Das OLG Hamburg zum Haftungsregime bei Prospektnachträgen (Urt. v. 18.10.2022 – 7 U 41/19)

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 20. März 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


In seinem Urteil vom 18.10.2022 – 7 U 41/19 äußert sich das OLG Hamburg zu dem Haftungsregime bei Prospektnachträgen. Es wird die spezialgesetzliche Haftung nach (§ 11 S. 2 VerkProspG a.F. i.V.m.) § 13 VerkProspG a.F. i.V.m. §§ 44 ff. BörsG a.F. bejaht und damit die „Prospekthaftung im weiteren Sinne” (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) verdrängt. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die spezialgesetzlichen Prospekthaftungsansprüche in diesem konkreten Fall verjährt waren. Mit diesem Ergebnis schließt sich das OLG den Wertungen des XI. Zivilsenats des BGH an (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18; BGH, Beschluss v. 27.04.2021 – XI ZB 35/18; BGH, Beschluss vom 14.06.2022 – XI ZR 395/21). Eine andere Ansicht hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Haftungsregime vertritt der II. Zivilsenat des BGH (vgl. dazu BGH Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22).
 
Streitgegenstand ist die  Beteiligung des Klägers an einem geschlossenen Fonds. Zweck der Beteiligung war der Erwerb, die Bewirtschaftung und die Veräußerung von Waldflächen in Rumänien. Das der Haftung zugrundeliegende Prospekt wurde am 06.11.2009 veröffentlicht. Ein Nachtrag zum Prospekt wurde am 07.10.2011 veröffentlicht. Die beklagten Gründungsgesellschafter der Beteiligungsgesellschaft, darunter der Treuhänder, wurden in der Vorinstanz wegen der fehlerhaften Darstellung der Risiken zu einer Schadensersatzzahlung im Rahmen der Prospekthaftung verurteilt. Das OLG Hamburg hat nun in der Berufungsinstanz die begehrten Prospekthaftungsansprüche abgelehnt.
 
Die Entscheidung thematisiert zwei Problempunkte. Einerseits wird die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche diskutiert und bejaht. Andererseits bezieht die Entscheidung Stellung zu dem Spezialitätsverhältnis der konkurrierenden Haftungsregime der Prospekthaftung.
 

Verjährungsbeginn von spezialgesetzlichen Prospekthaftungsansprüchen

In dem vorliegenden Fall richtet sich die Verjährung der Prospekthaftung, entsprechend der Ausführungen des OLG, nach § 46 BörsG a.F. Einerseits könnte demnach die Verjährungsfrist (von einem Jahr) zu laufen beginnen, ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder der Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat. Spätestens verjähren die Ansprüche aber drei Jahre nach der Veröffentlichung des Prospekts. Diese dreijährige Frist würde mit der Veröffentlichung des Prospekts bzw. des Nachtrags zum Prospekt zu laufen beginnen. So kommt das OLG zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Ansprüche verjährt sind.

Spezialitätsverhältnis der konkurrierenden Haftungsregime der Prospekthaftung

Haftungsgrundlage bei der Prospekthaftung sind einerseits die spezialgesetzlichen Vorschriften (z.B. aus VerkProspG a.F. i.V.m. BörsG a.F.) und andererseits die „Prospekthaftung im weiteren Sinne” (nach den Grundsätzen der c. i. c. gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB). Zwischen diesen beiden Haftungsregimen wurde in der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH ein Spezialitätsverhältnis angesehen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18; BGH, Beschluss vom 27.04.2021 – XI ZB 35/18; BGH, Beschluss vom 14.06.2022 – XI ZR 395/21). Demnach schließt die Anwendung der spezialgesetzlichen Vorschriften die Prospekthaftung gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aus. Die maßgeblichen BGH-Entscheidungen zu dem Verhältnis der beiden Haftungsregime beschäftigten sich bisher aber lediglich mit Fällen im Anwendungsbereich des § 13 VerkProspG a.F. und damit nur mit der Haftung bei fehlerhaftem Prospekt. Streitgegenständlich handelt es sich allerdings auch um einen Nachtrag zum Prospekt und damit auch um einen Fall im Anwendungsbereich des § 11 VerkProspG a.F. (Veröffentlichung ergänzender Angaben). Demgemäß hatte das OLG zu klären, ob auch in diesem Fall die Rechtsprechung des XI. Senats des BGH greift. 
 
Das OLG Hamburg gelangt zu dem Ergebnis, dass auch in diesem Fall (sofern der Anwendungsbereich der Spezialhaftung eröffnet ist) die zivilrechtliche Prospekthaftung (Prospekthaftung im weiteren Sinne) ausscheidet und zwar auch, wenn die Voraussetzungen der spezialgesetzlichen Haftung im Einzelnen nicht bejaht werden (Rn. 38 ff.). Außerdem erstrecke sich dieser Ausschluss auch auf andere zivilrechtliche Ansprüche, z.B. die sich gegenüber dem beklagten Treuhänder aus einer möglichen Verletzung vorvertraglicher Pflichten aus dem Treuhandvertrag ergeben können (Rn. 60 ff.). Dieses Ergebnis vertritt das OLG auch trotz des Umstands, dass es unter Umständen zu erheblichen Verkürzungen von Verjährungsfristen kommen kann (vgl. § 46 BörsG a.F. mit Verjährungsbeginn ab Veröffentlichung des Prospektes bzw. des Nachtrags). Dies begründet das OLG u.a. damit, dass es zu diesem Zeitpunkt erstmals ein unzutreffender Eindruck auf Grund des Prospekts erzeugt würde. Außerdem spreche dafür, dass diese maximale Frist dadurch für alle Erwerber einheitlich bestimmt werden könne (Rn. 46). Weiterhin begründet das OLG dieses Ergebnis mit der Entstehungsgeschichte der börsenrechtlichen Verjährungsvorschriften des § 46 BörsG a.F. und lehnt sich dabei an die Begründung des BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 14.06.2022, XI ZR 395 / 21) an.
 
Innerhalb des BGH ist diese Rechtsauffassung allerdings nicht unumstritten. So hat kürzlich der II. Zivilsenat des BGH eine abweichende Entscheidung zum Verhältnis der beiden Haftungsregime der Prospekthaftung veröffentlicht und dort gerade keine Sperrwirkung der spezialgesetzlichen Haftung (eines Gründungs- bzw. Altgesellschafters) angenommen (BGH Beschluss vom 25.10.2022 – II ZR 22/22). Diesbezüglich bleibt es abzuwarten, ob eine abschließende Klärung des Großen Senats des BGH eingeholt wird.
 

Fazit: 

Mit dieser Entscheidung des OLG Hamburg wird an eine Reihe von Entscheidungen des XI. Zivilsenats des BGH angeknüpft, die eine praxisgerechte Lösung für die Problematiken der Prospekthaftung anstreben. Dennoch bleibt es abzuwarten, ob im Hinblick auf die Rechtsauffassung des II. Zivilsenats des BGH nicht doch eine Klarstellung des Großen Senats des BGH ergehen wird.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Meike Farhan

Rechtsanwältin

Associate Partner

+49 40 22 92 97 – 5 33

Anfrage senden

Profil

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu