Verschärfung der Wegzugsbesteuerung durch das Jahressteuergesetz 2024 in Bezug auf Anteile an Investmentfonds

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veröffentlicht am 16. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten

Beabsichtigt ein Steuerpflichtiger, seinen inländischen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufzugeben und damit seine inländische unbeschränkte Steuerpflicht zu beenden, kann es zur Anwendung der sog. "Wegzugsbesteuerung " i.S.d. § 6 AStG kommen. Allerdings setzt dieser "klassische" Wegzug voraus, dass der wegziehende Steuerpflichtige Anteile an Kapitalgesellschaften in seinem Privatvermögen hält und die Beteiligung mindestens 1% im Sinne des § 17 EStG beträgt. Löst der Steuerpflichtige durch seinen Wegzug ins Ausland die Wegzugsbesteuerung aus, fingiert das Gesetz eine steuerpflichtige Veräußerung der besagten Gesellschaftsanteile mit dem Ergebnis, dass eventuelle stille Reserven in den fiktiv veräußerten Anteilen im Wegzugszeitpunkt aufgedeckt werden. Ein sich ergebener fiktiver Veräußerungsgewinn unterliegt der laufenden Besteuerung (grundsätzlich im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens). Der wesentliche Nachteil der Wegzugsbesteuerung besteht für den Steuerpflichtigen darin, dass ihm aufgrund der Anteilsveräußerungsfiktion keine entsprechende tatsächliche Liquidität zufließt. Mit der Wegzugsbesteuerung zielt der Gesetzgeber auf eine Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven in den Kapitalgesellschaftsanteilen in Deutschland ab. 

Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Wegzugsbesteuerung nicht nur durch den tatsächlichen Wegzug ins Ausland, sondern daneben auch in folgenden Fällen ausgelöst werden kann: 

    • ​Die unentgeltliche Übertragung der besagten Anteile auf nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen;
      • ​Der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der besagten Anteile.


Nach bisheriger Rechtslage konnten Steuerpflichte die Anwendung der steuerlich nachteiligen Wegzugsbesteuerung mit Hilfe der Investmentbesteuerung umgehen. Steuerpflichtige konnten in einem ersten Schritt einen "eigenen" Investmentfonds durch eine Kapitalverwaltungsgesellschaft auflegen. In einem zweiten Schritt hat der Steuerpflichtige entweder "schädliche" Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 EStG in einen solchen Investmentfonds eingelegt oder der Investmentfonds hat unmittelbar besagte Anteile erworben. In diesen Fällen, in denen der Steuerpflichtige Anteile an einem investmentsteuerrechtlichen Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds in der Rechtsform eines Sondervermögens hielt, war die Wegzugsbesteuerung nicht anwendbar. Ein Anteil an einem Sondervermögen ist nämlich kein Anteil im Sinne des § 17 EStG für Zwecke der Wegzugsbesteuerung.

Mit dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2024, das zwischenzeitlich am 05.12.2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, hat der Gesetzgeber die vorstehend skizzierten Besteuerungslücken bzw. Steuerumgehungsgestaltungen durch die Ausdehnung der Wegzugsbesteuerung auf Investmentanteile bzw. Spezial-Investmentanteile geschlossen. Zugleich wird mit dieser wesentlichen Verschärfung der Wegzugsbesteuerung die bisherige, unklare Rechtslage, ob auch Anteile an Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zum Ausschluss der Wegzugsbesteuerung führen, beseitigt.

Mit den Neuregelungen im Investmentsteuergesetz (InvStG) werden die Vorschriften der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) nachgebildet und an die Besonderheiten des Investmentsteuerrechts angepasst. Die Änderung des § 19 Abs. 3 InvSt​G n.F. erweitert die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung auf Anteile an Investmentfonds (sog. "Kapital 2-Fonds") und § 49 Abs. 5 InvStG n.F. auf Anteile an Spezial-Investmentfonds (sog. "Kapital 3-Fonds"). Im Fall des klassischen Wegzugs ins Ausland, der Wohnsitzverlagerung mit Ausschluss oder Beschränkung des deutschen DBA-Besteuerungsrechtes in Bezug auf den Gewinn aus der Veräußerung des Investmentanteils bzw. der unentgeltliche Anteilsübertragungen kommt es zu einer fiktiven Veräußerung der vom Steuerpflichtigen gehaltenen (Spezial-)Investmentfondsanteile.

