Bilanzierung von Energiebeschaffungsverträgen im neuen Licht des ÖFA 3

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Im September 2015 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) die Endfassung der Stellungnahme zur Rechnungslegung „Besonderheiten der Bilanzierung von Energiebeschaffungs- und Energieabsatzverträgen in handelsrechtlichen Abschlüssen von Energieversorgungs­unternehmen (IDW RS ÖFA 3)” veröffentlicht. Ziel dieser Stellungnahme ist es auch, eine innerhalb der Branche bisher höchst unterschiedliche Vorgehensweise zur Darstellung von schwebenden Energiebeschaffungsgeschäften im handelsrechtlichen Jahresabschluss zu vereinheitlichen bzw. den Unternehmen die Vorgehensweise und Dokumentation zu erleichtern.

Ausgangslage

Mit Liberalisierung der Energiemärkte haben sich auch die Beschaffungs- und Absatzgeschäfte der Energieversorgungsunternehmen erheblich verändert. Langfristige Bezugsverträge auf Basis von Preisgleitklauseln mit einem Vorlieferanten gehören der Vergangenheit an. Schlagwörter wie „strukturierte Beschaffung” oder „Portfoliomanagement” haben die Runde gemacht, so dass inzwischen auch kleinere Versorgungsunternehmen ihre Beschaffungsstrategie und -verträge entsprechend angepasst haben.
 
Hierdurch ergeben sich erhebliche Konsequenzen für die bilanzielle Behandlung. Durch die konsequente Anwendung des Einzelbewertungsgrundsatzes auf kontrahierte Energiebeschaffungs- und/oder Energieabsatzgeschäfte, d.h. schwebende Geschäfte, können einem Energieversorgungsunternehmen (EVU) Verluste drohen, für die handelsrechtlich eine Rückstellung zu bilden ist, obwohl die Verluste in dieser Höhe nicht oder zumindest nicht in dieser Höhe eintreten werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Beurteilung eines Drohverlustes davon abhängig ist, ob der Vertragsgegenstand bilanziell als bilanzierungsfähiger Vermögensgegenstand oder als nicht bilanzierungsfähige Leistung eingeordnet wird. Im Falle von Strom und Gas wird bei EVUs davon ausgegangen, dass es sich hierbei um Vermögensgegenstände handelt. Dies bedeutet wiederum, dass im Falle eines schwebenden Beschaffungsgeschäftes über Vermögensgegenstände , die nach erfolgter Lieferung dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind, immer dann eine Pflicht zur Passivierung einer Drohverlustrückstellung besteht, wenn der aus einem Börsen- oder Marktpreis abgeleitete Wert bzw. der beizulegende Wert der zu erlangenden Sachleistung unter dem Wert der Gegenleistung, d.h. den zukünftigen Anschaffungskosten, liegt.
 
Dieser Ausfluss des Vorsichtsprinzips führt außerdem dazu, dass der „Wert” eines solchen Beschaffungsgeschäftes im Zeitablauf erheblich schwanken kann.
 

Problemlage der Energieversorgungsunternehmen

Diese reine Stichtagsbewertung der Beschaffungsgeschäfte führt dazu, dass für die Bilanzierung nur die Bezugsseite betrachtet werden muss. Ein möglicher und auch wahrscheinlich sicherer Weiterverkauf an Dritte kann bei einer isolierten Betrachtung nicht berücksichtigt werden, so dass bei einer solchen Vorgehensweise ggf. Abwertungen vorzunehmen wären, obwohl aus diesem Geschäft immer noch Gewinne erzielt werden können.
 
Zudem würden sich auch bei kommunalen Versorgungsunternehmen Auswirkungen auf das Jahresergebnis ergeben, die bei falscher Interpretation als Spekulation ausgelegt werden könnten, obwohl die Beschaffungsstrategie allein auf die Bedarfsdeckung für Dritte ausgelegt ist. In der laufenden Bilanzierungspraxis auch vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMOG) wurden von vielen Versorgungsunternehmen bereits Saldierungen vorgenommen, indem Beschaffungs- und Absatzgeschäfte zusammengefasst betrachtet wurden und nur tatsächliche Drohverluste aus echten Unterdeckungen aufwandswirksam berücksichtigt wurden. Dieser Vorgehensweise lag die Überlegung zugrunde, dass Rückstellungen für zukünftige Gewinne nicht zulässig seien und unter Beachtung des Prinzips der Periodenabgrenzung die vorgenommene Saldierung die Ertragslage besser darstellen würde.
 
