Nach EuGH-Urteil: Neue Anforderungen auch an Widerrufsbelehrungen bei Fondsbeteiligungen

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​Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 26. März 2020 geurteilt (Az. C-66/19), dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, wenn Unternehmen ihre Kunden nur unzureichend detailliert über ihr Widerrufsrecht belehren. 
 
Dem liegt eine Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Januar 2019 zugrunde, im Rechtsstreit der Kreissparkasse Saarlouis mit einem Kunden über das Bestehen eines Widerrufsrechts bezüglich eines Darlehensvertrags bei dem EuGH eine Vorabentscheidung zu ersuchen. 
 
Der Kunde nahm bei der Kreissparkasse im Jahr 2012 einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit in Höhe von 100.000 Euro mit einem Zinssatz von 3,61 % pro Jahr auf. Trotz 14-tägiger Widerrufsfrist wollte er den Kredit vier Jahre später widerrufen. Er beanstandete in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist die Unklarheit der Widerrufsbelehrung, die lediglich eine Verweisung auf die Pflichtangaben in § 492 Abs. 2 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthielt, welche wiederum auf eine Vorschrift im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) verwies.  
 
Der EuGH stellte klar, dass durch eine derartige Belehrung die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt werden könne. Die europäische Verbraucherkreditvertragsrichtlinie (2008/48/EG) habe das Ziel, einen starken Schutz für Verbraucher zu gewährleisten. Wegen der Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucherschutz sei die Belehrung über dieses Recht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Er müsse im Vorfeld Klarheit über die Bedingungen, Fristen und Modalitäten haben, um das Widerrufsrecht in seiner vollen Bandbreite ausüben zu können. Die Bedingungen für die Widerrufsfrist müssten aus diesem Grund klar und prägnant in der Widerrufsbelehrung der Kreditverträge angegeben sein. Eine derartige „Kaskadenverweisung” auf verschiedene Normen des nationalen Rechts lasse den Verbraucher über den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtungen, den Pflichtangaben und den Beginn der Widerrufsfrist im Unklaren. 
 

PRAXISFOLGEN 

Dieses Urteil des EuGH hat auch für die Widerrufsbelehrungen bei Fondsbeteiligungen von Verbrauchern eine hohe Bedeutung. Für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen sind auf Grundlage der verbraucherschützenden Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie (2002/65/EG) ebenfalls Informationspflichten im BGB und EGBGB normiert, welche für den Beginn der Widerrufsfrist eine Rolle spielen. Nach dem Zweck des Verbraucherschutzes und Sinngehalt der Argumentation des EuGH dürfte im Rahmen von Finanzdienstleistungen – entgegen häufiger Praxis – ein bloßer Verweis in den Widerrufsbelehrungen auf nationale Gesetze ebenso rechtliche Probleme mit sich bringen.  
 
Zu beachten ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2010 für Verbraucherdarlehensverträge den „Kaskadenverweis” in einem amtlichen Mustertext für Widerrufsbelehrungen aufgenommen und dadurch eine Gesetzlichkeitsfiktion erschaffen hat. Hierdurch können die Banken, die diesen Mustertext verwendet haben, argumentieren, dass sie sich gesetzestreu verhalten haben und ihre Widerrufsbelehrung unabhängig von der Richtlinienkonformität des nationalen Rechts wirksam ist. In seiner Entscheidung vom 31. März 2020 (XI ZR 198/19) hat der BGH das auch klargestellt und argumentiert, dass die unionsrechtskonforme Auslegung nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts führen dürfe. 

Der BGH hat in einer weiteren Entscheidung vom 31. März 2020 (XI ZR 581/18) für grundpfandrechtlich gesicherte Immobiliendarlehensverträge ausgeführt, dass das Urteil des EuGH auf diese Fälle keine Auswirkung habe, weil sie nicht von der Verbraucherkreditvertragsrichtlinie erfasst seien. Die Auslegung nationaler Vorschriften außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts falle in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Für derartige Immobiliendarlehensverträge bleibe es daher bei den Grundsätzen des nationalen Rechts, nach denen „Kaskadenverweise” nicht zu beanstanden seien. 

Auch im Rahmen von Finanzdienstleistungen existiert ein amtlicher Mustertext für Widerrufsbelehrungen, welcher „Kaskadenverweise” enthält. Somit ist der Gedanke der Gesetzlichkeitsfiktion zwar auch hier relevant. Wurden aber modifizierte Texte verwendet, greift diese Argumentation nicht mehr. Um jedoch bei Abweichungen ebenfalls auf der sicheren Seite zu stehen, kann eine Anpassung der Belehrungen an die Vorgaben des EuGH-Urteils notwendig sein.  

Es ist zu befürchten, dass sog. Verbraucherschutzanwälte diese Entscheidung im Bereich der geschlossenen Fonds aufgreifen werden und Anleger motivieren, ihre Beteiligung im Hinblick auf das Urteil zu widerrufen. Bitte sprechen Sie uns hierzu gerne an. Gemeinsam mit Ihnen können wir eine effektive Verteidigungsstrategie erarbeiten.

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Dr. Christian Conreder

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