To-do: Exitstrategie

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veröffentlicht am 31. August 2020 | Lesedauer ca. 6 Minuten

  

​Begleitung bei der Prüfung: Für den steuerlichen Berater sollte es auch zum Tagesge­schäft gehören, seinem Mandanten bei Betriebsprüfungen durch die Finanzbehörden tatkräftig zur Seite zu stehen.

  

  

 

Die Begleitung bei Betriebsprüfungen sollte für Steuerberater ähnlich der Erstellung von Steuererklärungen zur alltäglichen Beratungspraxis gehören. Denn jüngst ist eine verstärkte Tendenz festzustellen, dass Betriebs­prüfungs­verfahren seitens der Finanzverwaltung mit zunehmender Härte geführt werden. Auch der Gesetzgeber schafft dafür immer mehr Möglichkeiten und gibt den Finanzbehörden das nötige sowie neues Rüstzeug, um etwaige Steuerlücken zu entdecken und zu schließen. Ein Beispiel für diesen gesetzgeberischen Aktionismus ist die seit dem 1. Januar 2018 neu geschaffene Kassennachschau. Aufgrund dieser neuen und gesondert ausgestalteten Prüfungsmöglichkeit ist sogar mit einer noch höheren als der bisherigen Anzahl an Betriebs­prüfungen zu rechnen, da bei Feststellung von Unregelmäßigkeiten bei der Kassennachschau nahtlos in eine Außenprüfung übergegangen werden kann. Nach Auskunft der Finanzbehörden wird von dieser neuen Möglichkeit der anlassunabhängigen Prüfung extensiv und gerne Gebrauch gemacht. Nicht selten schließen sich den Betriebsprüfungen Steuerstrafverfahren an – oft nicht nur zulasten des Steuerpflichtigen, sondern auch seines Beraters. Häufig steht der mandatierte Steuerberater jedoch auch vor der Situation, bei den Verhandlungen mit den prüfenden Finanzbeamten erkennen zu müssen, dass ein positiver Ausgang der Betriebsprüfung für den Steuerpflichtigen durch sein Zutun nicht mehr erreichbar ist. Hierfür genügen schon Antipathien und atmosphärische Störungen zwischen Prüfer und Berater. Es stellt sich daher die Frage, ob beziehungsweise wann die Hinzuziehung eines externen Beraterkollegens sinnvoll ist. 

 

Strafrechtliche Erwägungen

Steuerliche Berater können neben ihren Mandanten ins Kreuzfeuer steuerstrafrechtlicher Ermittlungen gelangen, wenn bei einer Betriebsprüfung Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind. Häufig spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, in welcher Branche der betreute Mandant tätig ist und welche Ge­schäfts­praktiken er grundsätzlich an den Tag legt. Aufgrund gereifter Erfahrungen bei den Finanzbehörden, aber auch unter den Beratern selbst sind einige Branchen durchaus risikobehafteter als andere. Daher muss der Berater, sofern er eine risikobehaftete Situation erkennt, sich auch frühzeitig selbst schützen. Beratern gegenüber kann relativ schnell der Vorwurf einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemacht werden. Dieser Vorwurf kommt in Betracht, wenn beispielsweise Daten aus der fehlerhaften Buchführung, etwa für Umsatz­steuer­vor­an­meldungen oder eine Jahreserklärung, ohne ausreichende Plausibilitätsprüfung übernommen werden. Für eine Beihilfehandlung genügt nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen jede Handlung, welche die Herbei­führung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg ursächlich sein muss. Ein ausdrückliches Missbilligen der Tat durch den Steuerberater ist nicht ausreichend, um sich selbst zu entlasten.

 

