ETS 2 verzögert, Klimakosten bleiben: Warum Sie nicht auf die Politik warten sollten

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 27. November 2025


Am 5. November 2025 hat der Rat der Europäischen Union seine Position zum überarbeiteten Klimagesetz beschlossen. Kernpunkt ist das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Gleichzeitig wurde angekündigt, den Start des neuen Emissionshandelssystems ETS 2 (European Union Emissions Trading System 2; Grundsätzliches zum ETS 2 finden sie hier), welcher die Sektoren Gebäude und Verkehr abdeckt, um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Hintergrund dieser Entscheidung sind soziale und wirtschaftliche Bedenken, insbesondere aus osteuropäischen Mitgliedstaaten, sowie die Möglichkeit, bei anhaltend hohen Energiepreisen eine Flexibilitätsklausel zu nutzen. Die Verschiebung ist Teil eines umfassenden Kompromisses zur Einigung auf das EU-Klimaziel 2040. Die endgültige Entscheidung steht jedoch noch aus – das Europäische Parlament muss der Verschiebung noch zustimmen.


Was zunächst wie eine Atempause wirkt, ändert jedoch nichts am grundsätzlichen Kurs: Die Nutzung fossiler Energieträger wird perspektivisch teurer, CO2 bleibt ein zentraler Kostenfaktor, und Klimaschutz, aber auch Klimarisiken, sowie -resilienz rücken weiter in d​​​en strategischen Fokus. Unternehmen sollten die gewonnene Zeit bis 2028 gezielt nutzen, um ihre betriebliche Dekarbonisierung voranzutreiben und sich frühzeitig auf die kommenden regulatorischen Anforderungen vorzubereiten. Auch die Integration eines internen CO2-Schattenpreises zur Simulation der zukünftigen Kosten kann für Transparenz und Planungssicherheit sorgen.

Was ist EU ETS 2?

ETS 2 ist ein eigenständiges Emissionshandelssystem der Europäischen Union, das nach dem Prinzip „Cap-and-Trade“ funktioniert. Es erweitert den bestehenden EU-Emissionshandel (ETS 1) auf bislang nicht erfasste Sektoren: Gebäude, Straßenverkehr und kleinere Industrieanlagen. Anders als im bisherigen System werden keine kostenlosen Emissionszertifikate vergeben – sämtliche Genehmigungen zur Emission von CO2 müssen ersteigert werden. Verpflichtet zur Teilnahme sind die Inverkehrbringer von Brennstoffen, also Unternehmen, die fossile Energieträger wie Heizöl, Erdgas oder Benzin in den Markt bringen, etwa Energieversorger oder Mineralölunternehmen.

Das Ziel von ETS 2 ist es, durch einen marktbasierten CO2-Preis wirtschaftliche Anreize für klimafreundliches Verhalten zu schaffen. So sollen Emissionen in Sektoren reduziert werden, die bislang schwer regulierbar waren und in denen direkte technische Maßnahmen oft komplex oder kostenintensiv sind. Durch die Preiswirkung entsteht ein Innovationsdruck, der langfristig zur Dekarbonisierung dieser Bereiche beitragen soll.

Auswirkungen für Deutschland

Durch die mögliche Verschiebung des ETS 2 würde der nationale Emissionshandel (nEHS) auch 2027 noch für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr gelten. Im Jahr 2026 findet eine Versteigerung der Zertifikate innerhalb eines gesetzlich vorgeschrieben Preiskorridor von 55 bis 65 Euro pro Tonne CO2 statt. Für das Jahr 2027 sieht die aktuelle Fassung der Brennstoffemissionshandelsverordnung (BEHV) kein Versteigerungsverfahren und auch keine Preisdeckelung für den Zertifikateh​​andel vor. Stattdessen soll ein marktbasiertes Preisfindungsverfahren gelten.

Diese Umstellung kann zu erheblichen Preissprüngen bei den Emissionskosten für Unternehmen führen. Wie schnell und wie stark die Preise im Vergleich zur Versteigerungsphase 2026 steigen werden, ist aktuell nicht absehbar, da sich die Handelsphase für 2027 aufgrund jüngster politischer Entwicklungen in der Schwebe befindet. Klar ist: Der CO2-Preis wird ab 2027 nicht mehr staatlich festgelegt, sondern durch Auktionen oder Marktmechanismen bestimmt – mit potenziell höheren und volatileren Preisen.

Gerade weil die Preisentwicklung ab 2027 nicht abschließend vorhersehbar ist, sollten Unternehmen sich unabhängig von der konkreten Gesetzgebung strategisch auf steigende CO2-Kosten vorbereiten. Die Verschiebung des ETS 2 bietet dafür ein Zeitfenster, um Investitionen in klimafreundliche Technologien und Prozesse gezielt zu planen und umzusetzen.

