BFH: Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung bei Schwestergesellschaften

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veröffentlicht am 13. September 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Vermietung von Grundbesitz an Dritte durch ein gewerbliches Unternehmen ist steuerlich attraktiv, wenn das Unternehmen die Voraussetzungen der sog. "erweiterte Grundbesitzkürzung" gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt. In diesem Fall können die Erträge aus der Nutzung und Verwaltung des Grundbesitzes auf Antrag vollständig von der Gewerbesteuer befreit sein. Allerdings hat der Gesetzgeber enge Anforderungen an die Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung gestellt, wobei die zentrale Voraussetzung in der Beachtung des Ausschließlichkeitsgrundsatzes besteht. Dieser besagt, dass die Tätigkeit des Grundbesitzunternehmens ausschließlich in der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes liegen darf.

Sofern die Grundbesitzgesellschaft neben der ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes auch kürzungsschädliche Leistungen erbringt (z.B. Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen, bestimmte Sonder- oder allgemeine Dienstleistungen), erfolgt in der Praxis als mögliche Gestaltung zur Sicherstellung der Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung üblicherweise die Auslagerung solcher Leistungen auf eine Schwestergesellschaft. Die Schwestergesellschaft (anstelle des Grundbesitzunternehmens) wird in diesem Fall die "schädlichen " Leistungen an den Mieter erbringen. Allerdings sind bei der Umsetzung dieser Gestaltung einige "Fallstricke" zu beachten, zumal sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung eine enge und restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale vornimmt.

Die jüngst veröffentliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Juni 2024 (Az. III R 26/21) betraf eine solche (fehlgeschlagene) Gestaltung zur Nutzung der erweiterten Grundbesitzkürzung beim grundbesitzenden Unternehmen durch Einschaltung einer Schwestergesellschaft. Im Streitfall überließen die Anteilseigner A und B ihrer Kapitalgesellschaft (GmbH) Grundbesitz, auf dem die Gesellschaft seniorengerechte Appartements errichtete. Die Appartements wurden an Senioren vermietet. Neben dem Abschluss des Mietvertrags mit der GmbH wurde den Senioren der Abschluss eines Dienstleistungsvertrags mit der Schwestergesellschaft der GmbH angeboten. Bei der Schwestergesellschaft handelte es sich um eine Personengesellschaft (GmbH & Co KG), deren Kommanditisten ebenfalls A und B waren. In dem Dienstleistungsvertrag verpflichtete sich die Schwestergesellschaft, zu einem niedrigen monatlichen Pauschalpreis, bestimmte Dienstleistungen an die Mieter zu erbringen (z.B. wöchentliche Reinigung der Wohnung, Fensterreinigung, Wechsel und Reinigung der Bettwäsche und der Handtücher, Fahrdienst zur Kirche, Teilnahme am Programm des Hotels, etc.). Die GmbH bewarb die Dienstleistungen - die Vermietung seniorengerechter Wohnungen, die Verpflegung und die Serviceleistungen - als Gesamtheit. Allerdings war der Werbung nicht zu entnehmen, dass die Leistungen zum Teil nicht von der GmbH, sondern von der Schwestergesellschaft erbracht werden sollten. Die Mieter der Appartements mussten zwingend auch die Dienstleistungsverträge mit dem verbundenen Unternehmen zu vergünstigten, offensichtlich nicht marktgerechten, Preisen abschließen. Eine ordentliche Kündigung des jeweiligen Dienstleistungsvertrages war nur gleichzeitig mit der Kündigung des Mietvertrages möglich. Die durch die vergünstigten Preise für die Dienstleistungen entstehenden Einnahmeverluste der Schwestergesellschaft wurden durch höhere Mieten der GmbH kompensiert. Die für die Appartements erhobenen Mieten beliefen sich auf mehr als das Doppelte der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen. Wurde eine Wohnung von mehr als einer Person genutzt, erhöhte sich die Miete.

Die GmbH beantragte die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung, da sie nach ihrem Verständnis nur eigenen Grundbesitz vermietete. Die schädlichen Dienstleistungen wurden von der Schwestergesellschaft ausgeübt. Zudem bestand zwischen der GmbH und der Schwestergesellschaft kein weiteres Vertragsverhältnis. Demgegenüber war das Finanzamt der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine erweiterte Grundbesitzkürzung nicht vorlägen.

Die Klage der GmbH gegen die Beurteilung durch das Finanzamt wurde vom Finanzgericht Münster mit Urteil vom 11.05.2021 (EFG 2021, 1567) abgelehnt. Dabei stützte sich das Finanzgericht bzgl. der Versagung der erweiterten Grundbesitzkürzung auf den Ausschlussgrund gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG. Die erweiterte Grundbesitzkürzung wird nach dieser Norm nicht gewährt, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmens dient. Das Finanzgericht führte aus, dass der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters nicht nur dann "dient", wenn er von diesem aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags genutzt wird. Es genügt vielmehr, dass der Grundbesitz dem Gesellschafter allgemein "von Nutzen" ist. Der Grundbesitz "dient" auch dann dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmens, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist. Im Streitfall wurde nach Ansicht des Finanzgerichts die Immobilie zur Generierung von zusätzlichen Einkünften durch die Schwestergesellschaft genutzt und war damit für die Gesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft. Denn der Grundbesitz diente bereits deshalb dem Gewerbebetrieb der Gesellschafter, weil die Vermietung der Appartements durch die GmbH und die gewerbliche Erbringung der Serviceleistungen durch die Schwestergesellschaft untrennbar zusammengehören, so dass eine einheitliche gewerbliche Tätigkeit vorlag.

Der BFH hat die Versagung der erweiterten Grundbesitzkürzung im Rahmen der Revision zwar bestätigt, bemerkenswert ist jedoch, dass der Senat seine Entscheidung nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – auf den Tatbestand des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG stützte. Vielmehr argumentierte der BFH überraschenderweise mit einem, im Streitfall vorliegenden, Verstoß gegen den Ausschließlichkeitsgrundsatz des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Wie bereits erwähnt, kommt eine erweiterte Grundbesitzkürzung nur in Betracht, wenn der Grundbesitz ausschließlich zur Verwaltung und Nutzung verwendet wird. Sofern das Grundbesitzunternehmen auch Nebenleistungen erbringen sollte, können diese nach ständiger BFH-Rechtsprechung als unschädlich angesehen werden, wenn sie der Grundstücksnutzung und -verwaltung im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung beurteilt werden können.

Im Streitfall hat die GmbH nach Ansicht des BFH in der Gesamtschau jedoch schädliche Nebenleistungen erbracht. Die GmbH hat den Senioren nicht nur Appartements zur Nutzung überlassen, sondern ihnen mit dem Abschluss des Mietvertrags auch zum Abschluss eines unkündbaren Dienstleistungsvertrags mit der Schwestergesellschaft deutlich unter Marktpreisen verholfen und dafür einen erheblichen Aufschlag auf die ortsübliche Miete für vergleichbare Wohnungen erhalten. Dies stellt weder eine zwingend notwendige noch eine quantitativ geringfügige Nebentätigkeit zur Vermietung der seniorengerechten Appartements dar. Zudem hatte die Schwestergesellschaft kein eigenes wirtschaftliches Interesse an den Verträgen mit den Senioren. Daher ist davon auszugehen, dass zumindest eine konkludente Vereinbarung mit der GmbH dafür ursächlich gewesen sein dürfte, dass die Schwestergesellschaft jedes Mal, wenn die GmbH ein Seniorenappartement vermietete, beim Vertragsschluss vertreten war und ihrerseits einen - für sie wirtschaftlich uninteressanten -Dienstleistungsvertrag abschloss. Dass die Miet- und die Dienstleistungsverträge stets gleichzeitig vorgelegt, erläutert und zusammen abgeschlossen wurden, spricht dafür, dass sich die GmbH und die Schwestergesellschaft im Vorfeld abgestimmt hatten. Auch die Werbung war ein weiteres Indiz, dass es im Vorfeld zu einer entsprechenden Abstimmung zwischen der GmbH und der Schwestergesellschaft gekommen war.

Im Streitfall war somit die in der Verschaffung von Dienstleistungsverträgen liegende Nebentätigkeit der GmbH kürzungsschädlich, da sie nicht mit dem Ausschließlichkeitsgebot i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG vereinbar war. Die Nebenleistung kann nicht mehr als zwingend notwendiger Teil einer

wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden, da das Nebengeschäft bei objektiver Betrachtung für eine wirtschaftlich sinnvolle Grundstücksverwaltung und -nutzung nicht unentbehrlich war.

Die aktuelle BFH-Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass in der Praxis bei der steuerlichen Gestaltung zur Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung mittels des Einsatzes einer Schwestergesellschaft erhöhte Vorsicht geboten ist. Steuerliche Risiken können sich nicht nur durch den Tatbestand des schädlichen "Dienens" gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ergeben, auch eventuelle schädliche Nebenleistungen sind im Hinblick auf den Ausschließlichkeitsgrundsatz noch genauer zu prüfen. Insbesondere können kürzungsschädliche Nebenleistungen – wie der Streitfall zeigt – auch ohne schriftliche Vertragsbeziehungen zwischen dem Grundbesitzunternehmen und der Schwestergesellschaft vorliegen. Insofern sollten die Ausführungen im vorgestellten BFH-Urteil beachtet werden.

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Frank Dißmann

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