Rechtsprechung und Gesetzeslage

Allerdings sind hierbei die Grundsätze zu beachten, die der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Ent­scheidungen aufgestellt hat, bei denen Berater angeklagt waren. Das höchste deutsche Strafgericht sieht sehr wohl das Dilemma steuerlicher Berater, wenn im Nachgang festgestellt wird, dass durch deren Zutun Steuerverkürzungen entstanden sind. In diesem Zusammenhang hat der BGH klargestellt, dass nicht jedes berufstypische Verhalten als strafbare Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr unterscheidet der BGH wie folgt: Zielt der Haupttäter (hier: der Mandant) mit seinem Handeln alleine auf die Begehung einer Straftat ab und hat der Gehilfe (hier: der Berater) davon Kenntnis, ist die Handlung des Beraters als strafbare Beihilfe zu werten. Man spricht hier von einer Solidarisierung mit dem Täter, die es zu bestrafen gilt. Hält der Berater hingegen die Begehung einer (Steuer-) Straftat lediglich für möglich, geht der BGH noch nicht zwingend von einer strafbaren Beihilfe aus. Eine solche sieht er in dieser Konstellation erst dann, wenn das Risiko strafbaren Verhaltens derart hoch ist, dass der Berater davon ausgehen musste, eine Straftat zu fördern, und ihn dieser Umstand auch nicht davon abgehalten hat, tätig zu werden. An diesen Fallgruppen zeigt sich deutlich, dass tatsächlich nur diejenigen Berater zur strafrechtlichen Rechenschaft gezogen werden sollen, die mit dem Mandanten kollusiv zusammenwirken. Besonders fatal wirkt sich die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 Betriebsprüfungsordnung (BpO) aus. Danach können Ermittlungen beim Verdacht einer Straftat im Rahmen der Außenprüfung erst nach Mitteilung der Einleitung des Steuerstrafverfahrens fortgesetzt werden. Diese Vorschrift entfaltet jedoch im Verhältnis zum Steuerberater keine Wirkung; sie gilt nur im Verhältnis zum Steuerpflichtigen. Auch der Schutz vor Verletzung der Selbstbelastungsfreiheit, der sich aus dem § 393 Abs. 1 Satz 4 Abgabenordnung (AO) ergibt, wirkt nur zugunsten des Steuerpflichtigen, nicht jedoch zugunsten des Steuerberaters. Für den Berater ergibt sich somit die missliche Situation, dass die bei einer Betriebsprüfung geltenden Schutzrechte nur im Verhältnis zum Steuerpflichtigen, nicht jedoch zu seinen Gunsten gelten. Insofern hat der Steuerberater einzig aus seiner berufsrechtlichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit infolge der Mandatsbeziehung die Möglichkeit, ihn belastende Aussagen zu verweigern. Diese Möglichkeit entfällt jedoch, sobald der Mandant seinen Steuerberater von der Verschwiegenheit entbunden hat.

 

Wechsel des Beraters

Eine Konstellation, in der man als Steuerberater nicht mehr tätig werden sollte, bleibt jedoch bestehen. Wird gegen den eigenen Mandanten ein Steuerstrafverfahren eingeleitet und ist der Berater in dem Zeitraum steuerberatend tätig, wofür das Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde, sollte man seinem Mandanten zwingend zu einem anderen Berater mit Steuerstrafverteidigungsexpertise raten. Denn im Steuerstrafverfahren hat der Verteidiger die Interessen seines Mandanten zu vertreten. Dem mandatierten Steuerberater ist es zwar erlaubt, in diesem Fall zu beraten, solange das Verfahren bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle geführt wird; jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass dann ein klarer Fall von Interessenkollision vorliegt, wenn die Interessenvertretung des Mandanten endet und man gleichzeitig in eigener Sache, gegebenenfalls zur Abwendung einer Haftungsinanspruchnahme tätig werden muss. Diesem Spannungsfeld sollte man sich als Steuerberater nicht aussetzen, zumal daraus auch berufsrechtliche Konsequenzen folgen können. Hier sollte man zur Mandatierung eines Strafverteidigers raten, diesen dann bei der laufenden Betriebsprüfung über das steuerliche Verfahren auf dem Laufenden halten und mit ihm die Strategie besprechen. Aufgrund des Gesagten wird deutlich, dass sich bei einer Betriebsprüfung für den Steuerberater ein Spannungsfeld auch unerwartet entwickeln kann, dessen Beherrschung man durchaus als hohe Schule der Beratungstätigkeit bezeichnen könnte. Dazu gehört auch, dass der Steuerberater erkennt, wann er selbst nicht mehr tätig sein sollte.

 

Sollten dem Steuerberater bereits bei der Mandatsbetreuung Unregelmäßigkeiten auffallen, kann er zum einen darauf hinwirken, dass der Mandant eine Berichtigung beziehungsweise eine strafbefreiende Selbstanzeige abgibt. Letztere ist aber nur möglich, solange noch keine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde, da ansonsten der Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO eingreift. Wenn der Mandant diesem Rat nicht folgen sollte, dann verbleibt dem Steuerberater nur mehr ein sehr eingeschränkter Aktionsradius. Sehr zum Missfallen seines Mandanten muss er sein Beratungsmandat auf Bereiche beschränken, die von den Unregelmäßigkeiten nicht betroffen sind, sodass beispielsweise eine Umsatzsteuerjahreserklärung nicht erstellt werden darf, wenn die Voranmeldungen ungeprüft übernommen werden sollen. Ist eine derartige Beschränkung des Beratungs­mandats nicht möglich, bleibt dem Steuerberater nichts anderes übrig, als das Mandat niederzulegen. Dabei ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass eine Kündigung des Mandats durch den Berater nicht zur Unzeit erfolgt, also insbesondere dann nicht, wenn gesetzliche Erklärungsfristen ablaufen und ein anderer Berater nicht in der Lage sein wird, diese einzuhalten. Die Mandatsniederlegung kommt zu einem Zeitpunkt in Betracht, an dem der Steuerberater positive Kenntnis von den Missständen erlangt und er sich durch die weitere Betreuung des Mandats möglicherweise selbst einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen würde. Entscheidend für alle Fälle ist, sich eine Exitstrategie zurechtzulegen. Wenn der Betriebsprüfer bei der Betriebsprüfung Unregelmäßigkeiten aufdeckt, sollte auf jeden Fall zusammen mit dem Mandanten und gegebenenfalls einem hinzugezogenen, im Steuerstrafrecht spezialisierten Experten frühzeitig eine Verteidi­gungs­strategie entwickelt werden. Spätestens in diesem Stadium ist es sinnvoll, das Verfahren vom externen Berater führen zu lassen und damit nicht nur den Steuerpflichtigen, sondern auch sich selbst aus der Schusslinie der Finanzverwaltung zu nehmen. Da in einem solchen Fall über dem Verfahren auch immer das Damoklesschwert eines steuerstrafrechtlich relevanten Sachverhalts hängt, muss bereits jetzt das weitere Vorgehen zwingend an einer möglichen Verteidigungsstrategie ausgerichtet sein.