Wie sollten sich Unternehmen verhalten?

Die zeitliche Verschiebung ist zwar eine Sache, aber der genaue Übergang zum ETS 2 bleibt weiterhin unklar. Das Risiko eines sprunghaften Anstiegs der CO2-Preise besteht fort – insbesondere, da die EU nicht nur den Start von ETS 2 verschoben, sondern auch ihre Klimaziele abgeschwächt hat. Mehrere Studien prognostizieren die Preisentwicklung im ETS 2 anhand unterschiedlicher Szenarien. Eine aktuelle Auswertung zeigt für das Jahr 2030 eine enorme Preisspanne von rund 60 bis 380 Euro pro Tonne CO2. Diese Bandbreite ergibt sich aus variierenden Modellannahmen und der unterschiedlich detaillierten Ausgestaltung des ETS 2. Ein Preisniveau an den Extremwerten erscheint zwar unwahrscheinlich, doch der Mittelwert aller Studien liegt bei etwa 210 Euro pro Tonne – und bietet damit eine realistischere Orientierung für Unternehmen.

Auch wenn die Verschiebung aus klimapolitischer Sicht kritisch zu bewerten ist, eröffnet sie Unternehmen eine wertvolle Gelegenheit zur strategischen Vorbereitung. Die zusätzliche Zeit bis 2028 kann genutzt werden, um Investitionen in Dekarbonisierun​gsmaßnahmen​ gezielt zu planen und umzusetzen – etwa in Elektrifizierung, die Umstellung des Fuhrparks oder die Optimierung energieintensiver Prozesse. Strategisch empfiehlt sich die Erstellung einer CO2-Bilanz als ersten Schritt sowie die Entwicklung einer unternehmensspezifischen Dekarbonisierungsstrategie.

Gleichzeitig gilt es, nationale und EU-weite Förderprogramme zu identifizieren, die bei der Transformation zu klimafreundlicher Infrastruktur und Technologie unterstützen.

Diese Maßnahmen helfen nicht nur, die zukünftige Abhängigkeit von CO2-Zertifikaten zu verringern, sondern auch, sich gegen mögliche Preisschwankungen abzusichern. Solche Transformationsrisiken, also das Aufkommen von finanziellen Risiken für das Unternehmen, aufg​​rund von Transformation hin zu einer CO2-freien Welt werden auch in einer Klimaresilienzanalyse aufgezeigt. Es ist eine strategische Notwendigkeit sich mit den Kosten (und Risiken) zu beschäftigen und diese für das eigene Unternehmen transparent zu machen. Der Ansatz von internen CO2-Kosten (als Schattenkosten) kann hier bestehende Prozesse einerseits einen klaren fiktiven CO2-Preis geben, und andererseits sind anstehende Investitionsentscheidungen hierüber auf ihre Zukunftstauglichkeit zu überprüfen.

Man sollte auf keinen Fall abwarten was in Berlin oder Brüssel entschieden wird. Das gewonnene Jahr ist dringend zu nutzen, um ggf​​. in Zusammenarbeit mit Energieversorgern und Technologiepartnern weitere wichtige Schritte zu identifizieren die Dekarbonisierung im Unternehmen voranzutreiben. 

Fazit

Die Verschiebung von ETS 2 ist kein Grund zum Abwarten – im Gegenteil: Sie sollte als Startsignal für strategisches Handeln verstanden werden. Unternehmen haben nun die Möglichkeit, die Zeit bis 2028 aktiv zu nutzen, um die notwendige Transformation voranzutreiben, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, CO2-Kosten systematisch in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren und verfügbare Fördermittel gezielt auszuschöpfen. Ebenso wichtig ist es, relevante Stakeholder frühzeitig einzubinden – von der Geschäftsführung über die Finanzabteilung bis hin zu operativen Bereichen.

Die Verschiebung bietet die Chance, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schrittweise zu reduzieren und sich auf ein zunehmend CO2-bepreistes Marktumfeld vorzubereiten. Wer jetzt handelt, kann nicht nur regulatorische Unsicherheiten reduzieren, sondern auch Kostenrisiken durch künftig steigende CO2-Preise frühzeitig adressieren und ebenfalls eine Klimaresilienzanalyse durchführen – und sich so nachhaltige Wettbewerbsvorteile sichern.

Rödl & Partner unterstützt bei allen Schritten der Dekarbonisierung – von der Erstellung der CO2-Bilanz über die Zieldefinition und die Entwicklung konkreter Maßnahmenpläne inklusive Zeit- und Investitionsplanung bis hin zur Umsetzung und Fördermittelakquise. Kommen Sie bei Fragen jederzeit auf uns zu!

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