Schutzpyramide internationaler Investitionen in China

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veröffentlicht am 25. April 2018


Die Volksrepublik China konnte sich jahrzehntelang als Motor der Weltwirtschaft behaupten. Wegen der robusten Binnennachfrage und der rasch zu­neh­menden Marktgröße zählt China seit Jahren zu den gefragtesten Investitionsstandorten weltweit. 2017 war China bereits der größte Handels­part­ner Deutschlands. Im Gegensatz zu heute haben ausländische Investoren vor dem Beitritt Chinas zur WTO behauptet, „kein Markteintrittsvehikel” vorzufinden, da ausländische Investitionen in China einer strikten staatlichen Kontrolle unterlagen. Somit verbreitet sich heutzutage vielmehr das Bedürfnis der ausländischen Investoren nach einem ausreichenden und umfassenden Schutz ihrer Rechte und Interessen in China.



Ohne jeden Zweifel profitiert die chinesische Wirtschaft intensiv von Investitionen aus dem Ausland, die nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen und zum quantitativen sowie qualitativen Wirtschaftswachs­tum beigetragen, sondern auch zusätzliches Know-how ins Land gebracht haben, das Kreativität und Innovation als Wachstumsmotoren der chinesischen künftigen Wirtschaft fördert. Deshalb ist es kein Wunder, dass China mit großen Bemühungen eine Schutzpyramide für ausländische Investoren aufbauen will.


Investitionsschutz nach der Verfassung der Volksrepublik China

Bereits im Jahr 1982 hat der Schutz der ausländischen Investoren in der chinesischen Verfassung Fuß gefasst. Nach § 18 Abs. 2 der chinesischen Verfassung werden legitime Rechte und Interessen aller ausländischen Unternehmen und anderen ausländischen Wirtschaftsorganisationen in China sowie Joint-Ventures mit chinesischen und ausländischen Investitionen in China durch das chinesische Recht geschützt. Die Verfassung garantiert also das Grundrecht ausländischer Investoren, das keine symbolische Vorschrift, sondern vielmehr ein oberstes Prinzip zum Schutz ausländischer Investitionen festlegt.


Mehr als Inländerbehandlung: Rechtliche Grundlage zum Schutz ausländischer Investitionen

Die 2. Stufe der Schutzpyramide bilden in China die einschlägigen Rechtsvorschriften verschiedener Sondergesetze im Bereich der ausländischen Investitionen. Die Sondergesetze enthalten hauptsächlich:
  • Gesetz der Volksrepublik China über Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischer und ausländischer Kapitalbeteiligung (EJV-Gesetz) vom 1. Juli 1979, zuletzt novelliert am 3. September 2016, sowie die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen;
  • Gesetz der Volksrepublik China über Unternehmen mit ausschließlich ausländischem Kapital (WFOE-Gesetz) vom 14. April 1986, zuletzt novelliert am 3. September 2016, sowie die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen;
  • Gesetz der Volksrepublik China über chinesisch-ausländisch kooperativ betriebene Unternehmen (CJV-Gesetz) vom 13. April 1988, zuletzt novelliert am 3. September 2016, sowie die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen;
  • Gesellschaftsgesetz der Volksrepublik China vom 29. Dezember 1993, zuletzt novelliert am 28. Dezember 2013, sowie die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen.


In den ersten 3 Gesetzen sowie deren dazugehörigen Ausführungsbestimmungen ist ausdrücklich vorge­sehen, dass die Investitionen der ausländischen Investoren in China, die erzielten Gewinne und andere legitime Rechte bzw. Interessen durch das chinesische Recht geschützt werden. Auch im Gesellschafts­gesetz wird nicht zwischen chinesischen und ausländischen Gesellschaften unterschieden.


Bei genauerem Hinsehen kristallisiert sich heraus, dass der Schutz ausländischer Investitionen im gesetz­lichen Rahmen vor allem auf 3 Arten und Weisen garantiert wird:

  1. verspricht der chinesische Gesetzgeber eine Gleichbehandlung ausländischer und chinesischer Investoren. Bspw. genießen ausländische Unternehmen gemäß § 42 der Ausführungsbestimmungen zum WFOE-Gesetz und § 56 der Ausführungsbestimmungen zum EJV-Gesetz beim Materialeinkauf die gleiche Behandlung wie chinesische Unternehmen unter den gleichen Bedingungen.
     
