Italien: Wesentliche Eigenschaften des Franchisevertrag

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veröffentlicht am 5. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 7 Minuten


In Italien erfreut sich das Franchising einer immer größeren Beliebtheit und wird von einer immer größeren Anzahl an Unternehmen genutzt, und das mit einem konstant steigen­den Gesamtumsatz. Seit mehreren Jahren wird dieser Trend jährlich im „Assofranchising Report“ beschrieben, der von Assofranchising, einem der wichtigsten Verbände des Franchising-Sektors, veröffentlicht wird. Zu den Schlüsselfaktoren, die sich in den letzten Jahren herauskristallisiert haben, gehört die Fähigkeit des Fran­chisings, ein resilientes Geschäftsmodell zu sein. Besonders in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das Franchising in der Lage ist, die aufgekommenen zahlreichen Unsicherheiten und Schwierigkeiten aufzufangen und abzufedern. Den Nutzern des Systems wird ermöglicht, sich strategisch optimal zu positionieren, indem sie auf Brand und Geschäftsangebote zurückgreifen, die den Verbrauchern bereits bekannt sind und von ihnen geschätzt werden. 

 
Dieser Artikel ist Bestandteil der Artikelserie „Franchising“. Sie ist eine cross border Zusam­menarbeit und soll die wesentlichen Elemente eines Franchising-Vertrages in ausgewählten Ländern aufzeigen. Zur Artikelserie „Franchising“ »

  

Was ist Franchising? 

Italien gehört zu den Ländern, die sich dafür entschieden haben, spezifische Rechtsvorschriften für das Franchising in ihr Rechtssystem einzuführen, dies im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich und Deutschland, die es der Rechtsprechung überlassen haben, die Konturen und die Regelung dieses Instruments zu definieren. Gemäß Artikel 1 des Gesetzes Nr. 129 vom 6. Mai 2004 (im Folgenden „Franchising-Gesetz“) ist Franchising „ein Vertrag, gleich welcher Bezeichnung, zwischen zwei wirtschaftlich und rechtlich unabhängigen juristischen Personen, auf dessen Grundlage eine Partei der anderen gegen Entgelt eine Reihe von gewerb­lichen oder geistigen Eigentumsrechten zur Verfügung stellt [...]“.  
  
Schon aus der bloßen Definition, die das Gesetz vorgibt, geht hervor, dass Franchiseverträge in den Bereich der B2B-Verträge fallen; beide Vertragsparteien sind Unternehmer. Der Franchisegeber ist hierbei prinzipiell die Partei, die über die größere Verhandlungsmacht verfügt, da er potenziellen Franchisenehmern sein eigenes Geschäftsmodell vorschlägt und seine eigenen Regeln für den Betrieb des Systems aufstellt.  
  
Genau aus diesem Grund hat sich der italienische Gesetzgeber mit dem Franchising-Gesetz das Ziel gesetzt, den Franchisenehmer zu schützen und das vertragliche Ungleichgewicht zu mildern. Zu den Maßnahmen, die darauf abzielen, gehört der Ausgleich der für Franchiseverträge typischen Informationsasymmetrie durch die Einführung von vorvertraglichen Informationspflichten, die dem Franchisegeber obliegen und den potenziellen Franchisenehmern zugutekommen. 
  
In diesem Sinne sieht Artikel 4 Absatz 3 des Franchising-Gesetzes eine besondere vorvertragliche Infor­mations­pflicht vor, die darin besteht, dass dem Franchisenehmer mindestens 30 Tage vor der Unterzeichnung des eigentlichen Vertrags ein so genanntes Franchise Disclosure Document ausgehändigt wird. 
  
Diese Unterlagen müssen unter anderem eine vollständige Kopie der zu unterzeichnenden Franchise­verein­barung und weitere Informationen über die Marken, das Know-how und die Elemente, die das angebotene Franchisesystem kennzeichnen, sowie Angaben über die Zahl der Franchisenehmer und deren Veränderungen in den vergangenen Jahren enthalten. Zusätzliche Informationen werden für Franchisegeber vorgesehen, die ausschließlich im Ausland tätig waren und daher eine bestimmte Geschäftsformel zum ersten Mal in Italien einführen möchten.  
  