Mit Einführung des BilMOG wurden dann Bewertungseinheiten in § 254 HGB legal definiert. Die gesetzliche Neuregelung ist aber nicht geeignet, das „Problem” der Versorgungsunternehmen umfassend zu lösen. Die Anforderungen an eine Bewertungseinheit mit Grund- und Sicherungsgeschäft sind auf die Vielzahl der Beschaffungsgeschäfte nur bedingt anwendbar, so dass dem Grunde nach zwar die Bildung von Bewertungseinheiten möglich wäre, die Umsetzung in der Praxis aber häufig an den Dokumentationsvoraussetzungen scheitern würde. In der Versorgungswirtschaft wurden die möglichen Vorgehensweisen auch genutzt, um Bilanzpolitik zu betreiben.
 

Inhalt des ÖFA 3

Vor dem Hintergrund der Vereinheitlichung der Bilanzierungspraxis wurde in intensiven Diskussionen auch zwischen den einzelnen Facharbeitskreisen auf Ebene des IDW die Stellungnahme erarbeitet und verabschiedet.
 
Wichtigstes Abgrenzungsmerkmal zur Anwendbarkeit des ÖFA 3 ist hierbei, dass es sich bei dem Unternehmen um ein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nr. 18 EnWG handeln muss. Damit sind die Grundlagen dieser Stellungnahme nicht für andere Branchen und hier insbesondere für Banken und andere Unternehmen mit reiner Handelsabsicht anwendbar.
 
Inhaltlich werden die bisher als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung angewendeten Bilanzierungspraktiken näher erläutert. Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Unternehmen sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Absatzseite eine Portfoliobetrachtung vornehmen können. Die Erträge und Aufwendungen der Portfolien müssen gegenübergestellt werden und nur für den Fall einer Unterdeckung der Erträge müssen „echte” Drohverlustrückstellungen im Sinne des § 249 HGB gebildet werden. Zudem werden die Anforderungen an die Dokumentation beschrieben (insbesondere Sicherungswirkung, Risikomanagement einschließlich Deckungsbeitragsrechnung)
 
Herauszustellen ist hier, dass die Dokumentation deutlich leichter zu erstellen ist, als dies bei „echten” Bewertungseinheiten der Fall ist, gleichwohl sind bestimmte (Mindest-)Dokumentationserfordernisse zwingend zu erfüllen.
 
Die Energieversorgungsunternehmen haben aber die Wahl, die Erleichterungen in Anspruch zu nehmen, so dass auch weiterhin die Möglichkeit besteht, sämtliche Beschaffungsgeschäfte mit dem aktuellen Marktwert am Bilanzstichtag darzustellen.
 
Da es sich hierbei um die Ausübung eines erheblichen Bewertungswahlrechtes handelt, müssen im Anhang bestimmte Angaben hierzu gemacht werden. Zudem unterliegt diese Festlegung dem Stetigkeitsgebot, d.h. ein willkürlicher Wechsel zwischen den Methoden ist unzulässig.
 

Bedeutung für die Praxis

Gerade für mehrheitlich kommunale Unternehmen bedeutet diese Stellungnahme eine Absicherung ihrer bisherigen Bilanzierungspraxis, indem auch längerfristige Beschaffungsgeschäfte nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit sicheren oder quasi-sicheren Absatzgeschäften gesehen werden. Sind echte Unterdeckungen absehbar, sind und waren auch bisher Drohverlustrückstellungen nach § 249 HGB zu bilden.
 
Mögliche Ergebniseinflüsse aus einer rein stichtagsbezogenen Betrachtung werden sich daher nicht ergeben; zudem besteht vor allem in kommunalen Gremien nicht die Notwendigkeit der Erläuterungen von Abschreibungen auf Finanzprodukte, die ggf. auch als Spekulation ausgelegt werden könnte. Weiterhin erfolgt auch eine realistischere Abgrenzung der tatsächlichen Vertriebsergebnisse über die einzelnen Geschäftsjahre, was zu einer Glättung der Ergebnisse auch im Sinne kommunaler Anteilseigner führen wird.
 

Ausblick

Die Stellungnahme ist für Geschäftsjahre ab 2017 anzuwenden, kann jedoch freiwillig auch vorher angewendet werden. Da sich die Beschaffungspreise seit Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau eingependelt haben, sind auch die Bewertungsspielräume deutlich geringer geworden, als dies noch vor fünf bis sieben Jahren der Fall war. Mit Verabschiedung der Stellungnahme herrscht zumindest deutlich mehr Sicherheit im Bereich der Bilanzierung. Die Herausforderung wird darin liegen, die sich aus dem ÖFA 3 ergebenden Dokumentationsanforderungen auch umzusetzen. Sprechen Sie uns an!
 
zuletzt aktualisiert am 19.11.2015

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Björn Langenbach

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

Partner

+49 911 9193 3645

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