BFH: Gewerbliche Aufwärtsabfärbung vermögensverwaltender Personengesellschaften bei nur verrechenbaren Verlusten gemäß § 15a EStG

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veröffentlicht am 13. September  2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Das steuerliche Risiko einer gewerblichen Abfärbung im Fall einer grundsätzlich nur vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft ist in der Praxis von großer Bedeutun​g. Die gewerbliche Abfärbung ist in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gesetzlich geregelt und behandelt sowohl die sog. "Seitwärtsabfärbung" als auch die sog. "Aufwärtsabfärbung". Der Bundesfinanzhof (BFH) hat gerade in den letzten Jahren zu beiden Fallvarianten einige maßgebliche Entscheidungen getroffen, die in der steuerlichen Gestaltungsberatung stets zu beachten sind, um nachteilige Steuerfolgen (vor allem im Bereich der Gewerbesteuer) zu vermeiden.

Die Seitwärtsabfärbung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, 1. Alt. EStG) greift ein, wenn eine Personengesellschaft sowohl nicht-gewerbliche als auch gewerbliche Tätigkeiten ausübt, wobei beide Tätigkeiten steuerlich trennbar sein müssen. Ein typischer Anwendungsfall ist eine Personengesellschaft (Fondsgesellschaft), die z.B. eine Immobilie besitzt und diese fremdvermietet (nicht-gewerbliche, vermögensverwaltende Tätigkeit), aber daneben auch eine Photovoltaikanlage betreibt (gewerbliche Tätigkeit, sofern kein Anwendungsfall des § 3 Nr. 72 EStG). Demgegenüber behandelt die Aufwärtsabfärbung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, 2. Alt. EStG) Beteiligungseinkünfte, die eine vermögensverwaltende Personengesellschaft (Obergesellschaft) aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft (Untergesellschaft) bezieht (z.B. beteiligt sich ein vermögensverwaltender Immobilienfonds an einer gewerblichen Objektgesellschaft). Die Rechtsfolge der beiden Varianten besteht grundsätzlich in einer gewerblichen Abfärbung (Infektion) der ansonsten nicht-gewerblichen Einkünfte der (Ober-)Personengesellschaft. Somit erzielt sie regelmäßig nur gewerbliche Einkünfte (i.S.d. § 15 EStG), die üblicherweise auch der Gewerbesteuer unterliegen.

Der jüngst veröffentlichten BFH-Entscheidung vom 11. Juli 2024 (Az. IV R 18/22) lag der Sachverhalt einer gewerblichen Aufwärtsabfärbung zugrunde. Die Klägerin, eine vermögensverwaltend tätige GbR, erzielte Einkünfte aus der Vermietung einer Immobilie. Zudem ist die GbR an einer anderen Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) beteiligt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG erzielte. Im Streitjahr wurden der GbR von der GmbH & Co KG negative Beteiligungseinkünfte zugewiesen. Bei den zugewiesenen Verlusten handelte es sich um verrechenbare Verluste der Personengesellschaft i.S.d. § 15a EStG. Das Finanzamt qualifizierte die Einkünfte der Klägerin (Vermietung und Verpachtung) aufgrund der bezogenen Beteiligungseinkünfte in solche aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG um.

Im Einspruchsverfahren führte die GbR aus, dass die vom Finanzamt durchgeführte gewerbliche Abfärbung nicht zutreffend gewesen sei. Zum einen wäre eine Bagatellgrenze zu beachten gewesen, die im Streitfall nicht überschritten worden sei. Zum anderen wäre fraglich, ob überhaupt eine Gewinnerzielungsabsicht der GbR im Hinblick auf die Beteiligung bestanden habe, da sie aus der Beteiligung an der GmbH & Co. KG bisher nur Verluste realisiert habe. Aufgrund der negativen Einspruchsentscheidung durch das Finanzamt erhob die GbR Klage, die jedoch vom Finanzgericht Münster (Urteil vom 13. Mai 2022, Az. 15 K 26/20 E,F) erfolglos blieb. Im Rahmen der Revision argumentierte die GbR zudem damit, dass die Aufwärtsabfärbung verfassungswidrig sei.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und das FG-Urteil bestätigt. Der Tatbestand der   Aufwärtsabfärbung war bei der Klägerin im Streitjahr erfüllt, so dass sie ausschließlich "umqualifizierte " gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG) erzielte. Im Einzelnen:

Die Voraussetzungen der Aufwärtsabfärbung lagen im Streitfall vor, da die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an der gewerblich tätigen GmbH & Co. KG schädliche gewerbliche Beteiligungseinkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen hat. Der BFH stellte klar, dass allein eine gewerbliche Beteiligung an einer Personengesellschaft mit Gewerbebetrieb nicht ausreicht, um eine schädliche Aufwärtsabfärbung auszulösen. Vielmehr muss die Obergesellschaft (hier: GbR) auch das Merkmal des " Bezugs " von Beteiligungseinkünften erfüllen. Als "Bezug" der Beteiligungseinkünfte ist die Gewinnzurechnung am Ende des Wirtschaftsjahres als maßgeblich anzusehen (kein Abstellen auf einen tatsächlichen Zufluss von Liquidität). Es kommt allein auf den Bezug von Beteiligungseinkünften an, nicht aber auf deren Höhe. Im Streitfall hatte die GbR aufgrund der bestandskräftigen Grundlagen- und Folgebescheide der GmbH & Co. KG die Beteiligungseinkünfte für Zwecke der Aufwärtsabfärbung "bezogen", so dass der Tatbestand der Aufwärtsabfärbung erfüllt war. 

Der Umstand, dass der GbR lediglich (verrechenbare) Verluste aus der Beteiligung an der GmbH zugerechnet wurde, führte zu keiner abweichenden Beurteilung. Dies ergibt sich bereits auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, 2. Alt. EStG, wonach die Aufwärtsabfärbung unabhängig davon gilt, ob aus der Beteiligung ein Gewinn oder Verlust erzielt (also bezogen) wird. Im Verlustfall spielt es zudem keine Rolle, ob der Obergesellschaft ein sofort abziehbarer oder nur verrechenbarer Verlust i.S.d § 15a EStG zugewiesen wird.

Die Norm des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, 2. Alt. EStG ist zudem gemäß § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 (und damit auch im Streitjahr) anwendbar. Einen Verfassungsverstoß gegen die rückwirkende Anwendung dieser Norm sieht der BFH nicht.

Der Senat hat nochmals bestätigt, dass im Fall einer Aufwärtsabfärbung eine Geringfügigkeitsgrenze (Bagatellgrenze), bis zu deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte der Obergesellschaft abfärben, nicht einschlägig ist. Somit führt einkommensteuerrechtlich jede Beteiligung, aus der die Obergesellschaft gewerbliche Einkünfte bezieht, zu einer Umqualifizierung aller weiteren Einkünfte dieser Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Somit führt auch der Bezug von nur geringfügigen Beteiligungseinkünften zur Aufwärtsabfärbung. Ebenso spielt die Beteiligungshöhe, aus der die Beteiligungseinkünfte erzielt werden, keine Rolle. Dies entspricht ständiger BFH-Rechtsprechung. Die Nicht-Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze ist zudem nach Ansicht des BFH ebenfalls verfassungskonform.

Demgegenüber ist im Fall einer Seitwärtsabfärbung weiterhin eine Geringfügigkeitsgrenze zu berücksichtigen. Die Bagatellgrenze beträgt 3 % des Gesamt-Nettoumsatzes (relativ) sowie 24.500 Euro (absolut) und greift auch bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (BFH vom 30. Juni 2022, BStBl. II 2023, 118).

Das vorstehende Urteil ist für die steuerliche Gestaltungspraxis interessant, da es die aktuelle Rechtsprechung zur Aufwärts- und Seitwärtsabfärbung wiedergibt. Ergänzend ist im Fall einer Aufwärtsabfärbung auf die Besonderheit bei der Gewerbesteuer hinzuweisen. Sie ist im Gegensatz zur Einkommensteuer bei der Gewerbesteuer gerade nicht einschlägig. Nach jüngster BFH-Rechtsprechung unterhält eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die nur im Rahmen einer Aufwärtsabfärbung gewerbliche Einkünfte erzielt, für Zwecke der Gewerbesteuer gerade keinen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG). Diese Norm sei verfassungskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine solche Personengesellschaft mit ihren erzielten Einkünften nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Die Finanzverwaltung hat gegen diese höchstrichterliche Beurteilung mit einem gewerbesteuerlichen Nichtanwendungserlass reagiert. Allerdings kann die Finanzverwaltung ihre gegenteilige Rechtsposition zur verfassungskonformen gewerbesteuerlichen Auslegung der Aufwärtsabfärbung unserer Einschätzung nach aufgrund der sich aus den jüngsten BFH-Entscheidungen wohl entwickelten, gefestigten BFH-Rechtsprechung nicht länger aufrechterhalten.​

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