Erfolgreich investieren in Spanien

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zuletzt aktualisiert am 16. Juni 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


 

 

​​Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Spanien ein?

Die Erholung der spanischen Wirtschaft in den letzten Monaten des Jahres 2022 war stärker als erwartet, auch wenn das Wachstum im Gesamtjahr geringer war als in den Jahren 2020 und 2021. Man darf nicht vergessen, dass gerade diese beiden Jahre von der Normalisierung der Wirtschaft nach der Pandemie geprägt waren. 
 
Spanien ist eines der Länder, die wirtschaftlich stark unter der Pandemie gelitten und sich nur langsam erholt haben. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass das Land in diesem Jahr 2023 endlich auf dem Weg ist, die Wirt­schafts­aktivität des Jahres 2019 zu übertreffen, was u.a. an der positiven Entwicklung der Tourismus- und Dienst­leistungsbranche liegt, beides Branchen, auf die die Pandemie einen besonders negativen Einfluss hatte. 
 
Der Kriegsausbruch in der Ukraine hatte einen starken Einfluss auf die Rohstoff- und Energiepreise auch in Spanien. Insbesondere Erdöl, Erdgas und Getreide, erreichten noch nie notierte Preise, die sich bei den Endver­braucher­preisen für Energieerzeugnisse und bei bestimmten Lebensmitteln besonders stark bemerkbar machten. Der Kaufpreisverlust der Verbraucher war deutlich zu spüren, auch wenn die Regierung u.a. einen langfristig angelegten direkten Rabatt auf die Spritpreise an den Tankstellen eingeführt hatte. Anfang 2023 scheinen sich die Energiepreise ein wenig zu beruhigen und man geht davon aus, dass das ein längerfristiger Trend ist. 
 
Der Internationale Wirtschaftsfond (IWF) hat seine Wachstumsprognose für Spanien auf 1,5 Prozent erhöht und liegt damit sehr nah bei den dem von der der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorhergesagten Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent. Die spanische Zentralbank sieht ein Wachstum von 1,6 Prozent vorher, während die spanische Regierung für 2023 von einem Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent ausgeht. Nach Vorhersagen des Internationalen Wirtschaftsfonds gehört Spanien zu den europäischen Ländern, die im Jahr 2023 am meisten wachsen werden. 
 
Inflation: Der IWF sagt für Spanien einen Rückgang der Inflation auf durchschnittlich 4,3 Prozent vor, die im Jahr 2024 dann nur noch bei 3,2 Prozent liegen soll. 
 
Arbeitslosigkeit: Trotz wachsender Zahlen bei den Anmeldungen zur spanischen Sozialversicherung ist die Arbeitslosenquote von 13 Prozent (2022) in Spanien eine der höchsten Europas, wobei alleine unter den unter 25 jährigen eine Quote von 29,6 Prozent herrscht. Der IWF prognostiziert für Spanien im Jahr 2023 eine Arbeits­losen­quote von 12,6 Prozent und von 12,4 Prozent für 2024.
 

Wie würden Sie das Investitionsklima in Spanien beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Laut dem spanischen Außenhandels-Institut ICEX sind die Prognosen für Investitionen in Spanien im Jahr 2023 durchaus positiv, spiegeln aber die Unsicherheit des internationalen, politischen und wirtschaftlichen Szenarios wider, zumal die aktuelle Links-Links-Koalition nicht unternehmerfreundlich genannt werden kann.
 
Die Gesetzgebung ist allerdings größtenteils vorhersehbar und das Arbeitsrecht im Vergleich mit anderen euro­päischen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Italien unkomplizierter. 
 
2022 wurden einige Veränderungen im Arbeitsrecht eingeführt. So haben sowohl Frauen als auch Männer bei der Geburt von Kindern jetzt das gleiche Recht auf zeitlichen Elternschutz, wodurch einer Diskriminierung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen vorgebeugt werden soll. 
 
Des Weiteren wurden weitere Maßnahmen wie z.B. Kommunikationskanäle für Whistleblower oder Trans­parenz­bericht zur Sicherung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern ab einer bestimmten Firmengröße eingeführt. 
 
Eine der wichtigsten Veränderungen des letzten Jahres ist sicherlich die deutliche Begrenzung von befristeten Verträgen z.B. für projektbezogene Einstellungen zur Förderung von unbefristeten Arbeitsverträgen. Außerdem wurde der Mindestlohn in den letzten Jahren mehrere Male angepasst und beläuft sich jetzt auf 1.080 Euro brutto monatlich. 
 
Branchen: Großes Potenzial bietet nach wie vor der Sektor der Erneuerbaren Energien, der von der spanischen Politik unterstützt wird; außerdem die IT- und Kommunikationsbranche, wozu sehr gut ausgebildete Studenten und das niedrige Lohnniveau beitragen. Das Ziel der spanischen Regierung ist eindeutig ein nachhaltigeres und digitaleres Spanien. 
 
Die Pandemie hat sich als ein Katalysator für allgemeine und auch industrielle Digitalisierung bewiesen. Themen wie Smart Cities und Micro-Mobilität eröffnen nach wie vor interessante Möglichkeiten.
 
Der wichtigste Wirtschaftssektor wird auch in Zukunft der Tourismus sein, der einen großen Teil des Brutto­inlands­produkts ausmacht, und der in Post-Pandemiezeiten aufgrund des Nachholbedarfes vieler Reisenden eine besonders wichtige Rolle spielt. Auch der Sektor der Erneuerbaren Energien wird im Hinblick auf den europa­weiten Energiebedarf eine immer größere Rolle spielen.
  

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Spanien gegenüber?

