Stand der Strompreisbremse – worauf sich Unternehmen jetzt einstellen müssen

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​veröffentlicht am 24. November 2022

 

Seit Beginn des Ukrainekrieges sind nicht nur die Gaskosten, sondern auch die Stromkosten erheblich gestiegen. Dies hat auch die Industrie stark belastet. Die Ursachen für den Kostenanstieg sind vielfältig. Zum einen wurde der europäische Strommarkt durch den Ausfall französischer Kernkraftwerke beeinflusst. Zum anderen hat der Merit-Order-Effekt den Strompreis erheblich in die Höhe getrieben. Um die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Endkunden abzufedern, plant der Gesetzgeber eine „nationale Strompreisbremse”.

 

Der europäische Gesetzgeber hat diesbezüglich bereits im September vorgelegt und damit entsprechende Rahmenbedingungen für den deutschen Gesetzgeber geschaffen. Welche konkreten Auswirkungen die Pläne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für Industrieunternehmen haben werden, bleibt allerdings bisher unklar.


Europarechtlicher Rahmen


Rechtsgrundlage für die deutsche Strompreisbremse ist die EU-Notfallverordnung Strom vom 30. September 2022 (EU-VO 12999/22). Die Verordnung normiert in Erwägung 10 die unionsweite Einführung einer festgelegten Erlösobergrenze. Demnach soll eine staatliche Abschöpfung von erheblichen Überschusserlösen, auch bekannt als „Zufallserlöse”, von Energieerzeugern aus erneuerbaren Energien, Krenkraft und Braunkohle erfolgen. Die Zufallsgewinne sollen für die Entlastung der Stromverbrauchenden verwendet werden. Eine Überprüfung der Effektivität der Maßnahmen mit der Option der befristeten Verlängerung erfolgt vor dem Ende der zeitlichen Befristung ab dem 30. Juni 2023. Darüber hinaus wird ein finanzieller Solidaritätsbeitrag von Unternehmen aus dem Bereich Kohle, Gas, Öl und Raffinerien gefordert. Der Solidaritätsbeitrag soll parallel mit der Unternehmenssteuer für das Finanzjahr 2022 und 2023 erhoben werden.

 

Da es sich bei der europäischen Regelung um eine Verordnung handelt, ist diese unmittelbar ab ihrem Inkrafttreten auf alle Mitgliedsstaaten anwendbar. Eine Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf es allein deshalb, weil die Verordnung bewusst Spielräume für die Gesetzgeber der Mitgliedsstaaten offen lässt, die ausfüllungsbedürftig sind. Daraus folgt aber auch, dass der nationale Gesetzgeber dazu angehalten ist, die Regelungslücken der europäischen Verordnung zeitnah zu schließen.


Nationale Strompreisbremse


Nach den bekannt gewordenen Planungen des deutschen Gesetzgebers soll die deutsche Strompreisbremse parallel zu Gaspreisbremse und Gaspreisdeckel entwickelt werden und bereits zum Januar 2023 in Kraft treten. Ursprünglich geplant war, dass das Bundeskabinett bereits am 18.11.2022 die Strom- und Gaspreisbremse verabschiedet. Der Termin wurde allerdings wegen der Komplexität des Gesetzesvorhabens auf den 23.11.2022 verschoben. Mittlerweile sind auch Details zum Gesetzesentwurf des EWPBG (Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz) veröffentlicht worden, die einen ersten Einblick in die Regelungen ermöglichen.


Die folgenden Eckpunkte für das Konzept der Strompreisbremse sind bisher bekannt:
Die Strompreisbremse soll sich im Gegensatz zur Gaspreisbremse selbständig durch die Abschöpfung von Zufallsgewinnen finanzieren. Da die Entlastungen allerdings schneller fällig werden als Einnahmen aus der Abschöpfung zu erwarten sind, wird voraussichtlich eine Zwischenfinanzierung über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds stattfinden.


Im bisher vorliegenden Konzeptpapier wird betont, dass bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen kein direkter Eingriff in den Strommarkt, die Preisbildung oder den grenzüberschreitenden Handel erfolgen wird.


Insgesamt soll die Strompreisbremse dazu dienen, dass die Stromkosten ab Januar 2023 sinken. Der Strompreis für private Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen wird daher bei 40 Cent brutto pro Kilowattstunde gedeckelt. Dies gilt allerdings nur für den Basisbedarf von 80 % des Vorjahresverbrauchs. Für Industriekunden liegt der Deckel bei 13 Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 % des historischen Verbrauchs. Dabei bleibt allerdings noch unklar, wie dieser historische Verbrauch genau ermittelt werden wird.


