Migrationsrecht der Tschechischen Republik im Kontext des Arbeitsrechts

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veröffentlicht am 10. Mai 2023 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Der aktuelle weltweite Trend zur Globalisierung und zu einer multinationalen Arbeits­welt wirft immer auch Fragen hinsichtlich Einwanderung und ihrer rechtlichen Anfor­derungen auf. Sowohl ausländische Arbeitnehmer als auch inländische Arbeit­geber haben oft Schwierigkeiten, sich in der doch sehr unübersichtlichen Migrations- und Arbeitsgesetzgebung zurechtzufinden, da die rechtlichen Anforderungen je nach Land variieren. Das ist in der Tschechischen Republik nicht anders. Ein klares Verständnis der rechtlichen Anforderungen kann jedoch die Beschäftigung von Ausländern in der Tschechischen Republik erheblich erleichtern und den gesamten Prozess be­schleu­nigen.



Staatsangehörige der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz

Die rechtlichen Anforderungen für EU-Bürger, für Bürger des Europäischen Wirtschaftsraums (Norwegen, Is­land, Liechtenstein) und Schweizer Staatsangehörige sind relativ unkompliziert nachzuvollziehen. Bürger dieser Staaten benötigen keine Arbeitserlaubnis und kein Visum, um in der Tschechischen Republik zu arbeiten, da sie lediglich verpflichtet sind, ihre tschechische Adresse (Wohnsitz in der Tschechischen Republik, da dieser für die Zustellung von rechtlichen Dokumenten usw. wichtig ist) beim Ministerium des Innern (Ministerstvo vnitra ČR) zu melden. Das muss innerhalb von 30 Tagen nach der Einreise in die Tschechische Republik er­fol­gen. Sie können beim Ministerium eine Wohnsitzbescheinigung beantragen, was in der Praxis sehr hilfreich ist, da sie durch Vorlage der Bescheinigung z.B. bei Banken einen Nachweis über die Adresse ihres Wohnsitzes in der Tschechischen Republik zur Verfügung haben.

Ähnlich einfach ist es auch für Familienangehörige dieser Bürger. Obwohl sie eine langfristige Aufenthalts­ge­neh­mi­gung benötigen, um in der Tschechischen Republik arbeiten zu können, haben sie aufgrund ihres Status als Familienangehörige dieser Bürger einen Rechtsanspruch auf eine solche Genehmigung.


Drittstaatsangehörige: Arbeitnehmerkarte versus Blue Card

Ein komplexeres Verfahren gilt für Staatsangehörige von Ländern, die nicht unter die im vorherigen Abschnitt aufgeführten Kategorien fallen. Diese Drittstaatsangehörigen dürfen in der Tschechischen Republik auf Grund­lage einer relativ neuen Art einer Einzelerlaubnis arbeiten - der Arbeitnehmerkarte. Dabei handelt es sich um eine Erlaubnis für einen langfristigen Aufenthalt in der Tschechischen Republik für Ausländer, deren Aufent­halts­zweck, der länger als 3 Monate sein muss, in einer Beschäftigung besteht. Die Arbeitnehmerkarte hat die Form einer Plastikkarte mit biometrischen Merkmalen und hat einen dualen Charakter: sie dient sowohl als Dau­er­aufenthaltsgenehmigung als auch als Erlaubnis, in einer bestimmten Position beschäftigt zu werden. Ein ausländischer Staatsangehöriger mit einer Arbeitnehmerkarte ist berechtigt, sich in der Tschechischen Re­pu­blik aufzuhalten, solange er an dem Arbeitsplatz arbeitet, für den die Arbeitnehmerkarte ausgestellt wurde. Das bedeutet, dass sich die Arbeitnehmerkarte immer auf die konkrete Stelle bezieht, für die sie ausgestellt wurde.

