Grunderwerbsteuerliche Share Deal-Tatbestände bei Umstrukturierungen: Gewohnte Wege hinterfragen, Überraschungen vermeiden

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 25. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Grunderwerbsteuerliche Share Deal-Tatbestände sind allgegenwärtig: Bei offensichtlichen Anteilstransaktionen ebenso wie – hier etwas subtiler – bei Schenkungen oder Umstrukturierungen kann Grunderwerbsteuer ausgelöst werden oder können zumindest grunderwerbsteuerbare und damit anzeigepflichtige Tatbestände entstehen.

Gerade bei konzerninternen Strukturbereinigungen oder -neuordnungen liegt der Teufel oft im Detail. So ist, besonders seit der Ergänzung und Erweiterung der Share Deal-Tatbestände Mitte 2021 sowie auch im Hinblick auf die jüngere BFH-Rechtsprechung zur Grundstückszurechnung für grunderwerbsteuerliche Zwecke (z.B. BFH II R 44/18 vom 01.12.2021 oder BFH II R 33/20 vom 14.12.2022), für den Unternehmer oft auf den ersten Blick nicht erkennbar, wo Grunderwerbsteuer lauert. Insbesondere ist es ein verbreiteter Irrglaube, dass Beteiligungsketten unschädlich beliebig verkürzt werden könnten oder die Einrichtung von Zwischenholdings grunderwerbsteuerlich irrelevant sei.

Zur Verkürzung von Beteiligungsketten soll folgender Beispielsfall betrachtet werden:

Beispiel Grundfall:

Der Maschinenbauer M-AG kauft 2023 über seine für die Akquise neu errichtete Tochter A-GmbH die in der Geschäftswelt wenig bekannte WB-Holding GmbH, die bereits seit Gründung 100% der Geschäftsanteile am renommierten Bohrmaschinenhersteller B-GmbH hält. Die B-GmbH verfügt über ein umfangreiches Werksgelände mit erheblichem Immobilienbesitz. Der Anteilsübergang (”Closing”) ist aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Begleichung der finalen Kaufpreisrate. Zur Reduzierung der administrativen Kosten für Steuererklärung und Jahresabschluss soll die WB-Holding GmbH in einem nachfolgenden Schritt 2 im Jahr 2024 auf die A-GmbH verschmolzen werden.

Lösung Grundfall:

Schritt 1: Der Übergang der Anteile (Closing) ist steuerbar nach § 1 Abs. 2b GrEStG als qualifizierter (mittelbarer) Anteilsübergang an der grundbesitzenden B-GmbH; diese schuldet auch selbst die Grunderwerbsteuer. Die Unterzeichnung des Kaufvertrags (”Signing”) war ihrerseits bereits steuerbar als (mittelbare) Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG auf Ebene der A-GmbH; die Grunderwerbsteuer wird hierfür jedoch nicht erhoben, wenn das Signing fristgerecht und vollständig durch die A-GmbH angezeigt wurde (§ 16 Abs. 4a und Abs. 5 GrEStG).

Schritt 2: Die Verschmelzung der WB-Holding GmbH auf die A-GmbH ist voll steuerpflichtig. Sie stellt nach aktueller Rechtslage keine unmaßgebliche Verkürzung der Beteiligungskette dar. Vielmehr führt nach den gleich Lautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2b GrEStG vom 10.05.2022 der Wechsel des unmittelbaren Gesellschafters der B-GmbH erneut zum Anteilsübergang an der B-GmbH und zum Anfall von Grunderwerbsteuer dort. Eine Begünstigung der Verschmelzung nach der Konzernklausel kann nicht gewährt werden, da die fünfjährige Vorbesitzzeit (noch) nicht eingehalten ist.

Die Schritte 1 und 2 lösen also im Ergebnis zweimal Grunderwerbsteuer aus, bei nicht sorgfältiger Wahrnehmung der Anzeigepflicht droht ggf. sogar dreimalige Steuer. Anrechnungsmöglichkeiten bestehen nicht.

Beispiel Abwandlung:

Beide Vorgänge fanden bereits im Jahr 2020 statt.

Lösung Abwandlung:

Schritt 1: § 1 Abs. 2b GrEStG war im Jahr 2020 noch nicht in Kraft. Eine Steuerbarkeit des Anteilskaufs ergab sich dafür auf Ebene der A-GmbH nach § 1 Abs. 3 GrEStG (mittelbare Anteilsvereinigung).

Schritt 2: Die Verschmelzung der WB-Holding GmbH auf die A-GmbH war hier nicht steuerbar, da nur eine unmaßgebliche Verstärkung der bereits besteuerten Anteilsvereinigung an der B-GmbH in der Hand der A-GmbH vorlag (Verstärkung von mittelbar auf unmittelbar).

Grundfall und Abwandlung zeigen, dass jeder Transaktionsschritt einzeln zu beleuchten und zu bewerten ist. Die Dynamik des Grunderwerbsteuerrechts verbietet ein unreflektiertes Festhalten an gewohnten Mustern und ”bewährten” Konzepten. Das Erkennen und die Erfüllung von Anzeigepflichten gewinnen überdies an Bedeutung: Neben die geforderte sorgfältige Wahrnehmung aus Compliance-Gründen tritt das Interesse der Vermeidung zusätzlicher Steuerfestsetzungen.

Ebenso kommt der zeitlichen Planung wie auch der Beachtung von Details in der Durchführung von Umstrukturierungsschritten eine maßgebliche Bedeutung zu. Dies gilt neben Fragen der Steuerbarkeit (Betrachtens Zeiträume, Steuerbarkeitsschwellen) auch für Befreiungsmöglichkeiten.

So ist beispielsweise die Einfügung einer Zwischenholding in eine 100%-Beteiligungskette immer steuerbar. Bei geeigneter Durchführung kann jedoch gegebenenfalls eine Besteuerung vermieden werden. Mit der ”Konzernklausel” des § 6a GrEStG steht eine denkbare Befreiungsvorschrift zur Verfügung, die jedoch strenge Voraussetzungen vorgibt. Hier ist sorgfältig zu differenzieren. Je nach Fall können Sachgründungen im Zuge eines Einbringungsvorgangs eine Grunderwerbsteuerbefreiung dort ermöglichen, wo Bargründungen oder die Verwendung von Vorratsgesellschaften einer Privilegierung entgegenstehen würden.

Ein weiteres Umdenken dürfte erforderlich werden, sollten tatsächlich zum Jahresende weitere maßgebliche Änderungen des Grunderwerbsteuerrechts in Kraft treten. Solches wird derzeit als vermeintlich notwendige Reaktion auf das ab 01.01.2024 anwendbare Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts – MoPeG diskutiert. Wir verweisen hierzu auf die Überlegungen zum Modernisierungsmodell für das Grunderwerbsteuerrecht – MoMo, sowie auf des Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen eines Gesetzes zur Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes (Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetz – GrEStNG).

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Franz Lindner

Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater

Associate Partner

+49 911 9193 1245

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Martin Weiß

Rechtsanwalt, Steuerberater

Associate Partner

+49 911 9193 1253

Anfrage senden

Profil

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu