Risiko der erweiterten beschränkten Steuerpflicht bei Wohnsitzwechsel nach Großbritannien aufgrund einer Vorzugsbesteuerung

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veröffentlicht am 16. Juni 2025 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Plant eine in Deutschland steuerlich ansässige, deutsche Privatperson seinen inländischen Wohnsitz aufzugeben, um ihn dauerhaft ins Ausland zu verlegen, endet die deutsche Besteuerung nicht mit einer möglichen Wegzugssteuer i.S.d. § 6 AStG. Vielmehr muss der Steuerpflichtige auch bei einer erfolgreichen Wohnsitzaufgabe in Deutschland und einer neuer Wohnsitzbegründung im Ausland für eine maximale Dauer von 11 Jahren die Regelungen der deutschen erweiterten beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 AStG im Blick behalten, vorausgesetzt, er erfüllt bestimmte gesetzliche Voraussetzungen. So muss sich der Steuerpflichtige für einen Wohnsitzwechsel in ein niedrig besteuertes Ausland entschieden haben und weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland besitzen. Kommt es somit zur Anwendung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 AStG, ist der Steuerpflichtige über die deutsche beschränkte Steuerpflicht hinaus grundsätzlich mit allen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind.

Der Gesetzgeber geht für Zwecke der erweiterten beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 2 AStG insbesondere dann von einer niedrigen Besteuerung aus, wenn das Ausland dem Zugezogenen eine sog. " Vorzugsbesteuerung " gewährt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist allgemein von einer solchen Vorzugsbesteuerung auszugehen, wenn die Einkommensteuerbelastung des Zugezogenen gegenüber dem dortigen allgemeinen Besteuerungssystem aufgrund persönlicher Kriterien erheblich gemindert ist (Privilegierung der Besteuerung).

Insofern kann auch eine Wohnsitzverlegung nach Großbritannien schädlich sein. Der Begriff der Vorzugsbesteuerung ist zwar gesetzlich nicht definiert, aber die Finanzverwaltung hat die (bisherige) britische "remittance Basis " -Besteuerung als eine solche schädliche Vorzugsbesteuerung eingestuft. Nach diesem Besteuerungssystem unterlagen ausländische Einkünfte in Großbritannien nur dann der Besteuerung, wenn sie nach Großbritannien überwiesen wurden und der Steuerpflichtige zwar im Vereinigten Königreich den Status als ansässig (" resident ") besaß, jedoch nicht über ein britisches "domicile" verfügte.

In dem jüngst veröffentlichten Urteil vom 14.01.2025 (Az. IX R 37/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Gelegenheit gehabt, über diese Einordnung der britischen "remittance-Basis  -Besteuerung durch die Finanzverwaltung als schädliche Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 AStG zu entscheiden. Großbritannien hat zwar im April 2025 die "remittance- Basis" -Besteuerung abgeschafft und durch die sog. "Foreign Income and Gains (FIG)" -Besteuerung ersetzt (siehe hierzu nachstehende Hinweise), aber auch mit dem neuen Besteuerungsregime kann eine vergleichbare begünstige Besteuerung von Zugezogenen wie mit der bisherigen "remittance Basis"-Besteuerung erzielt werden. Aus diesem Grund dürften die Ausführungen in der aktuellen BFH-Entscheidung unverändert auch für die Beurteilung des neuen britischen Besteuerungsregimes als mögliche schädliche Vorzugsbesteuerung von Bedeutung sein. Zudem gewähren auch andere Länder (z.B. Zypern, Irland) Zuwanderern Besteuerungsvorteile, so dass die Abgrenzungskriterien, die der BFH jüngst aufgestellt hat, auch für die außensteuerrechtliche Beurteilung in Bezug auf diese Länder zurückgegriffen werden kann.

Im Streitfall hat die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, ihren deutschen Wohnsitz aufgegeben und ist im Jahr 2000 nach Großbritannien verzogen. Im Streitjahr 2006 erzielte die Klägerin u.a. deutsche Einkünfte aus Kapitalvermögen, die jedoch nicht nach Großbritannien transferiert wurden. Das deutsche Finanzamt berücksichtigte die Kapitaleinkünfte im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht der Klägerin gemäß § 2 AStG, da es der Auffassung war, die Klägerin erfüllte die Voraussetzung einer Vorzugsbesteuerung. Sie unterlag nämlich in Großbritannien als Zugezogene der bevorzugten "remittance Basis"-Besteuerung. Diese Beurteilung wurde vom Finanzgericht (FG) München (Urteil vom 26.03.2021, Az. 8 K 883/17) bestätigt.

Die Revision gegen die FG-Entscheidung hat der BFH als unbegründet zugewiesen. Auch nach Ansicht des Senats ist die "remittance Basis"-Besteuerung als eine gegenüber der allgemeinen Besteuerung bestehende Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 AStG einzuordnen. Nach Auffassung des BFH liegt eine niedrige Besteuerung i.S.d. § 2 AStG unter anderem vor, wenn die durch die Einkommensteuer im ausländischen Gebiet auferlegte Belastung der Person erheblich gemindert wird, weil ihr im Vergleich zur allgemeinen Besteuerung eine Vorzugsbesteuerung gewährt wird. Dies gilt jedoch nicht, sofern die Person nachweisen kann, dass die insgesamt auf ihr Einkommen zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer entsprechen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG hätte zahlen müssen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Im Streitfall hatte die Klägerin diesen konkreten Belastungsnachweis nicht geführt.

Eine Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 AStG wiederum liegt vor, wenn einem Zugezogenen erhebliche Steuervorteile aufgrund persönlicher Merkmale gewährt werden, die an seine Ansässigkeit geknüpft sind. Diese Vorteile werden jedoch der Allgemeinheit der dort ansässigen übrigen Bürger nicht gewährt. Die (damalige) britische "remittance Basis"-Besteuerung für Zugewanderte erfüllte diese Anforderungen an eine Vorzugsbesteuerung. Ein quantitativer Schwellenwert für das Vorliegen einer vom Gesetz geforderten "erheblichen" Minderung der Steuerlast ist nicht einzuhalten. Darüber hinaus ist es unerheblich, ob die Vorzugsbesteuerung tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Vielmehr ist es aufgrund der gesetzlichen Formulierung ("kann") ausreichend, dass lediglich die Option zur Vorzugsbesteuerung besteht und der Zugezogene die persönlichen Anforderungen erfüllt.

Abschließend führt der BFH aus, dass die Regelungen zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 2 AStG sowohl mit den deutschen verfassungsrechtlichen Grundsätzen als auch mit den relevanten unionsrechtlichen Grundfreiheiten (Kapitalverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit) vereinbar sind.

Hinweis:

Die britische die "Remittance-Basis"-Besteuerung wurde zum 05.04.2025 abgeschafft und durch das neue Besteuerungsregime für Foreign Income and Gains (FIG) ersetzt. Eine wichtige Änderung, die mit dieser Reform einhergeht, ist die Abschaffung der auf dem "domicile"-Status basierenden Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs. Künftig wird der Steuerstatus ausschließlich durch den Wohnsitz und nicht durch das Domizil bestimmt.

Die Anwendung des neuen FIG-Besteuerungsregimes können zugezogene Steuerpflichtige beantragen, wenn sie in den letzten zehn Jahren nicht in Großbritannien steuerlich ansässig waren, jedoch ab dem 06.04.2025 ihren Wohnsitz dort begründen. Erfüllen die Personen diese Voraussetzungen, erhalten sie für die ersten vier Steuerjahre auf Antrag eine vollständige Steuerbefreiung auf ihre ausländischen Einkünfte und Gewinne. Im Gegensatz zur "remittance Basis"-Besteuerung gilt dies unabhängig davon, ob die ausländischen Einkünfte nach Großbritannien transferiert werden oder nicht. Insofern ist die FIG-Regelung durchaus attraktiv, denn die Privatpersonen sind zum einen nicht verpflichtet, ihre ausländischen Einkünfte außerhalb des Vereinigten Königreichs zu halten. Zum anderen können sie ihre ausländischen Einkünfte und Gewinne in das Vereinigte Königreich transferieren, ohne während des 4-jährigen Entlastungszeitraums eine britische Steuer zahlen zu müssen. Nachteilig bleibt jedoch, dass sämtliche Einkünfte und Gewinne der Zugezogenen nach Ablauf dieser vier Jahre unabhängig von ihrer Herkunft in Großbritannien zu versteuern sind.

Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Finanzverwaltung das neue FIG-Besteuerungsregime ebenso wie die alte "remittance Basis"-Besteuerung als sog. Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 AStG einordnen wird. Zwar ist die aktuelle BFH-Entscheidung zum alten Besteuerungsregime ergangen, dennoch dürften die dort getroffenen Ausführungen auch für die steuerliche Beurteilung der Neuregelung wertvoll sein. Es ist unserer Ansicht nach nicht auszuschließen, dass auch die FIG-Regelungen als eine schädliche Vorzugsbesteuerung für AStG-Zwecke anzusehen sind, zumindest für den Entlastungszeitraum von 4 Jahren. Denn für diesen Zeitraum liegt eine endgültig wirkende Steuerfreistellung vor, so dass von einer niedrigen Besteuerung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG auszugehen sein dürfte. Darüber hinaus bleiben die Ausführungen im BFH-Urteil vom 14.01.2025 auf jeden Fall für ähnliche steuerliche Privilegierungen von Zugezogenen in anderen Ländern von praktischer Bedeutung, so dass sie bei der steuerlichen Planung einer Wohnsitzverlegung ins Ausland berücksichtigt werden sollten.​ 


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