Das Problem mit der Arbeitsstelle, für die ein Antrag auf eine Arbeitnehmerkarte gestellt werden kann, ist, dass sie im amtlichen sog. „Zentralen Register der offenen Stellen, die von Inhabern von Arbeitnehmerkarten besetzt werden können”, geführt werden muss. Wenn in diesem Fall eine Stelle frei ist, muss sie vorzugsweise Staats­an­gehörigen aus Ländern der EU, des EWR oder der Schweiz bzw. deren Familienangehörigen angeboten wer­den. Dieselbe freie Stelle kann Drittstaatsangehörigen nach dreißig Tagen angeboten werden, da die Stelle Staats­angehörigen aus Ländern der EU, des EWR oder der Schweiz angeboten wurde und noch nicht besetzt ist. Darüber hinaus muss das betreffende tschechische Unternehmen eine freie Stelle schaffen, die genau und ausschließlich für den Betroffenen aus einem Drittstaat bestimmt sein muss. Eine solche freie Stelle muss im Zentralen Register für freie Stellen in der Tschechischen Republik eingetragen werden. Der Arbeitsvertrag zwi­schen einem tschechischen Unternehmen und dem betreffenden Arbeitnehmer (Drittstaatsangehörigen) kann frühestens dreißig Tage nach dem Datum der Registrierung unterzeichnet werden.

Die Arbeitnehmerkarte kann mit einem speziellen Antragsformular mit dem Titel „Antrag auf eine Arbeit­neh­mer­­karte“ beantragt werden, das persönlich bei einer Botschaft der Tschechischen Republik mit der ent­sprech­enden territorialen Zuständigkeit eingereicht werden muss. Das Antragsformular muss die Nummer der offenen Stelle gemäß dem Zentralen Register der offenen Stellen sowie alle anderen relevanten Informationen enthal­ten.

Dem Antragsformular sind die folgenden Unterlagen beizufügen:

  • Ein gültiges Reisedokument (z.B. Reisepass);
  • Ein Dokument, das die Verfügbarkeit einer Unterkunft bestätigt;
  • Zwei Fotografien, die das aktuelle Aussehen des ausländischen Staatsangehörigen (Antragstellers) zeigen;
  • Ein Arbeitsvertrag; das Dokument muss eine Klausel enthalten, die besagt, dass das vereinbarte Monats­gehalt unabhängig vom Umfang der Arbeit nicht unter dem monatlichen Mindestlohn liegt und dass die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 15 Stunden beträgt;
  • Dokumente, die die beruflichen Qualifikationen für die Ausübung der gewünschten Tätigkeit belegen, wenn sich die Bedingung aus der Art der Beschäftigung ergibt oder ein internationales Abkommen eine solche An­for­derung vorsieht, insbesondere:

1. ein Dokument zum Nachweis der erforderlichen Ausbildung (z.B. Diplom);

2. ein Dokument zum Nachweis der erforderlichen beruflichen Qualifikationen, falls diese verlangt werden;
3. Nachweis, dass der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die Ausübung eines so genannten regle­men­tierten Berufs erfüllt;

  • Ein Auszug aus dem Strafregister (Führungszeugnis) oder ein ähnliches Dokument (sofern angefordert);
  • Ein ärztliches Gutachten, aus dem hervorgeht, dass der ausländische Staatsangehörige (Antragsteller) nicht an einer schweren Krankheit leidet (auf Antrag).


Alle beigefügten Unterlagen müssen entweder im Original oder in Form von beglaubigten Kopien eingereicht werden. Alle in einer Fremdsprache eingereichten Dokumente müssen im Original sowie mit einer beglaubigten Übersetzung in die tschechische Sprache vorgelegt werden. Die beizufügenden Unterlagen dürfen nicht älter als 180 Tage sein, mit Ausnahme des Reisedokuments und der Fotos des Antragstellers (wenn sie seinem ak­tu­el­len Erscheinungsbild entsprechen).

Die Frist für die Entscheidung über einen Antrag auf Ausstellung einer Arbeitnehmerkarte beträgt in der Regel 60 Tage. In besonders komplizierten Fällen oder wenn die Abteilung für Asyl- und Migrationspolitik des Mi­nis­te­riums des Innern (Pracoviště Ministerstva vnitra odboru azylové a migrační politiky) das staatliche Arbeitsamt der Tschechischen Republik – eine regionale Zweigstelle oder die Zweigstelle für die Hauptstadt Prag – ersucht hat, eine verbindliche Stellungnahme abzugeben, beträgt die Frist 90 Tage.