Dazu wird auch der Anstieg der Netzentgelte im deutschen Netz gedämpft werden. Dies ist erforderlich, weil die Netzentgelte Bestandteil der Stromkosten sind und somit ebenfalls von den Stromkunden getragen werden müssen.


Die technische Umsetzung der Abschöpfung der Zufallsgewinne am Spot- und Terminmarkt ist überaus komplex. Nach bisher vorliegenden Informationen wird die Option einer stufenweisen Einführung favorisiert. Dier erste Stufe normiert eine rückwirkende Abschöpfung der Zufallsgewinne am Spotmarkt für den Zeitraum vom 01.03.2022 bis zum 30.11.2022. Der Terminmarkt ist hierbei ausgenommen. In der zweiten Stufe erfolgt eine Abschöpfung der Zufallsgewinne von Spot- und Terminmarkt ab dem 01.12.2022. Parallel soll der finanzielle Solidaritätsbeitrag von den in der EU-Notfall-VO genannten Unternehmen für das Finanzjahr 2022 und 2023 erhoben werden, was derzeit noch geprüft wird.


Eine Abweichung von der in der europäischen Regelung angestrebten Differenzierung ist die Differenzierung des BMWK zwischen Technologie und Anlagen. Laut Konzeptpapier sind abzuschöpfende Technologien Erneuerbare Energien, Grubengas, Atomkraft, Braunkohle und Mineralölprodukte. Nicht abgeschöpft werden sollen dagegen Technologien wie Steinkohle und Biomethan. Die Abschöpfung spezifischer Erlöse soll dabei nach dem Treppenkonzept (also anhand spezifischer Erlösobergrenzen) erfolgen. Im Ergebnis wird damit eine technologische statt einheitliche Obergrenze definiert, die zu einer Abschöpfung der Zufallsgewinne am Spot- und Terminmarkt nach Abzug der Kapitalkosten und Sicherheitsmargen von 3 ct/kWh, bzw. bei Termingeschäften zusätzlich 1 ct/kWh, in Höhe von 90 % führen wird.


Fazit und Bewertung des Konzepts


Es ist fraglich, ob sich die Strompreisbremse tatsächlich in der vorgesehenen Höhe selbst finanzieren kann. Die Bundesregierung erwartet Abschöpfungsgewinne von ca. 30 Mrd. €. Dagegen erwartet der BDEW im ersten Jahr lediglich 8 Mrd. €. Die rückwirkende Abschöpfung von Gewinnen ist außerdem sowohl juristisch als auch marktwirtschaftlich kritisch zu betrachten. Insbesondere die Vereinbarkeit der rückwirkenden Ausgestaltung der Erlösabschöpfung mit dem deutschen Grundgesetz wird im Nachgang noch zu klären sein, sofern die Regelung tatsächlich wie geplant in Kraft tritt. Zudem wirft die unterschiedliche Behandlung verschiedener Kraftwerkstypen rechtliche Fragen auf, die auch mit Blick auf das Unionsrecht eher kritisch zu bewerten sein werden.


Die Rechts- und Investitionssicherheit in Deutschland war stehts ein „Qualitätsmerkmal” für internationale Investoren. Diese sind mitentscheidend für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland, könnten aber durch den neuen Abschöpfungsmechanismus zunehmend abgeschreckt werden. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil die Bundesregierung einen erheblichen Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren anstrebt, um die deutschen Klimaziele zu erreichen.


Die Konzeptideen des Benchmark-Ansatzes bei der Terminmarktabschöpfung sind bisher kaum nachvollziehbar und es darf mit Spannung erwartet werden, wie die konkreten gesetzlichen Regelungen hierzu ausgestaltet werden und wie die Umsetzung in der Praxis gelingen wird. Es sind jedenfalls erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt zu erwarten. Allein deshalb ist eine zielgerichtete Ausgestaltung der Strompreisbremse elementar für die rechtliche und gesellschaftliche Akzeptanz des Instruments.


Man darf gespannt sein, in welcher Form die Strompreisbremse ihren Weg in das Gesetzgebungsverfahren findet. Eine Veröffentlichung der Formulierungshilfe zum Gesetzesentwurf ist jedenfalls in den nächsten Tagen zu erwarten. Wir halten Sie hierzu gern auf dem Laufenden.

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Martina Weber

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