BFH: Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung bei umgekehrter Betriebsaufspaltung

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veröffentlicht am 14. Juni 2024 | Lesedauer ca. 5​ Minuten


Verfügt ein gewerbliches Unternehmen über eigenen Grundbesitz, den es entgeltlich an fremde Dritte zur Nutzung überlasst, spielt für Zwecke der Gewerbesteuer die Anwendung der sog. "erweiterten Grundbesitzkürzung " gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eine entscheidende Rolle. Erfüllt das Grundstücksunternehmen die gesetzlichen Anforderungen an eine erweiterte Grundbesitzkürzung, kann es auf Antrag faktisch den Gewerbeertrag, der sich auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bezieht, vollständig gewerbesteuerfrei vereinnahmen.

Sofern das Grundstücksunternehmen im Zusammenhang mit der Grundbesitzvermietung auch eine unerlaubte gewerbliche Tätigkeit ausübt, entfällt die gewerbesteuerliche Begünstigung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in vollem Umfang. In der Praxis bergen insbesondere Fälle der entgeltlichen Grundbesitzüberlassung innerhalb von Konzern-, Unternehmens- oder Beteiligungsstrukturen Risiken einer solchen gewerbesteuerlichen Schädlichkeit. Die erweiterte Grundbesitzkürzung wird nämlich u.a. nicht gewährt, wenn zwischen dem, den Grundbesitz überlassenen, Grundstücksunternehmen und dem grundstücksnutzenden Unternehmen eine sog. "Betriebsaufspaltung " besteht oder wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmens i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG dient.

Bei der Beurteilung, ob eine schädliche Betriebsaufspaltung oder ein kürzungsschädliches Dienen zugunsten des Betriebs eines Gesellschafters i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG vorliegt, so dass es zum Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung kommen kann, ist insbesondere die Anwendung bzw. Reichweite des sog. "Durchgriffsverbots " durch Kapitalgesellschaften im Fall mehrstufiger Beteiligungsebenen von Bedeutung. Der Bundesfinanzhof (BFH) urteilte bisher in ständiger Rechtsprechung zugunsten eines solchen Durchgriffsverbots. Dies führte in der Vergangenheit, u.a. auch im Hinblick auf die beiden vorstehend erwähnten Fragestellungen, zugunsten des Grundstücksunternehmens zur Gewährung der erweiterten Grundbesitzkürzung.

Allerdings ist der BFH in seiner jüngsten Entscheidung vom 16.09.2021 (BStBl. II 2022, 767) von seiner bisherigen Rechtsprechung teilweise abgewichen. Sofern nämlich das Besitzunternehmen im Rahmen einer bestehenden Betriebsaufspaltung in der Rechtsform einer Personengesellschaft tätig ist, gilt nämlich die Abschirmwirkung des Durchgriffverbots im Fall mittelbarer Beteiligungen nicht länger (vgl. Ausgabe Kapitalanlage kompakt vom März 2022).

Mit dem aktuellen, im Mai veröffentlichten, Urteil vom 22.02.2024 (Az. III R 13/23) hat der BFH nochmals die Gelegenheit bekommen, sich zur Reichweite des Durchgriffverbots und ggf. zur Abgrenzung zu der Entscheidung vom 16.09.2021 zu äußern. Dem Streitfall, der durchaus auch für die Beratungspraxis relevant ist, lag eine sog. umgekehrte Betriebsaufspaltung zugrunde. Der Sachverhalt lässt sich wie folgt vereinfacht zusammenfassen:

An der Personengesellschaft F GmbH & Co. KG (F-KG) war die Privatperson F mittelbar über eine Kapitalgesellschaft als einziger Kommanditist beteiligt. Die F-KG wiederum hielt zwei Beteiligungen. Sie war einzige Gesellschafterin der A-GmbH sowie einer Beteiligungsgesellschaft mbH (EB GmbH). Die EB GmbH war mit ca. 52,38% an der Klägerin (eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH) beteiligt. Die restlichen Anteile an der Klägerin (ca. 47,62%) hielt F.

Die Klägerin (Enkelgesellschaft) überließ der F-KG (Muttergesellschaft) in den Jahren 2013 und 2014 bebaute Grundstücke, die als wesentliche Betriebsgrundlagen für die nutzende Personengesellschaft anzusehen waren. Ab dem Jahr 2015 wurden die besagten Grundstücke der F-KG über ein Zwischenmietverhältnis mit der A-GmbH mittelbar überlassen.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Ebene der Klägerin nicht erfüllt seien, weil eine schädliche (umgekehrte) Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der F-KG vorläge.

Der BFH folgt jedoch mit seiner Entscheidung der Beurteilung durch das Finanzgericht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Gewährung der erweiterten Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Ebene der Klägerin nicht wegen des Bestehens einer (umgekehrten) Betriebsaufspaltung ausgeschlossen ist.

