Umsatzsteuer in Italien aktuell: „Steuerliche Vollmacht 2023“ – Vorschläge für eine umfassende Revision des MWST-Systems

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 3. April 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Am 16. März 2023 hat der Ministerrat den Entwurf eines Gesetzes zur Steuer­de­le­gation gebilligt, mit dem das italienische Steuersystem überarbeitet werden soll. Mit dieser Maßnahme wird die Regierung ermächtigt, in den nächsten zwei Jahren Gesetze zu erlassen, die das nationale Steuersystem grundlegend verändern werden. Vor allem die Pläne zum Vorsteuerabzug und zu Steuersätzen betreffen auch nicht in Italien ansässige, also zum Beispiel deutsche Unternehmer, die in Italien aufgrund lokaler Geschäftstätigkeit dort am Besteuerungsverfahren im Rahmen einer umsatz­steu­er­lichen Registrierung teilnehmen. 



Bis jetzt gibt es noch keine endgültige Gesetzgebung, da die Regierung auf den Erlass entsprechender Gesetzes­dekrete wartet. Die wichtigsten Vorschläge für Maßnahmen in Steuerfragen wurden allerdings bereits veröffentlicht. Insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer sind Änderungen geplant, um die nationalen Rechtsvorschriften mit den EU-Rechtsvorschriften zu verbinden und die derzeit bestehenden Ungleichgewichte zu beseitigen.
 
Die wichtigsten Maßnahmen im Bereich der Umsatzsteuer betreffen:
  • die Rationalisierung der geltenden Steuersätze
  • die Überarbeitung der Vorschriften zu Steuerbefreiungen und zum Vorsteuerabzug sowie 
  • die Einführung spezifischer Bestimmungen zur Regelung von Mehrwertsteuergruppen (in Deutschland bekannte unter der Begrifflichkeit umsatzsteuerliche Organschaft) sowie für Kunstwerke und Einrichtungen des Dritten Sektors.
 

Angleichung von nationalem Recht an EU-Recht

Dabei geht es um Ungleichbehandlungen in den gesetzlichen Grundlagen, die sich aus den jüngsten Kriterien des Gerichtshofs ergeben haben. Die gesetzgeberische Intervention wird insbesondere die territoriale Voraus­setzung der Umsatzbesteuerung der Lieferung von Gegenständen betreffen, da die nationale/italienische Gesetzgebung (Artikel 7-bis, Absatz 1 des Präsidialerlasses Nr. 633/1972) die Lieferung von Gegenständen mit und ohne Beförderung/Versendung gemeinsam regelt, während die unionsrechtliche Gesetzgebung (Artikel 32 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 2006/112/EU) dazu neigt, die beiden Fälle getrennt zu halten. Die Anglei­chung der nationalen Gesetzgebung an die europäische wird sich auch auf die objektive Voraussetzung der Umsatzsteuer beziehen, und zwar durch den Übergang von dem für unser Rechtssystem typischen Rechts­begriff zu dem im Gemeinschaftsrecht verwendeten substanziellen wirtschaftlichen Begriff.
 

Rationalisierung von Anzahl und Umfang der Umsatzsteuersätze

Das Hauptziel der Rationalisierung der Anzahl und des Umfangs der Umsatzsteuersätze besteht darin, die umsatzsteuerliche Behandlung ähnlicher Gegenstände und Dienstleistungen unter Berücksichtigung ihrer sozialen Relevanz und in Übereinstimmung mit den EU-Vorschriften zu homogenisieren.
 
Die Überarbeitung der Anzahl der Steuersätze, ihrer Bemessungsgrundlage und der steuerpflichtigen Sektoren muss im Einklang mit den Verpflichtungen stehen, die durch die Umsetzung der jüngsten europäischen Richt­linien eingegangen wurden, die Themen wie ökologische Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gesundheit Priorität eingeräumt haben.
 
Im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EU (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie), geändert durch die jüngste Richtlinie 2022/542/EU, muss Folgendes vorgesehen werden:
  • ein Standardsatz nicht unter 15 Prozent
  • höchstens zwei ermäßigte Sätze von nicht weniger als 5 Prozent,
  • ein ermäßigter Satz von unter 5 Prozent,
  • ein so genannter „Nullsteuersatz”, d.h. eine Befreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug.
 
Die Vorzugsbehandlung kann nur für bestimmte Kategorien von Gegenständen und Dienstleistungen gewährt werden, die in Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG aufgeführt sind.
 
In diesem Zusammenhang sollte der nationale Gesetzgeber besonderes Augenmerk auf die Identifizierung von Gütern und Dienstleistungen mit größerer sozialer Relevanz legen, für die bereits teilweise ermäßigte Steuer­sätze gelten, auch im Rahmen der jüngsten Regulierungsmaßnahmen (Gesetzesdekret Nr. 197/2022), die durch eine Neuformulierung der Vorschriften identifiziert werden sollten, um die Verbindungen zwischen der zoll­recht­lichen und der statistischen Klassifizierung von Gütern und Dienstleistungen korrekter zu definieren und so die derzeitigen Regulierungsunsicherheiten zu beseitigen. 
 