Der Zweck des Franchise Disclosure Document besteht darin, den Franchisenehmer in die Lage zu versetzen, die das angebotene Franchisesystem, den Gegenstand des Vertrags, die Entwicklungsmöglichkeiten und insbesondere den Zeitpunkt der Rentabilität seiner Investition zu kennen und sorgfältig zu bewerten.  
  
Was die (berechtigte) Erwartung des Franchisenehmers auf eine Rendite und damit auf Rentabilität betrifft, so sieht das Franchising-Gesetz insbesondere vor, dass die Geschäftsbeziehung eine für die Amortisierung der Investition ausreichende Mindestdauer haben muss, die der Gesetzgeber auf drei Jahre festgesetzt hat.  
  

Das Know-how 

Das Know-how ist ein wesentliches und kennzeichnendes Element des Franchisevertrags und wird im Fran­chising-Gesetz als „eine Vielfalt nicht patentierter kommerzieller und praktischer Kenntnisse, die sich aus der Erfahrung und den vom Franchisegeber durchgeführten Testläufen ergeben“ definiert.  

Das Know-how muss notwendigerweise:  
  • geheim sein, d.h. außerhalb des Franchisenetzes „nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich“ sein; 
  • substanziell sein, d.h. es muss alle für die Franchiseführung unerlässlichen Kenntnisse umfassen, d.h. das Business format (oder die Formel) in seiner Gesamtheit; 
  • identifizierbar sein und im Vertrag (oder in einem gesonderten Dokument) verständlich und so umfassend beschrieben werden, dass kein Zweifel an seiner Geheimhaltung und Wesentlichkeit besteht.  
  
Um einen wirtschaftlichen und rechtlichen Wert zu erlangen, muss das Know-how unzugänglich sein. Seine Verbreitung würde nämlich sowohl die Wissensbestände als auch das gesamte Franchisenetz entwerten. Daher muss das Know-how durch Schutzmaßnahmen sowohl innerhalb des Netzes des Franchisegebers als auch innerhalb des Netzes des Franchisenehmers geschützt werden. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass beide beteiligten Parteien über geeignete interne (z.B. selektiver Zugang zu Informationen) und externe (gegenüber Lieferanten, Kunden usw.) Organisationsverfahren verfügen. Gerade um das Ziel des Schutzes und der Geheim­haltung des Know-hows zu verfolgen, enthalten die Verträge entsprechende Geheimhaltungsklauseln, die die Parteien verpflichten sollen, die Informationen außerhalb des Vertragsverhältnisses nicht weiterzugeben und nicht zu verwenden.  
   
Nach nationalem Recht kann das Know-how im Franchisevertrag beschrieben werden, es kann aber auch im zum Vertrag gehörenden Vertragskonvolut enthalten sein. Die wichtigsten Instrumente, mit denen in der Praxis Know-how vom Franchisegeber auf den Franchisenehmer übertragen wird, sind das so genannte Betriebs­handbuch und Schulungen. In jedem Fall erfordert das Gesetz, dass der Franchisegeber eine analytische und genaue Beschreibung dessen liefert, was auf den Franchisenehmer übertragen wird.  

Unterstützung für Franchisenehmer 

Um das Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer im Gleichgewicht zu halten sieht das Franchising-Gesetz als wesentlicher Bestandteil vor, dass der Franchisegeber den Franchisenehmer mit verschiedenen Dienstleistungen (Schulungen, technische Beratung etc.) unterstützt.. Insbesondere schreibt das Gesetz vor, dass der Vertrag auch „die Merkmale der vom Franchisegeber angebotenen Dienstleistungen in Bezug auf technische und kommerzielle Unterstützung, Planung und Einrichtung sowie Schulung“ enthalten muss.  
 
