Internationale Aspekte des Bundesverfassungsgericht-Urteils

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Für deutsche familiengebundene Unternehmen stellt sich die Frage, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) speziell für ihre internationalen Aktivitäten bedeutet.
 

EU-Betriebsvermögen

Die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erachtete Vorschrift der Betriebsvermögenbegünstigung wurde bei ihrer Einführung europarechtskonform ausgestaltet: einer Betriebsstätte in der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWG) zugeordnetes Betriebsvermögen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in der EU/EWG werden unter denselben Bedingungen wie ihr deutsches Pendant bei der Erbschaftsteuer ganz oder teilweise steuerfrei gestellt. Anerkannt ist auch, dass Vermögen und Beteiligungen im Drittland, die in einer EU-Kapitalgesellschaft gebündelt sind, ebenfalls in den Begünstigungsbereich fallen. Bei bisherigen Nachfolgeregelungen konnten Steuerpflichtige für solches internationale Vermögen somit auch mit einer Reduzierung oder Befreiung von der Erbschaftsteuer in Deutschland rechnen. 
 
Dementsprechend sind Übertragungsfälle mit EU-Bezug durch das Bundesverfassungsgericht-Urteil auch betroffen. Sollte es bei der anstehenden Reform der Erbschaftsteuer bei einer Betriebsvermögensbegünstigung bleiben, müssen die Verschonungsvoraussetzungen für alle Unternehmen hinsichtlich der Anwendbarkeit der Lohnsummenregelung (Arbeitnehmergrenze) und hinsichtlich der Mitbegünstigung von Verwaltungsvermögen verschärft werden, und große Unternehmen werden sich einer individuellen Bedürfnisprüfung stellen müssen. EU-Vermögen wird zwar auch weiterhin von der Begünstigung profitieren, aber nur soweit diese dann auch für Inlandsvermögen noch reicht. Tendenzen zu einer Einschränkung der EU-Begünstigung sind nicht erkennbar, sie wird vom Bundesverfassungsgericht nicht gefordert und wäre auch mit EU-Recht nicht vereinbar. Setzen sich andere Reformkonzepte durch, insb. die Idee einer Art „flat tax” mit gleichmäßiger Erfassung aller Vermögensarten, hohen Freibeträgen und deutlich geringeren Steuersätzen, wird die Nachfolge für unternehmerisches EU-Vermögen bei der Erbschaftsteuer im Vergleich mit dem bisherigen Optionsmodell einer 100%igen Steuerbefreiung deutlich teurer werden. Das gilt nur dann nicht, wenn wegen der Struktur des EU-Vermögens bisher keine Inanspruchnahme der Betriebsvermögensbegünstigung möglich war, z.B. wegen einer Beteiligungsquote unter 25%. Hier könnte ein Wegfall der Betriebsvermögensbegünstigung und der Übergang zu einer „flat tax” sogar eine Steuerentlastung bewirken. 
 

Betriebsvermögen im Drittland

Wer Betriebsvermögen in einer Betriebsstätte im Drittland oder eine direkte Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Drittland hält, hat bisher keine Begünstigung des Betriebsvermögens bei der deutschen Erbschaftsteuer erhalten und wird auch dann nicht davon profitieren, wenn diese in Zukunft nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts weiterbesteht. Eine Ausweitung auf Drittlandsvermögen im Zuge der anstehenden Erbschaftsteuerreform wäre zwar sehr zu begrüßen, ist aber politisch nicht absehbar. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls bietet keinen konkreten Ansatzpunkt für eine Einbeziehung dieser Vermögensteile. Die Steuersituation kann somit nicht schlechter werden, sich aber vielleicht sogar verbessern, wenn sich das Modell einer abgesenkten einheitlichen Erbschaftsteuer auf alle Vermögen durchsetzen würde. 
 
Allerdings dürfen die Steuerwirkungen in Deutschland niemals losgelöst vom internationalen Kontext betrachtet werden. Soweit im Ausland belegenes Vermögen oder Kapitalgesellschaftsanteile auch im Ausland einer Erbschaftsteuer unterliegen – hier wird Betriebsvermögen in der Regel nicht so umfangreich begünstigt wie in Deutschland – , wird die entstehende Doppelbelastung im Nicht-DBA-Fall (und dieser ist der Regelfall, da nur wenige Erbschaftsteuer-DBAs existieren) in Deutschland durch eine Steueranrechnung beseitigt, allerdings nur bis zur Höhe der deutschen Erbschaftsteuer, die auf das jeweiligen Auslandsvermögen entfällt. Dies bedeutet, dass die Belastung immer auf das jeweils höhere Steuerniveau hochgeschleust wird. So kann selbst eine in Deutschland weiterhin gewährte Betriebsvermögensbegünstigung auf EU-Vermögen leerlaufen, wenn, wie üblich, eine solche Begünstigung im Ausland nicht besteht.
 

Wegzug in eine „Erbschaftsteuer-Oase”?

Wenn sich im Laufe des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens herausstellen sollte, dass die Betriebsvermögensbegünstigung abgeschafft oder in ihrem Umfang stark eingeschränkt wird, werden sich viele Unternehmer wieder die Frage nach einem Wegzug ins Ausland zur Vermeidung der deutschen Erbschaftsteuer stellen. Eine Reihe von attraktiven Zuzugsländern, z.B. Österreich oder bestimmte Kantone in der Schweiz, erhebt nämlich keine oder nur eine geringe Steuer im Nachfolgefall. Der Wegzugswillige sieht sich dabei und insbesondere bei dem mit dem Wegzug bezweckten Exit aus der deutschen Besteuerung einer ganzen Reihe von Anforderungen und Hindernissen gegenüber. Eine Wohnsitzverlegung mit steuerlicher Wirkung stellt einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre dar,  da erhebliche Einschränkungen, z.B. hinsichtlich Aufenthaltsdauer, Familienbindung und Verfügbarkeit von Wohneigentum im Inland, zu beachten sind. Man muss bereit und in der Lage sein, diese Anforderungen sehr genau und nachhaltig einzuhalten. Auch reicht der Wegzug des „Seniors” nicht aus, auch die zukünftigen Nachfolger müssen ihre Zelte in Deutschland komplett abbrechen. Der Arm des deutschen Fiskus reicht weit und greift in bestimmten Konstellationen auf inländisches Betriebsvermögen und Beteiligungen zu, selbst wenn alle Beteiligten bereits weggezogen sind; hier sind die verschiedensten Sonder-Steuerpflichten und Fristen im Erbschaftsteuergesetz und ggf. bestehenden Erbschaftsteuer-DBA zu beachten. Schließlich sind auch die Folgen des Wegzugs bei der Ertragsbesteuerung des Unternehmens zu beachten, denn häufig droht hier mit dem erfolgreichen „Wegzug” statt der deutschen Erbschaftsteuer eine Besteuerung der stillen Reserven in Deutschland. Ein Wegzug muss daher langfristig und gut geplant werden und sollte nicht ohne die Beratung und Unterstützung eines spezialisierten Beraters erwogen werden. Wir stehen Ihnen gern für ein Gespräch zur Verfügung.
 
zuletzt aktualisiert am 14.01.2015

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