Wichtig ist auch zu erwähnen, dass der ausländische Staatsangehörige (Antragsteller) vor der Erteilung eines Langzeitvisums zum Zweck der Ausstellung einer Arbeitnehmerkarte ein Dokument über eine Reisekranken­ver­sicherung und auf Verlangen einen Nachweis über die Zahlung der Versicherungsprämie vorlegen muss. Das Dokument (Nachweis) muss vom Antragsteller bei der Botschaft vorgelegt werden. Die Versicherung muss nur für den Zeitraum ab dem Datum der Einreise in die Tschechische Republik bis zu dem Zeitpunkt gültig sein, an dem sich die öffentliche Krankenversicherung der Tschechischen Republik auf den Antragsteller erstreckt – in der Regel ab dem Datum, an dem das Visum ausgestellt wird, bis zum Beginn der Beschäftigung des An­trag­stel­lers.

Die Arbeitnehmerkarte wird in der Regel für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ausgestellt, wobei die Mindestdauer der Ausstellung 3 Monate beträgt. Die Höchstdauer, für die sie ausgestellt werden kann, beträgt 2 Jahre, wobei eine wiederholte Verlängerung der Gültigkeit möglich ist.

Der Übersichtlichkeit halber fassen wir die Schritte wie folgt zusammen:

  1. Der Arbeitgeber lässt die Stelle im Zentralen Register der offenen Stellen der Tschechischen Republik ein­tra­gen. Dabei muss der Arbeitgeber die Stelle sehr präzise definieren, damit sie passgenau auf den jeweiligen Ar­beit­nehmer aus einem Drittstaat zugeschnitten ist.
  2. 30 Tage nach der Veröffentlichung der Stelle im Zentralen Register der offenen Stellen können der Dritt­staats­an­ge­hörige und der Arbeitgeber einen Vertrag aufsetzen, in dem festgelegt wird, dass der Vertrag in Kraft tritt, wenn die tschechischen Behörden dem Arbeitnehmer die Erlaubnis erteilen, in der Tschechischen Republik zu arbeiten.
  3. Der Arbeitnehmer reist zu einer tschechischen Botschaft im Ausland, wo er persönlich (in besonderen Fällen kann das auf der Grundlage einer Vollmacht geschehen) einen Antrag auf Ausstellung einer Arbeit­neh­mer­karte für die Tschechischen Republik mit allen erforderlichen Anlagen einreicht (siehe Auflistung der Anlagen oben).
  4. Die Bearbeitung kann bis zu 60 Tage in Anspruch nehmen (wenn das Verfahren zu kompliziert ist, kann es auf bis zu 90 Tage verlängert werden). Unserer Erfahrung nach hält sich das Ministerium nicht an die in den entsprechenden Gesetzen festgelegten Fristen und erlässt seine Entscheidungen mit sehr erheblichen Ver­zö­ge­rungen.
  5. Nach Abschluss des Verfahrens wird dem Arbeitnehmer von der Botschaft mitgeteilt, dass er in der Tschech­ischen Republik arbeiten darf.
  6. Der Arbeitnehmer muss dann eine umfassende Reise- und Krankenversicherung für Ausländer nachweisen, die für den Zeitraum zwischen der Einreise in die Tschechische Republik und dem Beginn der Beschäftigung gültig ist, wenn er durch die öffentliche Krankenversicherung der Tschechischen Republik krankenversichert ist.
  7. Mit dem Nachweis der Reiseversicherung reist der Arbeitnehmer dann in die Tschechische Republik ein, wo er sich innerhalb von drei Tagen nach seiner Ankunft bei der zuständigen Stelle des Innenministeriums mel­den muss, um seine biometrischen Daten und seine tschechische Adresse beim Ministerium registrieren zu lassen.
  8. Unmittelbar nachdem er seine biometrischen Daten zur Verfügung gestellt hat, wird dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung ausgestellt, aus der hervorgeht, dass er Anspruch auf eine Arbeitnehmerkarte hat; auf der Grund­lage dieser Bescheinigung kann der Arbeitnehmer von dem entsprechenden Arbeitgeber in der Tsche­ch­ischen Republik angestellt werden.
  9. Spätestens 60 Tage nach Erhalt der gegenständlichen Bescheinigung findet sich der Arbeitnehmer erneut beim Ministerium ein, um die Arbeitnehmerkarte abzuholen. Unserer Erfahrung nach hält sich das Mi­nis­ter­ium nicht an die in den entsprechenden Gesetzen festgelegten Fristen und gibt seine Entscheidungen mit erheblicher Verzögerung aus.