Der Franchisenehmer wird also durch die Franchisevereinbarung Teil eines strukturierten Netzwerkes, das auch die Unterstützung und Beratung durch den Franchisegeber umfasst, und zwar nicht nur in der Anlauf­phase der neuen Geschäftstätigkeit, sondern während der gesamten Vertragsbeziehung. Der Franchisegeber verpflichtet sich nämlich, die weiterzuverkaufenden Produkte zu liefern und die Kosten für die Unterstützung und andere mögliche Kosten, wie z.B. Werbekosten, zu übernehmen. 
 
Die Unterstützung erfolgt in der Regel durch die Entsendung von Mitarbeitern des Franchisegebers, die damit beauftragt sind, die korrekte Einrichtung der Verkaufsstelle, die genaue Übereinstimmung der Merkmale sowie die Verwendung der vom Franchisegeber übertragenen Namen oder Zeichen zu überprüfen. 
 
Die Beratungsphase hingegen bezieht sich auf die Schulung des Franchisenehmers in Form von speziellen Veranstaltungen und Kursen oder allgemeiner durch die Übersendung des Betriebshandbuchs, das alle für die Führung des Franchiseunternehmens notwendige Informationen enthält.  
 
Die vom Franchisegeber geleistete Unterstützung und Beratung sind somit Leistungen, die für die korrekte und vollständige Übertragung des Geschäftskonzepts durch den Franchisegeber von Bedeutung sind, und genau diese Unterstützungstätigkeit des Franchisegebers zu Gunsten des Franchisenehmer und dessen Einbindung in ein Netzwerk hat es dem Franchising ermöglicht, die wirtschaftlichen Schocks der letzten Jahre, insbesondere die Folgen der Covid19-Pandemie, besser aufzufangen, und es somit zu einem besonders resilienten Instrument gemacht. 
 

Formen von Franchising 

Franchising kann drei verschiedene Formen annehmen: 
  • Das Warenvertriebsfranchising, bei dem Gegenstand des Vertrags der Vertrieb und damit der Verkauf eines oder mehrerer Produkte an Dritte ist. Das Warenvertriebsfranchising kann je nach der Rolle des Franchise­gebers die Form (i) eines Herstellerfranchising annehmen, bei dem der Franchisegeber die zu vertreibenden Waren und Produkte selbst herstellt (z.B. berühmte Bekleidungsmarken mit weltweit verteilten Filialen, die in der Regel von Franchisenehmern betrieben werden, die die vom Franchisegeber zu verkaufenden Produkte einkaufen) oder (ii) Vertriebsfranchising, bei dem der Franchisegeber ein Großhändler ist, der die Waren oder Produkte nicht direkt herstellt, sondern sie von externen Lieferanten oder Herstellern kauft, um sie zu vermarkten. Die letztgenannte Formel hat im großflächigen Einzelhandel weite Verbreitung gefunden. 
  • Das Dienstleistungsfranchise, bei dem der Franchisenehmer Dienstleistungen anbietet, die vom Franchise­geber konzipiert, entwickelt und getestet wurden. Bei dieser Art von Franchising werden also Know-how, Marketingfähigkeiten usw. vom Franchisegeber auf den Franchisenehmer übertragen, aber es findet keine Übertragung des Eigentums an den Produkten statt, da es sich um Dienstleistungen handelt. Der Franchise­geber ist der Schöpfer der Dienstleistung, während der Franchisenehmer sie lediglich einem Dritten zur Verfügung stellt.  
  • Das Industriefranchising, bei dem ein Industrieunternehmen – der Ersteller (und Experimentator) eines Produktionsprozesses oder die Vermarktung eines Produkts, das durch einen Markennamen gekennzeichnet ist – einem anderen Industrieunternehmen Franchising für die Produktion und/oder Vermarktung seiner Produkte anbieten kann. 

