisch gesehen werden. Gleichwohl sind solche retrograden Preiskorrekturen möglich, sollten die vertraglichen Grundlagen dafür vorab geschaffen worden sein. Eine Begründung der Änderungen mit der Krise dürfte – mangels Vorhersehbarkeit der Auswirkungen der Krise – nicht möglich sein.

 

Lieferungen während der Krise könnten demgegenüber neu bewertet werden, sofern dies kaufmännischen Grundsätzen folgt. In jedem Fall sollten diese gut dokumentiert werden und im Einzelfall auf die tatsächliche Risikoverteilung auch in Bezug auf vergangene Argumentationen gegenüber den Finanzbehörden untersucht werden. In manchen Fällen können unfreie Waren auch zu einer Reduzierung von Zollbelastungen führen. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.

 

Vermeidung des Transfers von Liquidität

Verlängerung von Zahlungszielen und Erhöhung von Kreditlinien (Finanzierung über Umlaufvermögen)

Nicht nur in der Krise werden Gruppengesellschaft, die Liquiditätsschwierigkeiten haben, über Umlaufvermögen finanziert. Dies erfolgt durch die Lieferung von Waren, deren Zahlung aber erst nach langer Frist (häufig über 12 Monate) erfolgt. Dabei werden sonst zwischen Dritten übliche Kreditlinien, d.h. maximal geduldeten Forderungsbestände gegenüber Kunden, nicht gesetzt. Aus Verrechnungspreissicht ist zu hinterfragen, ob eine Verzinsung der Forderungsbestände und besondere Sicherheitengestellung zu vereinbaren sind. Daneben ist zu dokumentieren, warum Lieferungen auch bei einem erhöhten Ausfallrisiko fremdüblich sein sollen. Argumente in diese Richtung lassen sich regelmäßig finden, sie sollten jedoch zeitnah zusammengefasst und auch mit Unterlagen und Nachweisen untermauert werden.

 

Aussetzen von Kapitaldienst

Das Aussetzung des Kapitaldienstes von konzerninternen Fremdfinanzierungen ist eine Möglichkeit Liquiditätstransfer zu vermeiden. Dies ist auch zwischen Dritten möglich. Allerdings werden Dritte ein solches Vorgehen an bestimmte Bedingungen knüpfen. Diese fremdüblichen Bedingungen sollten auch bei konzerninternen Darlehensbeziehungen eingehalten werden. Neben reinen Verrechnungspreisaspekten kann dies auch im Falle von Teilwertabschreibungen oder dem Ausfall von Darlehen vor dem Hintergrund des § 8b Abs. 3 KStG hilfreich sein.

 

Aussetzung von Leistungsvergütungen konzerninterner Dienstleistungen

Da der Shutdown tatsächlich zu einer Einschränkung auch in Verwaltungen geführt hat, könnte überlegt werden, die Erbringung von Dienstleistungen zeitweise auszusetzen und damit auch eine Vergütung der Leistungserbringung vermeiden. Allerdings sollten dazu die konkreten Bedingungen der Leistungen dahingehend untersucht werden, ob dies tatsächlich auch fremdüblich möglich ist. Zu hinterfragen sind u.a. das Konzept als solches (Kostenumlagesystem vs. Einzelverrechnung), ob auch eine Leistungsbereitstellung vereinbart wurde und ob Abnahmeverpflichtungen zwischen Dritten vereinbart worden wären (z.B. wegen Kapazitätsvorgaben seitens des Auftraggebers).

 

Weitere zu beachtende Aspekte

Dokumentation

Nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland bestehen steuerlich besondere Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise. Da die vorstehenden Maßnahmen wohl nicht im Rahmen der üblichen Geschäftsbeziehungen zu sehen sind, können die Voraussetzungen sog. „außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle“ vorliegen. Konsequenz ist, dass die umgesetzten Maßnahmen zeitnah zu dokumentieren sind. Wird diesen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen, drohen steuerliche Korrekturen mit dem Risiko von Doppelbesteuerungen und Strafzahlungen.

 

Aber auch gesellschaftsrechtlich kann eine sachgerechte Dokumentation Risiken vermeiden helfen. So können konzerninterne Maßnahmen im Insolvenzfall ggf. auch nur einzelner Gruppengesellschaften durch einen Insolvenzverwalter angefochten werden. Solche Anfechtungen werden nach den jüngsten Rechtsänderungen (Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz) nur noch unter erhöhten Voraussetzungen ermöglicht und bedeutend schwieriger, sollte die getroffene Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll d.h. kaufmännisch begründet sein. Steuerlich sachgerecht dokumentierte Fremdvergleichsüberlegungen können wertvolle Unterstützung auch zum Nachweis eines kaufmännisch sinnvollen Handelns sein.

 

DAC 6

Die vorstehenden Maßnahmen können Gestaltungen im Sinne von „DAC 6“ sein. Hier bestehen kurzfristige und verbindliche Meldepflichten im In- und Ausland, die bei Verstoß gegen diese Meldepflichten auch erheblich sanktioniert werden können. Getroffene Maßnahmen sind damit zwingend auf ihre Meldepflicht individuell zu überprüfen!

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