Spanien: PPAs und die Vergütungskürzung nach RDL 17/2021

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​veröffentlicht am 17. November 2021


Hardship, Change in Law und Arbitration: Konfliktlösung bei Stromlieferverträgen mit Spanienbezug

Die von der spanischen Regierung Mitte September ergriffenen befristeten Maßnahmen zur Senkung des Strompreises betreffen viele Inhaber von Wind- und Solaranlagen (EE-Anlagen) auf dem spanischen Festland in unterschiedlichem Ausmaß.


Inhalt der Verordnung

Die per Verordnung verabschiedeten Maßnahmen hat die Regierung nach nur wenigen Tagen durch eine zusätzliche Erläuterung („aclaración”) konkretisiert (Real Decreto-ley 17/2021 vom 14. September 2021, in Verbindung mit der ministeriellen Verlautbarung „Respuesta al operador del sistema sobre la aplicación del RDL 17/21” des Umweltministeriums vom 21. September 2021).


Das Maßnahmenpaket umfasst zum einen Steuervergünstigungen und zum anderen eine bis Ende März 2022 anhaltende Vergütungskürzung. Die Kürzungsbeträge haben die Betreibergesellschaften der EE-Anlagen an den spanischen TSO abzuführen. In der Zusammenschau überwiegen die wirtschaftlichen Einbußen der Kürzung die positiven Effekte der Steuervergünstigung, sodass sich die Betreiber unter extremen Umständen in Einzelfällen zur Abschaltung von Anlagen gezwungen sehen könnten, um die auflaufenden Verluste zu begrenzen.


Persönlicher Anwendungsbereich

Von der befristeten Verkürzung betroffen sind insbesondere Betreiber von EE-Anlagen über 10 MW Kapazität, deren produzierte Energiemengen auf dem Spotmarkt gehandelt werden und die dadurch von den zurzeit stark angestiegenen Strompreisen „außerordentlich” profitieren. Die neu eingeführte Vergütungskürzung setzt folglich voraus, dass der zu kürzende Verkaufserlös die in erster Linie durch den Gaspreis – einer der Hauptfaktoren bei der Strompreisbildung – verursachte Erhöhung gleichsam internalisiert bzw. „indexiert” hat.


Von der Kürzung ausgenommen sind dementsprechend Anlagen, deren Verkaufserlöse ganz oder teilweise nicht „indexiert” sind. In erster Linie betrifft dies EE-Anlagen, für die physische bilaterale Stromlieferverträge („physischer PPA”) mit festen Preisen bestehen, sofern diese PPAs vor dem 16. September 2021 und nicht zwischen verbundenen Unternehmen abgeschlossen wurden.


Weiterhin sind auch „finanzielle PPAs” von der Verkürzung ausgenommen, sofern sie ganz oder zum Teil mit nichtindexierten Sicherungsgeschäften („Hedging”) im Zeitraum der Geltung des RDL 17/2021, nicht mit verbundenen Unternehmen und ebenfalls vor dem 16. September 2021 vereinbart wurden. Dies betrifft somit financial PPA mit einem gemischten Preismechanismus (z. B. Cap-Floor Pricing) wie auch financial PPA für mehrere Anlagen eines Betreibers (Anlagenpark), allerdings nur bezogen auf den Erlösteil, der fest und nicht indexiert bepreist ist. Der nicht gesicherte „Netto-Erlösanteil” unterliegt sodann der anteiligen Kürzung.


Zuletzt sind auch diejenigen EE-Anlagen von der Kürzung ausgenommen, die entweder einen speziellen staatlich geförderten Vergütungstarif erhalten oder für die eine Vergütungsregelung auf der Grundlage von Ausschreibungen gilt.


Die genauen Einzelheiten der vorgenannten Ausnahmetatbestände sind noch nicht abschließend geregelt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das RDL 17/2021 in den nächsten Wochen noch weitere Änderungen erfahren wird, bis es entweder bestätigt oder vom Parlament außer Kraft gesetzt wird.