Die über Erfolg und Nichterfolg entscheidenden Faktoren sind nach wie vor die sorgfältige Auswahl der Mitarbeiter und noch konkreter der Leiter der spanischen Niederlassungen. Besonders die Kontrolle der Nieder­lassungen in Spanien spielt eine wichtige Rolle, um unangenehme Überraschungen, die sich erst mit einer zeitlichen Verzögerung bemerkbar machen, zu vermeiden.
  
In Bezug auf Fremdsprachenkenntnisse haben sich die Spanier in den letzten Jahren deutlich verbessert, sind aber noch nicht auf dem Niveau anderer europäischer Länder. 
 
Weitere Herausforderungen ergeben sich auch aus der politischen Entwicklung im Land. Ende des Jahres 2023 stehen Parlamentswahlen an, mit denen die 350 Sitze im Kongress der Abgeordneten neu besetzt werden und die Präsidentschaft des Landes bestimmt wird. Einhergehen mit einem Regierungswechsel könnten grundlegende Veränderungen für unternehmerische Entscheidungen sein, je nachdem, ob die aktuelle Links-Links-Regierung wiedergewählt wird oder diese einer Regierung Platz macht, die sich als unternehmerfreundlich definiert. 
 

Spanien will ein zentraler Standort für die Produktion von Elektroautos in Europa werden. Welche Chancen ergeben sich dadurch für die Wirtschaft?

Die Halbleiterkrise, die die 2020 infolge der Pandemie begann, und die Absatzförderung von Neuwagen nach einem starken Rückgang der Verkaufszahlen in Folge der Hableiterkrise und der daraus resultierenden verringerten Produktion sind zwei der größten Herausforderungen für die spanische Automobilbranche im Jahr 2023. 
 
Die deutliche Beschränkung des innerstädtischen Verkehrs auf umweltfreundliche Autos hat einen großen Einfluss auch auf den Absatz von Elektroautos, der im Jahr 2022 einen Anstieg von 22 Prozent verzeichnete. Dennoch hinkt Spanien der Einführung von Elektroautos weit hinterher, was zu großen Teilen ebenfalls an der verringerten Produktion von PKWs durch die Halbleiterkrise und der daraus resultierenden Wartezeit von teilweise bis zu einem Jahr für Neuwagen. Hinzu kommt eine schlechte Infrastruktur an Ladestationen in Spanien.
 
Da Nachhaltigkeit im aktuellen politischen Programm der Links-Links-Regierung eine sehr große Bedeutung hat und der Automobilsektor einen großen Einfluss auf die Beschäftigungszahlen in Spanien hat, wird auch weiterhin staatliche finanzielle Unterstützung für die Produktion von Elektroautos bereitgestellt. 
 
Für die Wirtschaft hat die weitergehende Produktion von Elektroautos in Spanien eindeutig einen positiven Effekt, auch gerade in den Regionen, in denen Zulieferer und Automobilkonzerne ihre Produktion gedrosselt oder beendet hatten. Sowohl die spanische Regierung auf der einen Seite, als auch der spanische Verband der Automobil- und LKW-Hersteller, haben jeweils einen Plan vorgelegt. Der Fokus des Verbandes liegt dabei vor allen in Verbesserungen bei den Plänen zur Förderung der Nachfrage, konkrete Änderungen bei der Besteuerung von Elektroautos und in der Unterstützung der Ladeinfrastruktur. Dabei sieht der Verband ganz klar den Staat in der Pflicht.
 
Die spanische Regierung ihrerseits stellt Fördergelder für den industriellen Teil des sog. „Strategischen Projekts für die Erholung und Wirtschaftliche Umwandlung des Elektroautos“ („PERTE del Vehículo Eléctrico y Conectado – PERTE VEC“) bereit, unterstützt Besitzer von elektrischen Autos finanziell bei der Installierung von Ladegeräten und verpflichtet Tankstellen – je nach Größe und Region – seit Ende 2022 zu dem Einbau von Ladestationen.
 

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Spanien weiterentwickeln?

Wie schon im letzten Jahr richtig geschätzt, lag die in Spanien wichtigste Branche, der Tourismus, 2022 mit Rekordeinnahmen schon über dem Vor-Pandemie-Niveau. 
 
Erneuerbare Energien werden auch in Zukunft, u.a. im Hinblick auf den andauernden Krieg zwischen Russland und Ukraine, und der damit zusammenhängenden gesuchten Unabhängigkeit Europas von auswertigen Energien eine wachsende Rolle spielen. In Verbindung mit einer geschickten Steuer- und Rechtspolitik könnte das vermehrt Unternehmen aus dem europäischen und internationalen Ausland anziehen.  
 
Spanien ist wegen der hohen Staats- und Privatverschuldung der Zinspolitik der EZB besonders ausgesetzt. Andererseits waren schon 2022 die positiven Auswirkungen des massiven von der EU genehmigten „Next Generation" Fonds und ähnlicher europäischen Beihilfepakete in der spanischen Wirtschaft spürbar, womit auch in den nächsten Jahren gerechnet wird. 
  
Auch wenn Spanien, wie erwähnt, eins der Länder mit dem größten Wachstum ist, ging die Zahl der Unter­nehmens­gründungen 2022, wie erwartet, um 2,1 Prozent zurück, und die Zahl der Unternehmensauflösungen und -schließungen erreichte laut dem spanischen Pendant zum statistischen Bundesamt die höchsten Werte seit 1995. Der Handel war der Sektor mit den stärksten Rückgängen, gefolgt vom Baugewerbe und dem Immobiliensektor.
 
Die Deeskalation des Verbraucherpreisindex wird sich langsam fortsetzen und die Inflation bis 2024 weiter sinken. 

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