  2. werden den ausländischen Unternehmen Autonomie und Selbstständigkeit zugestanden. Nach § 6 der Ausführungsbestimmungen zum WFOE-Gesetz, § 10 des CJV-Gesetzes und § 5 der Aus­führungs­bestimmungen zum EJV-Gesetz können ausländische Unternehmen bspw. unabhängig und unbeeinflusst von jedem Eingriff Tätigkeiten innerhalb  des genehmigten Geschäftsfelds durchführen. Ferner können z.B. die CJVs selbstständig den Preis für ihre Produkte festlegen. Auch die EJVs sind berechtigt, das benötigte Material selbstbestimmend in China oder im Ausland zu kaufen.
     
  3. werden ausländische Investoren gemäß § 5 des WFOE-Gesetzes oder § 2 Abs. 2 des EJV-Gesetzes gegen Enteignungen bzw. Requisitionen und gegen Eingriffe der lokalen Behörde geschützt, die sie angesichts der spezifischen chinesischen Markwirtschaft mit berechtigtem Anlass zu befürchten haben. Unter dem Prinzip sind Enteignungen und Requisitionen eines WFOEs oder eines EJVs ausdrücklich verboten und ausschließlich in dem Fall zulässig, dass sie zugleich dem Interesse der Allgemeinheit dienen. In einer solchen Situation, die in unserer bisherigen Praxis in China noch nicht eingetreten ist, wird dem WFOE oder dem EJV eine entsprechende staatliche Entschädigung gewährt. Ein solches ausdrückliches Verbot der Enteignung bzw. Requisition findet sich aber im Gesellschaftsgesetz, das die chinesischen Gesellschaften reguliert, nicht.

Die chinesische Regierung schützt ausländische Investoren somit sowohl gegen Ungleichbehandlung als auch gegen staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Darüber hinaus fördert die chinesische Regierung den Zuschuss ausländischer Investitionen auf verschiedene Weise, wie z.B. durch die Errichtung von Sonder­wirtschaftszonen, steuerliche Maßnahmen und – insbesondere in Bezug auf Westchina – Investitions­erleichterungen. In dem Sinne könnte man davon sprechen, dass in China den ausländischen Investoren mehr als eine Inländerbehandlung gewährt wird.


Erwähnenswert ist ferner, dass zwischen Deutschland und China seit dem 11. November 2005 ein neues Investitionsförderungs- und Investitionsschutzabkommen (Deutsch-Chinesisches Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen, Fundstelle: BGBI. 2005 II, S. 732) besteht, das die Rahmenbedingungen für beidseitige Investitionen regelt und eine gleichberechtigte Investitionslage herstellen soll. Zudem laufen zwischen EU und China seit November 2013 die Verhandlungen über ein ausführliches Investitionsabkommen, das umfassende Regelungen zum Investitionsschutz enthalten soll.


Durchsetzung des Investitionsschutzes durch lokale Verordnungen und Vorschriften

Für den Schutz ausländischer Investitionen werden zwar Rahmenbedingungen durch die Verfassung und die oben genannten Sondergesetze festgelegt, jedoch müssen diese von den einzelnen Regionen Chinas durch lokale Vorschriften und Verordnungen durchgesetzt werden.