Die konkrete Ausgestaltung und Eingliederung von Waren und Dienstleistungen in ggf. neue Steuersätze muss noch abgewartet werden. 
 

Revision der Abzugsvorschriften

Was den Vorsteuerabzug betrifft, so sieht der Entwurf des Ermächtigungsgesetzes drei Arten von Maßnahmen vor:
  1. Der wichtigste Vorschlag betrifft die Änderung des allgemeinen Pro-rata-Kriteriums, das es dem Steuer­pflich­tigen erlaubt, diesen Mechanismus nur auf Gegenstände und Dienstleistungen mit gemischter Verwen­dung der Eingangsumsätze zu den Ausgangsumsätzen anzuwenden und in den übrigen Fällen ein analytisches Kriterium anzuwenden, das sich auf die Relevanz der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen für die einzelnen Umsätze auf der Grundlage ihrer Art konzentriert.
  2. Was den Vorsteuerabzug betrifft, so ist auch ein Eingriff in den Immobiliensektor vorgesehen, in dem die auf den Erwerb, die Vermietung, die Verwaltung und die Renovierung von Wohngebäuden geschuldete Umsatz­steuer derzeit für andere Unternehmen als diejenigen, die ausschließlich oder überwiegend Bautätigkeiten im Wohnungssektor ausüben, nicht abzugsfähig ist. Ziel ist es, den Mechanismus der Nichtabzugsfähigkeit zu überarbeiten, um die Ausübung des Vorsteuerabzugs mit der Art des Umsatzes, für den die erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen verwendet werden, in Einklang zu bringen.
  3. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, den Abzug der auf Eingangsrechnungen für Umsätze des Vorjahres ausgewiesenen Umsatzsteuer in dem Zeitraum zuzulassen, in dem der Steueranspruch entstanden ist, oder in dem Zeitraum, in dem die Rechnung eingegangen ist, und damit die derzeitige Bestimmung zu ersetzen, nach der der Abzug nur in dem Zeitraum erfolgen kann, in dem die Rechnung eingegangen ist.
 
Die geplanten Änderungen im Bereich des Vorsteuerabzugs sind für die Praxis von der positiven wirtschaftlichen Auswirkung her enorm und dringlich zu beachten. 
 

Revision der sog. Freistellungsverordnungen

Die Verordnungen über steuerbefreite Umsätze werden überarbeitet, um die nationalen Bestimmungen an die der EU anzugleichen. Ziel dieser Bestimmung ist es, einer komplexen Gesetzgebung, die in bestimmten Sek­toren durch zahlreiche Befreiungen gekennzeichnet ist, Kohärenz zu verleihen. Betroffen ist zum Beispiel der Immobiliensektor, wo die geltende Regelung grundsätzlich eine Umsatzsteuerbefreiung für die Lieferung und Vermietung von Gebäuden vorsieht, die jedoch je nach Art der Gebäude und der Betreiber noch variiert.
 

Regulierung von sog. Mehrwertsteuer-Gruppen

Auch die Kriterien und Bedingungen für die Option, eine Mehrwertsteuer-Gruppe zu bilden, werden vereinfacht. Gegenstand der Überarbeitung sind die Beschränkungen für die Inanspruchnahme der Regelung, einschließlich des „all-in, all-out”-Kriteriums, wonach alle Unternehmen, die durch finanzielle, organisatorische und wirt­schaft­liche Beziehungen miteinander verbunden sind, verpflichtet sind, die Mehrwertsteuer-Gruppe zu bilden.
 
Im Grunde geht es darum, diese Beschränkungen zu überwinden, indem die Verfahren für den Zugang zur Regelung und die Änderung des subjektiven Umfangs der Mehrwertsteuer-Gruppe vereinfacht werden.
 

Sog. Dritter Sektor

Mit der Reform des Dritten Sektors wurde auch der Anwendungsbereich der ursprünglich nur für gemeinnützige Organisationen vorgesehenen Vorschriften über den Ausschluss und die Befreiung von der Umsatzsteuer auf Einrichtungen ohne Erwerbszweck ausgedehnt.
 
Dies führt zu einer Rationalisierung der Vorschriften und zu einer Vereinfachung der Verpflichtungen im Zusammenhang mit den typischen Tätigkeiten dieser Einrichtungen.
 

Kunst, Antiquitäten und Sammlerstücke

Die Steuerliche Vollmacht, also diese Gesetzesanpassungen, wird auch Auswirkungen auf die Kunstwelt haben. Zur Umsetzung der Richtlinie 2020/542/EU wird auf die Einfuhr von Kunstwerken und die Lieferung von Kunst­werken, Antiquitäten und Sammlerstücken ein ermäßigter Steuersatz angewandt.
 
Darüber hinaus wird Wiederverkäufern (Unternehmer im Sinne der Umsatzsteuer) das Recht eingeräumt, für die Anwendung der Differenzbesteuerung zu optieren, wenn es sich um die Lieferung von Kunstwerken, Sammlungs­stücken oder Antiquitäten handelt, auf die beim Kauf kein ermäßigter Satz angewandt wurde.
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu