EU-Offenlegungsverordnung – Zusätzliche Transparenzpflichten nicht nur für nachhaltige Kapitalanlagen

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veröffentlicht am 20. April 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten


veröffentlicht von Dr. Christian Conreder, Meike Farhan (Rödl & Partner), Rolf D. Häßler (NKI - Institut)

 
Im Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf ebenso ambitionierte wie notwendige Ziele und Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen und der Folgen des Klimawandels verständigt. Bis zum Jahr 2050 soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt und gleichzeitig ein maximaler Anstieg um 1,5°C angestrebt werden. Nach dem Jahr 2050 soll dazu weltweit ein Zustand der Klimaneutralität erreicht werden, bei der durch Wirtschaft und Gesellschaft nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden dürfen, wie gleichzeitig durch natürliche oder technische Senken, beispielsweise Wälder, aufgenommen werden können. Dies setzt eine umfassende Transformation der Wirtschaft voraus, die mit hohen Investitionen verbunden ist. Die EU-Kommission schätzt, dass allein in der EU jährlich rund 180 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden müssen, um die in Paris vereinbarten Ziele zu erreichen.
 
Zur Finanzierung dieser Investitionen will die EU-Kommission auch private und institutionelle Anleger gewinnen. Sie hat daher mit dem EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, durch das nachhaltige Kapitalanlagen für Anleger noch attraktiver werden sollen. Zentrales Instrument der EU-Kommission ist dabei die Verbesserung der Transparenz über die Verfügbarkeit und die Qualität nachhaltiger Kapitalanlagen. So müssen Anleger ab 2022 in Beratungsgesprächen aktiv danach gefragt werden, ob sie bei ihrer Kapitalanlage Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen wollen – eine Frage, die gerade bei privaten und semiprofessionellen Anlegern die Kenntnis darüber, dass es solche Anlagemöglichkeiten gibt, nochmals deutlich erhöhen wird.
 
Mit der Offenlegungsverordnung sind zum 10. März 2021 Regelungen in Kraft getreten, mit denen die Anbieter von und Berater zu Kapitalanlageprodukten dazu verpflichtet werden, den Anlegern aktiv mehr Informationen zur Nachhaltigkeitsqualität der Produkte und ihrer eigenen Prozesse bereitzustellen. Dabei ist zu beachten, dass keine Pflicht gibt, alle Anlageprodukte auf Nachhaltigkeit umzustellen – es soll nur für die Anleger transparent werden, ob bei einem Anlageprodukt entsprechende Kriterien berücksichtigt werden. Gerade Anbieter nachhaltiger Anlageprodukten sollen begründen, wie sie diesen Anspruch bei der Produktgestaltung konkret umsetzen. Gleichzeitig erscheint es mit Blick auf Berater gerade vor dem Hintergrund der erwähnten ESG-Präferenzabfrage in den Beratungsgesprächen als strategisch sinnvoll, entsprechende Produkte im Angebot zu haben, um Anlegern, die diese Frage mit „ja” beantworten, auch entsprechende Lösungen anbieten zu können. Berater müssen dabei offenlegen, wie sie die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen ihrer Beratungsprozesse berücksichtigen.
 
Die Offenlegungsverordnung unterschiedet zum einen zwischen Finanzmarktteilnehmern – hier finden sich insbesondere die Kapitalverwaltungsgesellschaften wieder – und Finanzberatern, insbesondere Banken und Wertpapierfirmen. Zum anderen wird zwischen unternehmens- und produktbezogenen Informationen differenziert. Grundsätzlich können dabei drei Informationsbereiche unterschieden werden:

  • Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken: Hier müssen Informationen dazu veröffentlicht werden, ob und wenn ja wie sie Nachhaltigkeitsrisiken in den Investment- bzw. Beratungsprozess integriert haben. Dabei geht es im Sinne einer Outside in-Perspektive um Risiken, die aus nachhaltigkeitsbezogenen Entwicklungen, beispielsweise dem Klimawandel, für die Kapitalanlage entstehen können. Werden solche Risiken nicht berücksichtigt, muss dies begründet werden.
  • Principle Adverse Impacts (PAI): Bei den PAI wird die Betrachtung umgedreht – hier geht es um die Frage, welche negativen Auswirkungen die Anlageentscheidungen, beispielsweise eine Investition in die Aktien eines Betreibers von Kohlekraftwerken, auf Nachhaltigkeitsfaktoren, z. B. den Klimawandel, haben können und inwiefern diese Auswirkungen berücksichtigt werden.
    Mittelbar sind diese Auswirkungen auch bei der Anlageberatung zu berücksichtigen. So müssen Berater insbesondere transparent machen, wie sie Kapitalanlageprodukte auswählen und ob bzw. in welcher Form sie dabei die Nachhaltigkeitsauswirkungen auf Produktebene berücksichtigen.
  • Produktkategorien: Besonders intensiv wurde im Vorfeld des 10. März darüber diskutiert, wie Anlageprodukte auf Basis der Offenlegungsverordnung klassifiziert werden müssen. Die Verordnung unterscheidet dabei grundsätzlich drei Arten von Produkten, die regelmäßig nach dem entsprechenden Artikel aus der Verordnung benannt werden: Bei Artikel 6-Produkten werden keine spezifischen ESG-Kriterien berücksichtigt. Dies schließt aber nicht aus, dass Nachhaltigkeitsrisiken auch bei diesen Produkten im Investmentprozess Beachtung finden. Als Art. 8-Produkte werden solche Produkte klassifiziert, die unter anderem mit ökologischen oder sozialen Merkmalen oder einer Kombination aus diesen Merkmalen beworben werden. Mit Art. 9-Produkten ist schließlich ein konkretes Wirkungsversprechen für eine nachhaltige Entwicklung verbunden, weshalb man auch von Impact-Produkten spricht. 
     

Nach der Umsetzung der ersten Vorgaben im März dieses Jahres werden in den kommenden Monaten weitere Pflichten eingeführt bzw. konkretisiert. So sind die sog. Level 2-Maßnahmen, welche die eigentlichen Details regeln, noch nicht abschließend ausgearbeitet und sollen erst Anfang 2022 in Kraft treten. Auch die BaFin hat sich zu einer künftigen Verwaltungspraxis bezüglich der Offenlegungs- oder Taxonomieverordnung bisher noch zurückgehalten. Damit ist absehbar, dass die EU-Offenlegungsverordnung – nicht zuletzt auch im Zusammenspiel mit der Taxonomieverordnung – die Anbieter, Verwalter und den Vertrieb von Kapitalanlagen auch in Zukunft beschäftigen wird.

 Mitautor Rolf D. Häßler

Rolf D. Häßler ist Geschäftsführender Gesellschafter im NKI - Institut für nachhaltige Kapitalanlagen. Das NKI wurde Anfang 2015 als unabhängiges Beratungs- und Forschungsinstitut gegründet. Es begleitet institutionelle Anleger, Anbieter nachhaltiger Kapitalanlagen sowie Banken und Versicherungen bei allen Fragen rund um Sustainable Finance und Responsiblie Investment – von der Strategieentwicklung bis zur Kommunikation.

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