Tax Compliance Management Systeme (Tax CMS): Bedeutung für Familienunternehmen

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zuletzt aktualisiert am 21. Februar 2018
von Andreas Brunnhübner und Tanja Creed

 

Tax Compliance Management Systeme (kurz Tax CMS) sind derzeit stark in den öffentlichen Fokus gerückt. Handelt es sich hierbei nur um eine Modeerscheinung oder können insbesondere Familien­unternehmen nach­haltig profitieren? Wie gelingt eine effiziente und maßgeschneiderte Implemen­tierung eines Tax Compliance Managements, um für die handelnden Personen eine Enthaftung zu erreichen?
 

 

Tax Compliance Management ist derzeit in aller Munde. In der Praxis ist festzustellen, dass sich die technischen Analysefähigkeiten der Finanzverwaltung stetig verbessern. Ungenauigkeiten und Fehler in Erklärungen des Steuerpflichtigen werden dadurch schneller identifiziert. Zudem sind digitale Kommu­nikation, automationsgestützte Bearbeitung und die Einführung eines IT-basierten Risikomanagement­systems für die Einordnung der Steuerpflichtigen in Risikogruppen längst in den Fokus der Finanzverwaltung gerückt. Durch gezielte Anforderung von Daten über eBilanzen, Meldeverfahren oder im Zuge inter­nationaler Austauschverfahren und laufender Initiativen wie das BEPS Projekt der OECD/G20-Staaten schafft sich die Finanzbehörde zunehmend das „gläserne Unternehmen”. Auf der anderen Seite sieht sich der Steuerpflichtige bei Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten einer Flut immer komplexer werdender Gesetze, Recht­sprechungen und Verordnungen gegenüber, deren Halbwertzeit sich ständig verkürzt. Gespitzt formuliert könnte man sich fragen: Wer blickt da noch durch?      

 


Kennen Sie Ihre Pflichten?

In diesem Umfeld ist der Familienunternehmer gut beraten, sich seine steuerlichen Pflichten und die Folgen vermeintlicher Fehler zu vergegenwärtigen. Zunächst einmal ist er selbst „Steuerpflichtiger” und hat seine eigenen steuerlichen Pflichten zu erfüllen, z.B. seine Einkommensteuererklärung wahrheitsgemäß zu erstellen und fristgerecht einzureichen. Daneben ist er typischerweise auch gesetzlicher Vertreter diverser Gruppengesellschaften – auch deren steuerliche Pflichten obliegen ihm. Zu denken ist hier an die ordnungs- und fristgemäße Einreichung von Lohnsteuer- oder Umsatzsteuervoranmeldungen sowie von Jahreserklärungen oder die richtige Beantwortung von Anfragen im Rahmen einer Betriebsprüfung. Kurzum: Es besteht „Legalitätspflicht” des Unternehmens, seiner Geschäftsleitung und Mitarbeiter sowie des Inhabers. Zu beachten ist, dass Leitungsorgane auch bei geeigneter Delegation eine Überwachungs- und Aufsichtspflicht haben, der sie sich nicht einfach entledigen können („Vorstände und Geschäftsführer haften für ihre Mitarbeiter”). Es gilt die Maxime, dass lediglich die Delegation von Aufgaben, nicht aber von Verantwortung möglich ist.

  

Folgen einer Pflichtverletzung

In der Praxis werden solche Themen bei Familienunternehmen oft unterschätzt. Dabei sind gerade hier die Folgen von Pflichtverletzungen gravierend; schließlich spielen der Schutz des Unternehmens- bzw. des Familienvermögens sowie deren gute Reputation eine große Rolle.

  

Werden steuerliche Pflichten verletzt, drohen zunächst unvorteilhafte Schätzungen der Besteuerungs­grundlagen oder empfindliche Zahlungen von Verspätungs-, Säumnis- und Strafzuschlägen. Im schlimmsten Fall werden durch die Pflichtverletzung insbesondere folgende Haftungstatbestände, Geldbußen oder strafrechtliche Delikte verwirklicht:   
  • Persönliche Haftung der gesetzlichen Vertreter für Steuern und Säumniszuschläge (§ 69 AO)
  • Persönliche Haftung des Steuerhinterziehers für verkürzte Steuer (§ 71 AO)
  • Steuerstrafrechtliche und steuerordnungswidrige Verantwortung (§ 369 ff AO)
  • Persönliche Geldbuße wegen Aufsichtsverletzung (§ 130 OWiG)
  • Geldbuße gegen Gesellschaft (§ 30 OWiG)
  • Abschöpfung des tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteils (§ 29a OWiG)

  