Unterschied zu anderen Verträgen 

Es ist wichtig das Franchising nicht mit anderen Vertriebsformen zu verwechseln; die Ähnlichkeit mit anderen Vertriebsformen kann nämlich leicht in die Irre führen. Insbesondere unterscheidet sich der Franchisevertrag: 
  • von der Verkaufskonzession (concessione di vendita), da das Franchising nicht nur die Lieferung der zu vertreibenden Produkte umfasst, sondern auch verschiedene immaterielle Dienstleistungen wie technische und kommerzielle Unterstützung, Marketinglösungen und Personalschulung; 
  • vom Mandat (mandato) und der Agentur (agenzia), da der Franchisenehmer als selbständiger und unabhängiger Unternehmer stets in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt und die Vergütung, die er erhält, nicht in Form einer Provision für den Geschäftserfolg erfolgt. Während man also beim Mandat und bei der Agentur im Auftrag anderer handelt, handelt man beim Franchising in eigenem Namen und auf eigene Rechnung; 
  • von der Nutzungslizenz, da die Franchisevereinbarung neben der Nutzung der Marken des Franchisegebers eine Reihe weiterer Elemente vorsieht, wie z.B. die Einbeziehung des Franchisenehmers in das „System“ oder die Vertriebskette des Franchisegebers, die Weitergabe von Know-how, die eventuelle Ausbildung von Personal usw. 
  
Es handelt sich dabei um wichtige Unterschiede, die im normalen Verlauf der Beziehung zwischen Franchise­geber und Franchisenehmer vernachlässigbar sein können, die aber besondere Bedeutung erlangen, wenn – was manchmal vorkommt – die Beziehung zwischen den Parteien zerbricht und Streitigkeiten entstehen, die von einem Richter zu entscheiden sind, der die richtigen Rechtsgrundsätze und Kategorien anwenden muss.  
  

Internationales Franchising – anwendbares Recht 

Um schließlich auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, d.h. auf das Vorhandensein eines Franchising-Gesetzes im italienischen Rechtssystem und auf einige von ihm diktierte Grundsätze, sei daran erinnert, dass die Parteien auch im Falle des Franchisevertrags in Ausübung ihrer Privatautonomie wählen können, welches (nationale) Recht auf ihre Beziehung anwendbar sein soll.  
 
Diese Thematik ist vor allem dann relevant, wenn eine der Parteien, in der Regel der Franchisegeber, ein ausländisches Unternehmen ist, das in Italien ein Franchisenetz aufbaut und dann seine Franchiseverträge mit lokalen Franchisenehmern abschließt. In der Regel sehen internationale Franchisevereinbarungen vor, dass das Recht des Landes des Franchisegebers anwendbar ist, da diese Bestimmung es dem Franchisegeber ermöglicht, sein internationales Netz effizienter und einfacher zu verwalten. Eine solche Bestimmung findet sich fast immer in den so genannten Master-Franchising Verträgen, in denen der Master-Franchisenehmer als erster und wichtigster Franchisenehmer gegenüber dem Franchisegeber die Aufgabe übernimmt, das Netz in seinem eigenen Land aufzubauen.  
 
Zwar vermeidet diese Wahl, dass der Franchisegeber für jedes Land, in dem er seine Initiativen entwickelt, unterschiedliche Regeln und Rechtsgrundsätze kennen muss, doch muss er bei der Ausarbeitung seines Vertragsmodells und der Verwaltung der Beziehung immer noch die Grundsätze beachten, die von der Rechtsordnung des Landes, in dem er tätig sein wird, als zwingend und verbindlich angesehen werden (z.B. Steuern, geistiges Eigentum, Wettbewerbsregelungen usw.), und berücksichtigen, dass die Auferlegung eines ausländischen Gesetzes den potenziellen Franchisenehmer dazu veranlassen könnte, sich für andere (vielleicht inländische) Marken zu entscheiden, die kein derartiges Eintrittshindernis aufweisen. 
  
Der Franchisenehmer hingegen trägt die volle Last der Anwendung anderer Rechtsvorschriften als der seines eigenen Landes und muss daher von Beratern unterstützt werden, die – insbesondere im juristischen Bereich –aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer breiten Präsenz in verschiedenen Ländern in der Lage sind, die Interessen des Franchisenehmers angemessen zu schützen.
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