Gesetzesentwurf zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten

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zuletzt aktualisiert am 4. Mai 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten

  

​Die Digitalisierung schreitet voran. Nicht erst seit Beginn der Covid-19 Pandemie setzt auch der Staat in professionellen Verfahren zunehmend auf eine Umstellung von den herkömmlichen Kommunikationsformen hin zu digitalen.

 

  

  

 
Neben der zunehmenden Professionalisierung der digitalen Kommunikation in gerichtlichen Verfahren mit den Gerichten wie auch der am Verfahren beteiligten Personen untereinander im Rahmen der Ausweitung der passiven Nutzungspflicht für in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen wird mit dem „Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften” auch die Grundlage für einen breiten Personenkreis geschaffen, mittels eines sogenannten besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfach (kurz: „eBO”), wenn auch ohne aktive oder passive Nutzungsverpflichtung, die bestehenden Strukturen zur Übermittlung elektronischer Dokumente zu nutzen.

Das eröffnet für sämtliche Akteure, insbesondere auch für juristische Personen, auch jenseits von gerichtlichen Verfahren, zunehmend die Möglichkeit künftig die Kommunikation in einer Vielzahl von Fällen, in denen bisher die Kommunikation nicht papierlos möglich war, auf elektronische Kommunikation umzustellen. 

Bereits vor der Pandemie gab es das besondere elektronische Anwaltspostfach und die Pflicht, es zumindest zum Empfang zu nutzen.

Seit dem 1. Januar 2018 gilt für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die sogenannte passive Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach (kurz „beA”). Damit werden Rechtsanwälte verpflichtet auch auf elektronischem Wege über einen sicheren Übermittlungsweg elektronische Dokumente von Gerichten und anderen Rechtsanwälten zu empfangen und hierüber die Zustellung zu ermöglichen und können ihrerseits aktiv elektronische Dokumente übermitteln. 

Auch Notare verfügen über ein besondere elektronische Notarpostfach (kurz „beN”), über welches die Kommunikation mit den Gerichten erfolgt. Ebenfalls verfügen Behörden über sogenannte besondere elektronische Postfächer (kurz „beBPo”).

Die digitale Kommunikation im Rechtsverkehr mit den Gerichten wird seither immer weiter ausgeweitet. Teilweise besteht auch bereits neben der passiven Nutzungspflicht für Rechtsanwälte eine Pflicht zur aktive Nutzung, so beispielsweise in Bremen für die Verfahrenskommunikation mit weiten Teilen der Fachgerichts­barkeit oder auch in Schleswig-Holstein. Die aktive Nutzungspflicht soll flächendeckend ab dem 1. Januar 2022 gelten.

Am 10. Februar 2021 hat die Bundesregierung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften” beschlossen.

Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften wird in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten nun auch weiteren professionell am Prozess beteiligten, Berufsträgern, Organisationen und Verbänden, wie auch natürlichen und juristischen Personen oder sonstigen Vereinigungen die Möglichkeit eingeräumt, unter Rückgriff auf die bestehende bewehrte digitale Struktur ein entsprechendes besonderes elektronisches Postfach zur Nutzung dieses Kommunikationsweges einzurichten.

Erweiterung der passiven Nutzungspflicht 

Nach § 173 ZPO-E sollen künftig neben Rechtsanwälten und Notaren auch Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organi­sationen einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente gegen Empfangs­bekenntnis eröffnen (passive Nutzungspflicht), da bei den Personen von einer erhöhten Zuver­lässigkeit ausgegangen wird. Ferner gilt die passive Nutzungspflicht für Behörden wie auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Hierdurch werden die bisher in § 174 ZPO benannten Personen in den Kreis derjenigen, welche den sicheren elektronischen Übermittlungsweg nutzen können und Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis über diesen gegen sich gelten lassen müssen, einbezogen. Die passive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs soll auch nach der bisherigen Regelung ausschließlich die in professioneller Eigenschaft am Verfahren Beteiligten in den elektronischen Rechtsverkehr einbeziehen.

Künftig sollen darüber hinaus neben den namentlich bezeichneten Personengruppen nach der Gesetzesbegründung eine Vielzahl weiterer Personen, Vereinigungen und Organisationen, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung von elektronischen Dokumenten eröffnen. Hierzu zählen nicht nur Dolmetscher, Übersetzer und Sachverständige, welche regelmäßig an gerichtlichen Verfahren beteiligt sind.  Vielmehr sollen als „sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozessbeteiligte Personen” diesen eröffnen, so auch Rentenberater,  Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinn des § 3a StBerG sowie Steuerberatungsgesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 StBerG und Lohnsteuerhilfevereine im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 4 Nr. 11 des StBerG gelten. Ferner selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder wie auch juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer Gewerkschaft oder sonstigen selbstständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitsgebern stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Auch Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, sollen hierzu zählen. Überdies Verbraucherzentralen und andere mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbraucherverbände bei der Einziehung von Forderungen von Verbrauchern im Rahmen ihres Aufgabenbereichs wie auch Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen.

Möglichkeit der Nutzung des eBO für natürliche und juristische Personen 

Daneben sollen künftig auch private und juristische Personen die Möglichkeit haben ein eBO zu eröffnen, um auf diesem Wege den geschaffenen sicheren Übermittlungsweg zur Kommunikation mit den Gerichten nutzen zu können. 

Voraussetzung dafür ist, dass die Person ein spezielles Identifizierungs- und Authentisierungsverfahren zur Eröffnung des Postfachs vollzieht, das sicherstellt, dass auch tatsächlich der Postfachinhaber das eBO eröffnet. Dazu sieht der Entwurf vor, dass die Länder eine öffentliche Stelle, welche für die Freischaltung des eBO zuständig ist, bestimmen sollen. Die Identifizierung soll beispielsweise mittels elektronischem Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes möglich sein, aber auch vor einem Notar.  

Keine passive Nutzungspflicht des eBO

Eine passive Nutzungspflicht für das eBO soll es für natürliche und juristische Personen, soweit diese nicht unter § 173 Abs. 2 ZPO-E fallen, allerdings nicht geben – mit einer faktischen Ausnahme. § 174 Abs. 4 ZPO-E sieht vor, dass die Zustellung von elektronischen Dokumenten an andere Personen, als die in § 173 Abs. 2 ZPO-E genannten, erfolgen kann, wenn diese der Zustellung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt haben oder diese in einem konkreten Verfahren selbst ein elektronisches Dokument unter Nutzung des eBO zugestellt haben, da im letzteren Fall eine Zustimmungsfiktion greift. Die Zustimmungsfiktion soll nur für das jeweilige konkrete Verfahren gelten. Juristischen Personen wird dabei die Möglichkeit eingeräumt auch eine allgemeine Zustimmung zu erteilen.

Soweit eine Zustimmung vorliegt, soll im Falle der elektronischen Zustellung an ein eBO zu Lasten des Postfachinhabers eine Zustellungsfiktion greifen, sodass er die Stellung am dritten Tage nach Eingang im eBO gegen sich gelten lassen muss.

Ausblick 

Es ist davon auszugehen, dass die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente mittels des sicheren Übermittlungsweges künftig weiter ausgeweitet wird und überall dort zunehmen wird, wo der Empfänger bereits einer passiven Nutzungspflicht unterliegt. Jenseits von gerichtlichen Verfahren wird hier beispielsweise die Kommunikation mit Behörden in den Vordergrund rücken. Auch im Beratungsumfeld ermöglich die Nutzung des „sicheren Übermittlungsweges” eine neue Kommunikationsmöglichkeit zwischen Berater und Mandant, soweit sie diesen Übermittlungsweg nutzen wollen.

Gleichzeitig ist jedoch auch zu beachten, dass wer diesen sicheren Übermittlungsweg künftig nutzen möchte und/oder künftig nutzen muss sich auch über die hiermit einhergehenden rechtlichen Folgen im Klaren sein muss. Aktuell sind noch viele Fragen in praktischer Hinsicht offen, was die Ausgestaltung angeht, beginnend beim Identifikationsverfahren des Postfachinhabers. Diverse Spitzenverbände haben bereits ihre Stellungnahmen zum Entwurf vorgelegt und, wenn auch im Grunde das Stimmungsbild positiv ist, Korrekturbedarf angemeldet. Es bleibt abzuwarten, wie die finale Ausgestaltung aussehen wird und wie die konkrete Umsetzung erfolgen wird.
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