Insbesondere die zeitlich fixierte Grenze – PPA-Abschluss vor dem 16. September 2021 als Voraussetzung, um von der Verkürzung ausgenommen zu sein – trifft im Markt auf starken Widerstand und viele Diskussionen, steht die Regelung doch im direkten Widerspruch zur Idee der Regierung, die Verwendung von lang laufenden Stromlieferverträgen auch in Zukunft intensiv zu fördern.


In jedem Fall sind jedoch die betroffenen Anlagenbetreiber aufgefordert, die wirtschaftlichen Auswirkungen des RDL 17/2021 im Sinne eines verantwortlichen Vertragsmanagements in rechtlicher Hinsicht zu bewerten, und zwar weil sie entweder bereits geltende PPAs im Portfolio verwalten oder vor dem Abschluss eines PPAs stehen.


Vertragsrechtliche Sicht

Die Auswirkungen der Kürzung nach RDL 17/2021 sind vertragsrechtlich dahingehend zu untersuchen, ob sie dem Anlagenbetreiber und Vertragspartner eines PPAs in extremen Fällen die Möglichkeit einer Vertragsanpassung eröffnen könnten. Im Folgenden möchten wir diesen speziellen Fall kurz skizzieren und abschließend als Praxistipp zusammenfassen:


1. Anwendbares Recht

Zunächst ist bei der Prüfung der Vertragsklauseln die Frage zu klären, welches Recht auf den Stromliefervertrag anwendbar ist. Auch wenn Vertragsanpassungen regelmäßig ausführlich im PPA geregelt sind, so gelten diese Klauseln immer nur im Zusammenhang und auf der Grundlage des von den Vertragspartnern gewählten Vertragsrechts. Für PPAs mit Spanienbezug bedeutet dies in der Regel die Anwendung spanischen Rechts. Aber auch ausländische Rechtsordnungen sind zu beachten, sofern eine entsprechende Rechtswahl vorliegt.


2. „Hardship” und „Change in Law” nach spanischem Recht

Als Fälle von „Hardship” werden Ereignisse bezeichnet, die die im Vertrag vereinbarten Leistungspflichten der Beteiligten über ein tolerierbares Maß hinaus zulasten nur eines Vertragspartners erschweren, aber nicht unmöglich machen. Damit stellen sie eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertragserfüllungspflicht dar („pacta sunt servanda“). Diese Ausnahme greift regelmäßig dann, wenn sich die von den Vertragspartnern bei Vertragsschluss vorgefundenen grundlegenden Umstände außerhalb der Verantwortungssphäre der Beteiligten unvorhergesehen und derart schwerwiegend verändern, dass ein Festhalten am Vertrag zu einer unbilligen Härte für einen Vertragsteil führen würde.


Während z. B. im deutschen Recht die zuvor beschriebene Ausnahme zur allgemeinen Leistungspflicht in § 313 BGB („Störung der Geschäftsgrundlage”) explizit geregelt ist, fehlt eine entsprechende gesetzliche Regelung in Spanien. Gleichwohl ist die Ausnahme als ungeschriebenes Prinzip einer „Veränderung der Vertragslage” („rebus sic stantibus”) in der spanischen Lehre und Rechtsprechung anerkannt. Die spanischen Gerichte haben die Rechtsprechung zur Anwendung von Härtefallklauseln zuletzt im Rahmen der globalen Finanzkrise zur Lösung von extremen Verwerfungen in der Vertragssymmetrie gefestigt. Wie im deutschen Recht stellt die spanische Jurisdiktion auf den hypothetischen Willen der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab und definiert damit auch den jeweils speziellen Zumutbarkeitsmaßstab.