Da ausländische Investitionen sich in den verschiedenen Regionen Chinas sehr unterschiedlich entwickelt haben, versteht sich von selbst, dass der Investitionsschutz in den einzelnen Regionen je nach Entwick­lungs- und Wirtschaftsstand unterschiedlich gewährleistet und vervollständigt wird. Zur Veranschaulichung dienen folgende Beispiele aus 3 verschiedenen Regionen Chinas:
  • In der Provinz Hunan hat das Obere Volksgericht schon am 3. August 1998 „Einige Bestimmungen zum rechtmäßigen Schutz der legitimen Rechte und Interessen ausländischer Investoren” erlassen, die vorhandene lokale Bestimmungen in Bezug auf den Schutz ausländischer Investoren ergänzt und vervollständigt haben.
  • Am 27. April 2017 hat Shanghai die Mitteilung „Einige Stellungnahmen zur weiteren Öffnung und Beschleunigung der Etablierung eines neuen offenen Wirtschaftssystems” bekannt gemacht, nach der die ausländisch investierten Unternehmen in den Bereichen Markteintritt, Schutz geistiger Eigentums­rechte (IP-Rechte), Kapitalverwaltung usw. gleich behandelt werden sollen.
  • Um ausländische Investitionen weiterhin attraktiv zu gestalten und zu fördern, hat die Regierung der Provinz Guangdong am 1. Dezember 2017 die Mitteilung „Einige Richtlinien bzw. Maßnahmen zur weiteren Öffnung und der aktiven Nutzung ausländischer Investitionen” verkündet, in der für die ausländischen Investoren ausdrücklich ein stärkerer Schutz – wie z.B. der IP-Rechte und Landnutzung – vorgesehen wird.


Gesetzesentwurf für ausländische Investitionen und Verstärkung von IP-Schutz

Wie oben bereits erwähnt, sind die geltenden Regelungen in Bezug auf ausländische Investitionen in China über mehrere Gesetze und Bestimmungen verteilt, was in der Praxis unausweichlich auf Rechtslücken hinausläuft und Verwirrungen bei der Interpretation vermehrt. Vor dem Hintergrund steht das chinesische Recht – ausländische Investitionen betreffend – vor einer umfassenden Reform: Die Regierung strebt an, die geltenden Regelungen durch ein einheitliches, in einem Gesetzeswerk niedergelegtes System abzu­lösen. In dem Entwurf wurden von dem chinesischen Gesetzgeber Anstrengungen unternommen, den ausländischen Investoren vornehmlich durch Einführung der Inländerbehandlung, Verbot der Enteignung und Requisition, Festlegung der staatlichen Entschädigung, Schutz der IP-Rechte usw. einen einheitlichen, schnellen und zuverlässigen Schutz zu gewährleisten.


Was den Schutz der IP-Rechte anbelangt, spielt er im Wandel zur Wissens- und Informationsgesellschaft – wo Information und Wissen zu einem entscheidenden Produktionsfaktor werden – eine immer größere Rolle bei der Anziehung ausländischer Investitionen. Aus dem Grund nimmt China das Thema sowohl bei der inländischen Gesetzgebung als auch bei der Umsetzung internationaler Verpflichtungen sehr ernst. Besonders nennenswert ist der „Aktionsplan zum Schutz geistiger Eigentumsrechte der ausländisch investierten Unternehmen”, der im vergangenen Jahr durch 12 staatliche Abteilungen gemeinsam bekannt gegeben wurde. Der Aktionsplan hat ein starkes Signal ausgesendet, um die IP-Rechte der ausländischen Investoren in China effektiv zu schützen.


Fazit

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass in China der Grundsatz der Inländerbehandlung und der Autonomie der ausländischen Unternehmen im Schutz ausländischer Investitionen Anwendung findet. Der wird neuerdings durch die am 12. Januar 2017 vom chinesischen Staatsrat veröffentlichte „Mitteilung über verschiedene Maßnahmen zur weiteren Öffnung gegenüber der übrigen Welt und der aktiven Nutzung ausländischer Investitionen” unterstrichen, gemäß der auslands- und inlandsfinanzierte Unternehmen gleichberechtigt für Maßnahmen der „Made in China 2025”-Strategie sind.


Obwohl das Grundprinzip zugegebenermaßen in China aufgrund der dezentralen Gesetzgebung noch nicht hinreichend gewährleistet bzw. durchgeführt wird, ist eine Optimierung des Schutzes von ausländischen Investoren mit dem zu erlassenden einheitlichen Gesetzbuch für ausländische Investitionen künftig in China zu erwarten.


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