BFH: Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei unterjährigem Beginn der Grundstücksverwaltung

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veröffentlicht am 17. März 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Für Grundstücks- bzw. Immobilienunternehmen ist für die Ermittlung der Höhe der Gewerbesteuer die Anwendung der (erweiterten) Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 GewStG von erheblicher Bedeutung. Durch diese Kürzungsvorschrift kann eine Minderung, in vielen Fällen sogar eine vollständige Befreiung der Vermietungseinkünfte von der Gewerbesteuerbelastung erzielt werden.
 
Die sog. einfache Grundstückskürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG sieht aktuell eine pauschale Kürzung des Gewerbeertrags i.H.v. 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Immobilienunternehmens gehörenden Grundbesitzes vor. An Stelle der einfachen Kürzung besteht nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG auf Antrag die Möglichkeit, dass auf die erzielten Einkünfte faktisch keine Gewerbesteuer anfällt. Ein Grundstücksunternehmen kann diese sog. erweiterte Gewerbesteuerkürzung jedoch nur in Anspruch nehmen, wenn es ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen nutzt und verwaltet. In diesem Zusammenhang stellt sich u.a. die spannende Frage, ob ein Immobilienunternehmen auch dann die erweiterte Gewerbesteuerkürzung beantragen kann, wenn es erst durch unterjährigen Erwerb eines Grundstücks mit der Grundstücksverwaltung beginnt.
 
Mit dieser Frage hat sich das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 18.12.2018 (Az. 8 K 8131/17) auseinandergesetzt. Im Streitfall wurde die Klägerin, eine inländische GmbH, im Januar 2014 als Vorratsgesellschaft gegründet. Sie erwarb erst am 24.6.2014 Grundbesitz, den sie nach Übergang von Nutzen und Lasten seit dem 1.7.2014 in ihrem Betriebsvermögen bilanzierte. Die Tätigkeiten zur Vorbereitung und Anbahnung des Grundstückserwerbs sind nicht von der Klägerin selbst, sondern von Mitarbeitern der Konzernmutter bzw. in deren Auftrag durch eine Beraterkanzlei durchgeführt worden. Die GmbH beantragte die erweitere Gewerbesteuerkürzung, da sie ihrer Ansicht nach ausschließlich vermögensverwaltend tätig war. Allerdings versagte das Finanzamt die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG und argumentierte, dass der Grundbesitz nicht bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums (1.1.), sondern erst im Laufe des Jahres zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehörte.
 
Das FG Berlin-Brandenburg folgte der Beurteilung durch das Finanzamt und bestätigte die Versagung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Sowohl für die einfache als auch für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ist das strenge Stichtagsprinzip gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 GewStDV maßgeblich. Dieses Prinzip besagt sinngemäß, dass es nur dann zu einer Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 GewStG kommt, wenn zum Beginn des Kalenderjahrs bereits ein Grundstück im Betriebsvermögen vorhanden ist. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.3.2000 (Az. I R 17/99) kommt das FG zu dem Ergebnis, dass die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nur dann einschlägig ist, wenn auch ein Anspruch auf Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG besteht. Da die Klägerin (GmbH) den Grundbesitz erst im Laufe des Erhebungszeitraums 2014 erworben hat, steht ihr kein Anspruch auf einfache Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG zu. Somit entfällt auch der Anspruch auf die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.
 
Allerdings hat das FG die Revision wegen der Divergenz zum BFH-Urteil vom 15.3.2000 zugelassen. Denn nach dieser BFH-Entscheidung wäre die erweiterte Gewerbesteuerkürzung für die Klägerin grundsätzlich in Betracht gekommen, da das strenge Stichtagsprinzip nicht für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung relevant ist. Einzige Voraussetzung für die erweiterte Grundstückskürzung wäre, dass das Grundstücksunternehmen im gesamten Erhebungszeitraum ausschließlich grundstücksverwaltende Tätigkeiten ausübt. Diese Anforderung soll die Klägerin jedoch nach Ansicht des FG erfüllt haben.
 
Da die Auffassung des FG Berlin-Brandenburg eindeutig der Begründung des BFH zur Frage, ob der unterjährige Beginn der Grundstücksverwaltung zur Versagung der erweiterten Grundstückskürzung führt, widerspricht, bestand für den Steuerpflichtigen erhebliche Rechtsunsicherheit. Daher wurde mit Spannung die Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren erwartet.
 
Mit großer Überraschung bestätigt der BFH in seinem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 27. Oktober 2021 (Az. III R 7/19) das Ergebnis des FG. Allerdings soll die von der Vorinstanz in den Vordergrund gestellte Auffassung, dass das strenge Stichtagsprinzip auch für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG maßgeblich ist, nicht entscheidungserheblich sein. Vielmehr stützt der Senat seine Entscheidung auf den allgemeinen Grundsatz, dass die erweitere Gewerbesteuerkürzung nur einschlägig ist, wenn der Unternehmer der begünstigten Tätigkeit während des gesamten Erhebungszeitraums nachgegangen ist. Die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig gewährt werden.
 
Im Streitfall begann die Gewerbesteuerpflicht der GmbH am Tag der Eintragung in das Handelsregister (Januar 2014). Aber erst Monate nach der Handelsregistereintragung begann die GmbH mit dem unterjährigem Erwerb des Grundbesitzes (24.6. bzw. 1.7.2014) mit der begünstigten Grundstücksverwaltung. Da sie sich vorher nicht mit der Verwaltung oder Nutzung von Grundbesitz befasste, übte die Gesellschaft die begünstigte Tätigkeit nicht während des gesamten Erhebungszeitraums aus. Die erweiterte Grundstückskürzung war daher zu versagen. Der BFH greift auf dieselbe Begründung zurück, mit der er die erweitere Kürzung im Fall des unterjährigen Verkaufs des letzten oder einzigen Grundstücks durch den Unternehmer nicht gewährt.
 
Der BFH stellt mit seinem aktuellen Beschluss für den ersten Grundbesitzerwerb strenge zeitliche Anforderungen an das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der „Ausschließlichkeit” während des Erhebungszeitraums auf. Für die Ausschließlichkeit wird faktisch auf den Beginn des Erhebungszeitraums abgestellt. Allerdings ist es in der Praxis kaum realistisch, z.B. den Erwerb des ersten Grundbesitzes zum 1.1. zu realisieren, so dass wie im Veräußerungsfall – zu prüfen sein wird, ob durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen auch beim unterjährigen Beginn der Grundstücksverwaltung eine erweitere Grundstückskürzung erzielt werden kann. 

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