Tax Compliance Management als Chance

Genau hier setzt ein angemessenes Tax Compliance Management an. Ziel ist neben der Sicherstellung der Erfüllung steuerlicher Pflichten ein aktives Steuermanagement zum Schutz der verantwortlichen Personen. Umgesetzt wird das durch Entwicklung eines geschlossenen und dokumentierten Systems von Maßnahmen und Prozessen innerhalb der Unternehmensgruppe – kurz Tax Compliance Management System genannt. Die Vorlage zur Errichtung eines solchen Systems kam ausgerechnet von der Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 23. Mai 2016 zu § 153 AO. Ursache des Erlasses war die Zuspitzung der Rege­lungen zur Selbstanzeige nach § 371 AO und das daraus resultierende Abgrenzungsproblem zum einfachen Berich­tigungstatbestand nach § 153 AO. Objektives Tatbestandsmerkmal ist für beide Vorschriften die nachträgliche Berichtigung einer unrichtigen Steuererklärung. Ein Unterschied besteht jedoch im subjektiven Tatbestand. Eine bloße Berichtigung ist durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige nicht vorsätz­lich gehandelt hat, d.h. er bei Abgabe lediglich eine Fehlerhaftigkeit für möglich hielt und sich dieser erst im Nachhinein sicher wurde. Demgegenüber liegt eine Steuer­hinterziehung vor, wenn der Steuer­pflichtige vorsätzlich oder leichtfertig (grob fahrlässig) die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung in Kauf genommen hat und sie mangels geeigneter Kontrollmaßnahmen billigt. Zur Lösung des Abgrenzungs­problems wertet das Finanzamt nunmehr das Vorliegen eines steuerlichen internen Kontrollsystems (IKS) als Indiz, den Vorwurf der Steuerhinterziehung nach § 370 AO zu entkräften. Damit kann ein vorhandenes steuerliches IKS die handelnden Personen enthaften.

  

Eine Wirtschaftsprüfer-Arbeitsgruppe hat daraufhin den Begriff des „innerbetrieblichen Kontrollsystems” mit Leben gefüllt und einen IDW Praxishinweis 1/2016 zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax CMS erar­beitet. Nunmehr ist eine Diskussion entbrannt, ob alle Unternehmen aufgrund der Aussage des Bundes­ministerium der Finanzen zur Enthaftung gezwungen sind, ein solches System einzurichten und bei Nichterrichtung automatisch belangt werden. Es wird sich jedoch erst noch zeigen, wohin genau die Reise gehen wird.

  

Handlungsempfehlung

Früher oder später wird sich kein Unternehmen mehr dieser Thematik entziehen können. Familienunter­nehmen sollten deshalb auch hier ihre Vorreiterrolle wahrnehmen und mit der Errichtung eines Tax CMS beginnen. Aber wie kann man sich dem nähern?

  

Die konkrete Ausgestaltung hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von Unternehmensgröße und Branche, sondern auch von den vorhandenen Ressourcen. Wichtig ist dabei zunächst die Etablierung einer fundierten Tax Compliance-Kultur im Unternehmen, etwa durch Vorgabe von Richtlinien, Schulungen oder Arbeitsanweisungen, die von Mitarbeitern sowie der Geschäftsführung in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Es bedarf der (Neu-)Definition von Verantwortlichkeiten und Steuerprozessen, bei der sicher­gestellt ist, wer welche Daten erfasst, prüft und freigibt. Von großer Bedeutung sind die Dokumentation der Maßnahmen und Prozesse sowie deren Kontrollen. Wenn zudem in einem nächsten Schritt die periodische Überprüfung und Verbesserung gelingt sowie ein Change Management Verfahren eingerichtet ist, kann bereits von einem geschlossenen System gesprochen werden.

  

Bei der Einführung eines Tax CMS empfiehlt sich auch die Unterstützung durch IT-gestützte Tools und Kontrollen. Das erfolgt in Abhängigkeit davon, ob und wie die Steuerfunktion inhouse, extern oder in Kombination wahrgenommen wird. Das von Rödl & Partner empfohlene Tool DefTax kann eine interessante und kostengünstige Lösung für Unternehmen sein.  Mit Hilfe von Algorithmen kann DefTax eine große Datenmenge analysieren und ermöglicht somit eine hohe Transparenz von steuerlichen Daten. Gleichzeitig können dadurch Fehler frühzeitig erkannt und vermieden werden. Mittels automatisch durchgeführter Plausibilitätskontrollen unterliegen die gesammelten Daten jederzeit einer Kontrolle. Auch prozessintegrierte Kontrollen sind möglich. Mittels Tools wie DefTax können ferner Verantwortlichkeiten klar abgebildet und abgegrenzt werden. Eine automatische Fristenkontrolle und -übersicht ist möglich. Ein Ampelsystem zeigt bspw. für das jeweilige Land an, ob Fristen kurz vor ihrem Ablauf stehen.

  

Fazit

Ein geeignetes Tax Compliance Management System ist keine Modeerscheinung, sondern besonders für Familienunternehmen relevant. Es schützt vor ungeplanten Zahlungsabflüssen und sorgt dafür, alle Steuern ordnungs- und fristgemäß erklären und entrichten zu können. Durch implementierte Kontrollen und Prozesse wird zudem sichergestellt, dass im Rahmen der Steuerfunktion eine höhere Transparenz erreicht wird und damit auch Gestaltungspotenzial identifiziert werden kann. Zudem sichert ein Tax CMS das Familienvermögen und die Reputation.

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Andreas Brunnhübner

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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