 
Die in Stromlieferverträgen in Spanien regelmäßig vereinbarten sog. „Change in Law”-Klauseln sind als Unterfall einer Härteklausel zu qualifizieren. Auch sie stellen auf unvorhergesehene Ereignisse außerhalb der Risikosphäre der Vertragspartner ab, die speziell durch gesetzliche Eingriffe wie beispielsweise regulatorische Änderungen auftreten können. Die Vergütungskürzung aufgrund des RDL 17/2021 erfüllt somit jedenfalls dem Grunde nach die Voraussetzungen einer Hardship-Klausel. Entscheidend ist sodann, dass die wirtschaftlichen Belastungen und Auswirkungen der Vergütungskürzung im konkreten Fall die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreiten. Da jede Anlage unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangsparameter besitzt, sind die Besonderheiten jeder Anlage zu beachten. Bezogen auf den Typus eines PPAs wären beispielsweise Verträge zur Absicherung einer Anlagenfinanzierung („upstream PPA”) mit ihren spezifischen bankseitigen Anforderungen entsprechend differenziert einzuordnen.


Für die Zukunft bedeutet das jetzt in Kraft getretene RDL nicht zuletzt auch eine Verschiebung des „Unvorhersehbarkeitserfordernisses” zur Anwendung der „Change in Law”-Klausel. Dies gilt es insbesondere bei der Neuformulierung von PPAs zu beachten.


Prozessuale Sicht

Auch wenn die Vergütungskürzung nach RDL 17/2021 für die meisten EE-Anlagen zu spürbaren Einbußen führen wird, dürfte die Unzumutbarkeitsschwelle einer typischen PPA-Hardship-Klausel nur bei wenigen Anlagen überschritten sein.


Primäres Ziel ist dann die Vertragsanpassung noch vor der Auflösung und Beendigung des Vertrages. Es fällt in die Zuständigkeit der (spanischen) Gerichtsbarkeit, die Vertragsanpassung in freiem Ermessen vorzunehmen. Insofern kann sich glücklich schätzen, wer im Stromliefervertrag vorsorglich eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen hat, die es den Parteien ermöglicht, mit Blick auf das auszuübende richterliche Ermessen die Auswahl von geeigneten Schiedsrichtern selbst zu treffen. Auch die wesentlich kürzere Laufzeit eines Schiedsverfahrens im Vergleich zu den mehrjährigen Verfahren vor den staatlichen Gerichten ist bei Streitigkeiten über die Stromvergütung ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Vor dem Hintergrund der neuesten Urteile des Europäischen Gerichtshofs haben die zuständigen Schiedsgerichte bei ihren Entscheidungen zu beachten, dass die Anpassung verhältnismäßig und in jedem Fall innerhalb der wettbewerbsrechtlich geltenden Schranken zu erfolgen hat.


Praxistipp

Für bestehende PPAs mit indexierter Preisklausel

Überprüfen Sie die bestehenden Verträge und schätzen Sie die wirtschaftlichen Auswirkungen des RDL 17/2021 ein. Sollte Ihr PPA von der Kürzung so stark betroffen sein, dass Sie aus wirtschaftlicher Sicht zur (befristeten) Abschaltung der Anlage gezwungen wären, unterrichten Sie Ihre Vertragspartner sowie Investoren und Finanzinstitute im Vorfeld über diesen möglichen Schritt. Für den Fall, dass der Vertragspartner bei einer Abschaltung seinerseits rechtliche Schritte in Erwägung zieht, versuchen sie frühzeitig, am besten im Rahmen einer Wirtschaftsmediation, eine außergerichtliche Konfliktlösung zu erzielen. Falls dies nicht gelingt, bleibt die Möglichkeit einer Vertragsanpassung durch das angerufene (Schieds-)Gericht.


Für zu verhandelnde PPAs

Verwenden Sie passende Hardship-Klauseln, die Sie auf Ihre spezielle Vertragssituation und das gewählte Recht ausrichten und die insbesondere Fälle der Vertragsanpassung durch Schiedsgericht oder Gutachter vorsehen. Geeignete Klauseln sind auf der Webseite der ICC zu finden. Beachten Sie, dass das jetzt erlassene RDL nunmehr die Anforderungen an die Unvorhersehbarkeit von Vergütungskürzungen verschoben hat.

 

 

 

 

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