Eine besondere Erlaubnis ist die Blue Card, für die nur hochqualifizierte Arbeitnehmer in Frage kommt. Die wichtigsten Unterschiede zwischen einer Blue Card und einer Arbeitnehmerkarte sind:

  1. Eine Blue Card ist für Arbeitnehmer bestimmt, die eine hochqualifizierte Tätigkeit ausüben. Das ent­sprech­ende Qualifikationsniveau erfordert eine ordnungsgemäß abgeschlossene Hochschulausbildung oder höhere Berufsausbildung über eine Dauer von mindestens 3 Jahren.
  2. Berechtigte Arbeitnehmer müssen außerdem über einen Arbeitsvertrag über Tätigkeit verfügen, die ein hohes Qualifikationsniveau erfordert, dies für eine Dauer von mindestens einem Jahr und für die gesetzlich fest­ge­legte Wochenarbeitszeit einer Vollzeitstelle (40 Stunden pro Woche). Mit diesem Vertrag muss außerdem ein Bruttomonatsgehalt oder Jahresgehalt vereinbart worden sein, das mindestens dem 1,5-fachen des in einer Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit und Soziales der Tschechischen Republik genannten durch­schnitt­lichen Bruttojahresgehalts entspricht. Das bis zum 30. April 2023 geltende durchschnittliche Brutto­jahresgehalt beträgt 454.068 CZK (ca. 19.326 Euro). Das bedeutet, dass das vereinbarte Bruttogehalt für eine Blue Card mindestens 454.068 x 1,5 = 681.102 CZK (ca. 28.989 Euro) betragen muss. Bei jeder Erhöhung des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts muss der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers so än­dern, dass die Regel zum gegenständlichen Mindestgehalt eingehalten wird.

 
Obwohl das Verfahren für die Beantragung einer Blue Card dasselbe ist, wie für eine Arbeitnehmerkarte (der einzige Unterschied ist, dass die freie Stelle in einem anderen Register eingetragen ist), ist es vorteilhafter, die Blue Card zu beantragen. Das gilt selbstverständlich nur, wenn der Arbeitnehmer die oben genannten Quali­fi­ka­tions­anforderungen erfüllt.


Fazit

Das Einwanderungsrecht ist ein wichtiger rechtlicher Bestandteil der modernen multinationalen Arbeitswelt. Wenn Sie internationale Mitarbeiter für Ihr tschechisches Unternehmen suchen, werden Sie feststellen, dass es zwar einfacher ist, einen Staatsangehörigen der EU/des EWR oder einen Schweizer Bürger einzustellen, dass aber die Bedingungen einer Beantragung einer Arbeitnehmerkarte oder einer Blue Card für Drittstaatsange­hörige durchaus nachvollziehbar sind, wenn sie klar zusammengefasst sind. Entscheidend sind auch die ge­setz­lichen Fristen für bestimmte Antragsverfahren, insbesondere bei der ersten Einreise des ausländischen Staatsangehörigen.

Offenkundig ist auch, dass die Beantragung einer Blue Card für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver sein kann als die Beantragung einer Arbeitnehmerkarte, wenn die Anforderungen an einen hochqualifizierten Ar­beit­nehmer erfüllt sind. In beiden Fällen ist es jedoch wichtig, dem Antragsformular die entsprechenden ge­for­derten Dokumente beizufügen.

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