 

Taktische Erwägungen

Im Verlauf einer Außenprüfung werden durch den Finanzbeamten Feststellungen getroffen. Dabei kann oft nicht vermieden werden, dass es aufgrund einer Beleglage, die den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, zu Schätzungen seitens des Finanzamts kommt. Des Weiteren können für die Behörde andere Konflikte als die vom steuerlichen Berater getroffenen Bewertungen von Sachverhalten im Sinne des Mandanten einer abschlie­ßen­den Klärung bedürfen. Immer wieder kommt es dabei zu Situationen, in denen die Argumente zwischen der Finanzbehörde und dem steuerlichen Berater ausgetauscht sind und man sich im Kreis dreht. Schon aus taktischen Erwägungen ist es in einer solchen Situation durchaus überlegenswert, ein neues Gesicht in das Verfahren einzuführen, um auf diese Weise doch noch das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Da kann es schon genügen, dass der neu eingebundene externe Kollege und der Außenprüfer auf eine bessere Kommunikations­ebene gelangen, weil der Außenprüfer für den neuen Kollegen mehr Sympathie entwickeln kann, als es für ihn gegenüber dem bisher mandatierten Steuerberater möglich war. Mitunter ist das der Fall, wenn in der laufenden Betriebsprüfung bereits verfahrene Situationen entstanden sind. Mit einem externen Berater können diese Probleme womöglich gelöst werden, und am Ende steht dann doch ein zufrieden­stellendes Ergebnis. Aus diesen Gründen sollte die Hinzuziehung eines anderen Kollegen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

 

Fazit

Außenprüfungen lösen beim Steuerpflichtigen üblicherweise eine angespannte Situation aus. Dabei ist nicht auszuschließen, dass steuerlich relevante Aspekte übersehen werden, die erhebliche Konsequenzen haben können. Der steuerliche Berater ist in einer derartigen Situation nicht nur Sparringspartner gegenüber der Finanzverwaltung, sondern häufig auch langjähriger Vertrauter des Steuerpflichtigen, der sich daher auf den Rat seines Wegbegleiters verlässt. Zudem weiß der langjährige Steuerberater, was hinter den Fragen der Betriebsprüfer stecken könnte beziehungsweise wo die Schwachstellen des Steuerpflichtigen liegen könnten. Er ist und bleibt während der laufenden Betriebsprüfung im Idealfall wichtiger Ansprechpartner nicht nur des Steuerpflichtigen sondern auch des externen Steuerstrafverteidigers. Daher ist hier ein offenes Wort beziehungsweise eine realistische Einschätzung angezeigt, um die bevorstehenden Entwicklungen abzuwägen und eine Strategie zu entwickeln. Die Hinzuziehung eines externen Kollegen soll dabei weder das Vertrauen zwischen Steuerpflichtigem und seinem Berater untergraben noch beim Berater die Angst hervorrufen, das Mandat zu verlieren. Ein derartiger Schritt ist lediglich Mittel zum Zweck, um das bestmögliche Ergebnis für den Mandanten zu erzielen. Der Auftrag des externen Kollegen, insbesondere einem Strafverteidiger, kann dabei auch ganz dezidiert auf die Beratung im eingeleiteten Verfahren samt Informationen, die auch die Einbindung in die Außenprüfung umfassen sollte, beschränkt werden. So kann im Nachgang das laufende Mandat vollkommen geräuschlos weitergeführt werden. Diese Handlungsoption sollte man immer im Hinterkopf behalten – denn vier Augen sehen mehr.

 

Erschienen im DATEV magazin (Ausgabe 08/2020)

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