Zunächst fasst der Senat nochmals zusammen, dass eine Betriebsaufspaltung voraussetzt, dass das Besitzunternehmen (hier: Klägerin) und das Betriebsunternehmen (hier: F-KG) sachlich und personell miteinander verflochten sein müssen. Eine personelle Verflechtung erfordert dabei einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen. Bei einem Besitzunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, wie vorliegend der Fall, kommt es bzgl. der personellen Verflechtung darauf an, ob das Besitzunternehmen selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ist nicht zulässig (sog. Durchgriffsverbot).

Obwohl vorliegend nach Ansicht des BFH die Anforderungen an eine sachliche Verflechtung zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen erfüllt sein dürften, scheitet das Vorliegen einer personellen Verflechtung an der Begründung einer gewerbesteuerschädlichen Betriebsaufspaltung. Eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft liegt nicht vor, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50 % unmittelbar bzw. mittelbar an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Der Besitzkapitalgesellschaft können weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen (Durchgriffsverbot). Da sich insoweit die Beurteilung bei Kapitalgesellschaften von der bei Personengesellschaften unterscheidet, ist nach Ansicht des BFH auch eine Gleichbehandlung von Besitz-Kapitalgesellschaften und Besitz-Personengesellschaften nicht geboten ist (insoweit sieht der BFH vorliegend eine Abgrenzung zum Durchgriffsgebot aufgrund des BFH-Urteils vom 16.09.2021).

Im Streitfall war die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50 % an der F-KG als Betriebsunternehmen beteiligt, so dass eine schädliche personelle Verflechtung nicht vorlag. Aber auch aus einer umgekehrten Betriebsaufspaltung ergibt sich vorliegend keine andere Beurteilung. Bei einer umgekehrten Betriebsaufspaltung wird nicht die Betriebsgesellschaft durch die Besitzkapitalgesellschaft, sondern die Besitzkapitalgesellschaft wird durch die Betriebsgesellschaft beherrscht. Der Tatbestand der personellen Verflechtung scheitert bei einer umgekehrten Betriebsaufspaltung ebenfalls daran, dass wegen des Durchgriffsverbots nicht auf die unmittelbaren bzw. mittelbaren Verhältnisse des Gesellschafters bzw. der Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft (Klägerin) abgestellt werden kann.

Zudem bestätigt der Senat auch die Entscheidung der Vorinstanz, dass mangels eines kürzungsschädlichen Dienens nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG insoweit auch die Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung durch die Klägerin zulässig war. Wird ein Grundstück des Grundstücksunternehmens aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags beispielsweise von dessen Gesellschafter genutzt, scheitert grundsätzlich wegen § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG die erweiterte Grundbesitzkürzung.

Im Streitfall hat die Klägerin (Enkelgesellschaft) das bebaute Grundstück unmittelbar (bzw. mittelbar ab 2015 über die A-GmbH) der F-KG (Muttergesellschaft) zur Nutzung überlassen. Insofern wurde das Grundstück nicht, wie das Gesetz vorsieht, vom Gesellschafter (hier: die Tochtergesellschaft), sondern von der Muttergesellschaft, die selbst keine unmittelbare Gesellschafterin der Klägerin war, genutzt. Allerdings gilt als Gesellschafter i.S.d. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG neben dem unmittelbar Beteiligten auch derjenige, der nur mittelbar über eine Personenhandelsgesellschaft am Grundstücksunternehmen beteiligt ist. Sofern jedoch die mittelbare Beteiligung am Grundstücksunternehmen über eine Kapitalgesellschaft vermittelt wird, greift das Durchgriffsverbot auf ihre Gesellschafter (so auch BFH-Urteil vom 16.09.2021, BStBl. II 2022, 767). Daher kann die F-KG nicht als (mittelbare) schädliche Gesellschafterin der Klägerin angesehen werden. Die erweiterte Grundbesitzkürzung durch die Klägerin wird im Ergebnis auch nicht durch § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen.

Die aktuelle BFH-Entscheidung vom 22.02.2024 ist bei der zukünftigen Gestaltung unternehmensinterner Grundstücksüberlassungen von Bedeutung, da es das Durchgriffsverbot vor allem in Fällen, in denen es sich bei dem Besitzunternehmen um eine Kapitalgesellschaft handelt, bestätigt. Im Einzelfall kann durch das Ausnutzen des Durchgriffverbots mittels Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften für Gewerbesteuerzwecke ggf. eine kürzungsschädliche Betriebsaufspaltung bzw. ein kürzungsschädliches Dienen i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG vermieden werden. Zudem stellt die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar.

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