Erfasst werden durch § 19 Abs. 3 bzw. § 49 Abs. 5 InvStG n.F. Anteile an inländischen und ausländischen Fonds und zwar unabhängig davon, ob sie in inländischen oder ausländischen Depots verwahrt werden. Bei dem Steuerpflichtigen muss es sich um eine natürliche Person handeln, die die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 6 Abs. 2 AStG erfüllt (d.h. unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland für mindestens sieben der letzten zwölf Jahre) und die die relevanten (Spezial-)Investmentfondsanteile unmittelbar oder mittelbar (z.B. über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft) im Privatvermögen hält. Sofern die Investmentanteile im Betriebsvermögen gehalten werden, unterliegen sie nicht der Neuregelung. In diesem Fall gehen die allgemeinen gewerblichen Entstrickungstatbestände (z.B. § 4 Absatz 1 Satz 3 ff. EStG) vor.

Die Verschärfung der Wegzugsbesteuerung erfasst jedoch im Hinblick auf Anteile an Investmentfonds nicht alle Privatpersonen, sondern nur "gewichtige" Fälle. Vielmehr setzt § 19 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 InvStG n.F. voraus, dass der Steuerpflichtige (i) entweder zu einem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre unmittelbar bzw. mittelbar zu mindestens 1 % am Investmentfonds beteiligt war oder (ii) Anschaffungskosten in Bezug auf seine Anteile an demselben Investmentfonds im fiktiven Veräußerungszeitpunkt in Höhe von mind. EUR 500.000 aufgewendet hat. Mehrere Beteiligungen an verschiedenen Investmentfonds werden dabei aber nicht zusammengerechnet. Demgegenüber gewährt § 49 Absatz 5 InvStG n.F. für Anteile an Spezial-Investmentfonds keine Schwellenwerte im Hinblick auf die Anwendung der Wegzugsbesteuerung. Der Gesetzgeber geht bei Beteiligungen an Spezial-Investmentfonds generell von gewichtigen Fällen aus.

Die verschärfte Wegzugsbesteuerung für (Spezial-)Investmentfondsanteile findet erstmalig ab dem 01.01.2025 Anwendung. Kommt es zu einer Wegzugsteuer auf Fondsanteile, ist diese – wie auch im Fall des § 6 AStG - im Rahmen der Einkommensteuerdeklaration des Steuerpflichtigen Anlegers zu erklären. Eine Pflicht zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer besteht hingegen nicht.

Darüber hinaus greifen für Anteile an (Spezial-)Investmentfonds aufgrund des gesetzlichen Verweises auf § 6 Abs. 2 bis 5 AStG die Regelungen zur Entstehung, zum Entfallen sowie zur Fälligkeit und zu Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten. Insofern sind auch die Stundungs- und Rückkehrerregelungen i.S.d. § 6 AStG sowie deren Restriktionen einschlägig.

Mit der Einführung einer Wegzugsbesteuerung auch für (Spezial-)Investmentanteile kommt es im Ergebnis zu einer wesentlichen Verschärfung in Fällen der tatsächlichen Wohnsitzverlegung ins Ausland, der unentgeltlichen Anteilsübertragungen oder des Ausschlusses bzw. der Beschränkung des deutschen DBA-Besteuerungsrechtes bei Anteilsveräußerungen. Die Wegzugssteuer wird zukünftig nicht nur im Hinblick auf Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 EStG, sondern auch in Bezug auf bestimmte (Spezial-)Investmentfondsanteile ausgelöst, die der Steuerpflichtige im Privatvermögen hält. Daher sollten betroffene Steuerpflichtige die Neureglungen der Wegzugsbesteuerung beachten, vor allem aber sollten sie ihr Portfolio auf eventuelle Steuerrisiken prüfen und es bei Bedarf im Hinblick auf eventuell einschlägige Schwellenwerte ggf. diversifizieren bzw. restrukturieren.​


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Frank Dißmann

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