BFH hält Verlängerung alter grunderwerbsteuerlicher Sperrfristen durch Rechtsänderung 2021 für zweifelhaft

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veröffentlicht am 16. Juni 2025​​​​ | Lesedauer ca. 3 Minuten


Mit am 02.05.2025 veröffentlichtem Beschluss BFH II B 54/24 vom 10.04.2025 hat der Bundesfinanzhof (BFH) ernstliche Zweifel geäußert, ob die Verlängerung der Nachbehaltefrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG von fünf auf zehn Jahre im Zuge der Grunderwerbsteuerreform zum 01.07.2021 Anwendung findet, wenn die Sperrfrist bereits vor dem Stichtag 01.07.2021 angelaufen war.

Auch wenn die Entscheidung des BFH lediglich im Verfahren über einen Antrag zur Aussetzung der Vollziehung (AdV) und damit im einstweiligen Rechtsschutz und nur unter kursorischer Prüfung erging, bestätigt sie die vorläufige Rechtsauffassung des Finanzgerichts Düsseldorf (11 V 1325/24 A (GE)) vom 09.09.2024 und stützt die zwischenzeitlich ganz herrschende Literaturmeinung. Die Entscheidung betrifft Grundstücksbewegungen zwischen oder auf Personengesellschaften, je nach Konstellation aber auch Share Deals unter Beteiligung von Personengesellschaften.

Der BFH leitet seine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Verlängerung solcher Sperrfristen, die vor dem 01.07.2021 unter altem Recht entstanden, aber bis zum 30.06.2021 noch nicht abgelaufen waren, aus einer Widersprüchlichkeit der Übergangsvorschriften zur damaligen Grunderwerbsteuerreform ab. Die allgemeine Anwendungsvorschrift des § 23 Abs. 18 GrEStG sieht eine Geltung neuen Rechts für Erwerbsvorgänge vor, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht werden. Unter "Erwerbsvorgang" sind aber nach gesetzlicher Definition die Steuerbarkeitstatbestände zu verstehen, also im Ergebnis diejenigen Vorgänge, die eine Sperrfrist begründen, nicht solche, die zu deren Verletzung führen können. Die spezielle Übergangsvorschrift des § 23 Abs. 24 GrEStG regelt dagegen, dass es nicht zu einer Verlängerung der Nachbehaltefrist kommt, wenn diese bereits vor dem Stichtag 01.07.2021 abgelaufen war – im Umkehrschluss könnte hieraus abgeleitet werden, dass die Neuregelung in anderen Fällen eine Verlängerung auch alter Sperrfristen beabsichtigt.

In zeitlicher Hinsicht sind im Ergebnis Konstellationen angesprochen, bei denen Befreiungen z.B. nach § 6 Abs. 3 GrEStG für nach dem 30.06.2016, aber vor dem 01.07.2021 erfolgte Grunderwerbsteuertatbestände gewährt wurden; nur für solche war eine fünfjährige Sperrfrist zum Inkrafttreten neuen Grunderwerbsteuerrechts am 01.07.2021 noch nicht abgelaufen:

Beispiel:

Die AB-OHG verkauft am 01.04.2019 ein Grundstück an die AB-KG. Am Vermögen beider Gesellschaften sind A und B jeweils hälftig seit 2013 oder früher beteiligt. Für den Grundstücksverkauf wird die Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG gewährt (Vorbesitzzeit nach altem Recht von mindestens 5 Jahren ist eingehalten). Am 01.01.2027 verkauft und überträgt B nunmehr seinen Anteil an der AB-KG an den fremden Dritten D.

Denkbare Lösung 1 (nach derzeitiger Ansicht Finanzverwaltung):

Die Grunderwerbsteuerbefreiung hat in 2019 eine fünfjährige Nachbehaltefrist ausgelöst; über diese Sperrfrist müssen die Beteiligungen der Gesellschafter der Erwerberin gegenüber denjenigen der damaligen Veräußerin unverändert bleiben. Die ursprünglich in 2019 geforderten 5 Jahre wären beim Anteilsverkauf B an D (2027) abgelaufen gewesen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung hat sich durch das Inkrafttreten neuen Grunderwerbsteuerrechts Mitte 2021 die Sperrfrist allerdings auf 10 Jahre verlängert, nachdem die alte Frist von 5 Jahren zum 01.07.2021 noch nicht abgelaufen war. Die Anteilsveräußerung B an D in 2027 führt infolgedessen nach Finanzverwaltung zu einer Sperrfristverletzung und damit zu einer anteiligen Nachversteuerung.

Denkbare Lösung 2 (vom BFH nach AdV-Beschluss II B 54/24 als möglich angesehen):

Der Beschluss BFH II B 54/24 hält unter Fokussierung auf § 23 Abs. 18 GrEStG mit guten Gründen auch folgende Lösung für denkbar: Die Übergangsvorschrift regelt die Geltung neuen Rechts für Erwerbsvorgänge ab 01.07.2021. Maßgeblicher "Erwerbsvorgangv ist jedoch der Grundstückskauf 2019, nicht die (selbst nicht steuerbare) Anteilsveräußerung in 2027. Damit kann es bereits nach der grundlegenden Anwendungsvorschrift nicht zu einer Verlängerung der Sperrfrist gekommen sein. Die Anteilsveräußerung in 2027 erfolgt bei dieser Betrachtung erst nach abgelaufener Sperrfrist und führt somit zu keiner Nachversteuerung.

Die Rechtslage bleibt, da der BFH lediglich ernstliche Zweifel an einer Sperrfristverlängerung signalisiert hat, einstweilen nicht final geklärt. Steuerpflichtige haben jedoch die Möglichkeit, unter Berufung auf den Beschluss in geeigneten Fällen AdV zu beantragen. Außerdem sollten bis zum Ergehen einer Hauptsacheentscheidung des Finanzgerichts und später ggf. des BFH tunlichst Bescheide im Einspruchswege "offen" gehalten werden, wenn sie unter Berufung auf eine Sperrfristverletzung eine Nachversteuerung eines vor 01.07.2021 erfolgten Übertragungsvorgangs feststellen und die Verletzung später als fünf Jahre nach dem begünstigten Vorgang erfolgte. Die Finanzbehörden werden vorerst weiter auf ihrer Meinung bezüglich einer Verlängerung der Behaltensfrist für ab dem 01.07.2016 verwirklichte Steuerbarkeitsvorgänge auf zehn Jahre beharren, zumal diese Auslegung des § 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG im Gleich Lautenden Ländererlass (GLE) zu §§ 5 und 6 GrEStG vom 05.03.2024, dort Rn. 40, explizit festgehalten wurde. Viele Finanzämter hatten in den Jahren 2023 und 2024 Steuerpflichtige mit unerledigten alten Sperrfristen angeschrieben und deren Verlängerung behauptet. Wir empfehlen auch bezüglich solcher individueller Hinweisschreiben eine Verwaltungsakts-Qualität zu prüfen und fristgerecht Einspruch einzulegen (bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung ggf. innerhalb der Einjahresfrist des § 356 Abs. 2 AO).


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Franz Lindner

Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater

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