Vereinbarkeit der Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG mit dem Unionsrecht

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​Mit dem am 10. Februar 2016 veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. November 2015 (VIII R 27/12) gibt es nunmehr eine weitere Entscheidung zur pauschalen Ermittlung der Kapitalerträge gemäß § 6 Investmentsteuergesetz. Bereits mit Datum vom 9. Oktober 2014 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-326/12 „van Caster und van Caster" entschieden, dass § 6 des Investmentsteuergesetzes (InvStG) an das Unionsrecht anzupassen sei. Das Bundesfinanzministerium reagierte mit Schreiben vom 28. Juli 2015 auf das EuGH-Urteil mit einer Übergangsregelung. Beim Vorliegen entsprechender Nachweise wird danach von der Pauschalbesteuerung für Erträge aus EU/EWR-Investmentfonds Abstand genommen. Dieser Gebietseinschränkung erteilte der BFH nun eine Abfuhr.

In dem Verfahren hatte die verheiratete und mit ihrem Ehemann zusammen veranlagte Klägerin im Jahr 2004 Einkünfte aus US-amerikanischen Fonds erzielt, die die Veröffentlichungs- und Bekanntmachungspflichten nicht erfüllt hatten. Die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen enthielten auch Einkünfte aus Ausschüttungen der Investmentfonds, jedoch keine gemäß § 6 InvStG, da diese nach Meinung der Klägerin nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Das Finanzamt (Beklagte) setzte die Steuer erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und forderte die Klägerin auf, eine Einkünfteermittlung nach § 6 InvStG vorzulegen.

Im anschließenden Einspruchsverfahren legte die Klägerin eine pauschale Einkünfteermittlung nach § 6 InvStG vor, die im Laufe des Verfahrens korrigiert wurde und führte weiterhin aus, dass § 6 InvStG gegen das Unionsrecht verstoße. Das Finanzamt berücksichtigte die vorgelegten Einkünfteermittlungen unverändert bei den Steuerfestsetzungen. Hiergegen richtete sich die vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg erhobene Klage. Das Finanzgericht hatte jedoch keine Bedenken, dass die pauschale Besteuerung von Erträgen aus ausländischen schwarzen Investmentfonds gemäß § 6 InvStG gegen das Verfassungsrecht verstoße oder gar eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstelle und wies die Klage ab. Der daraufhin eingelegten Revision gab der BFH recht.

Auch in Drittstaatenfällen sei, ebenso wie bei Erträgen aus EU/EWR-Investmentfonds, die Anwendung des § 6 InvStG nicht unumgänglich, da auch hier die Kapitalverkehrsfreiheit entsprechend Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu berücksichtigen ist. Ausgehend vom EuGH-Urteil dürfen die Kapitalerträge nicht schon deshalb pauschal ermittelt werden, weil die ausländischen Fonds keine den Anforderungen des § 5 InvStG genügenden Angaben gemacht haben (entgegen dem BMF-Schreiben vom 28. Juli 2015).

Auch falle § 6 InvStG, entgegen der Vorgängervorschrift § 18 Abs. 3 AuslInvestmG, nicht unter die Stillhalteklausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV. Die Vorgängervorschrift stimmt nicht im Wesentlichen mit § 6 InvStG überein, da dieser als eine auf einem neuen Grundgedanken basierende Regelung zu beurteilen ist.

Wie im EuGH-Urteil ist die „Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle" als einziger Rechtfertigungsgrund der Pauschalbesteuerung auch im Verhältnis zu US-amerikanischen Investmentfonds nicht einschlägig. Selbst wenn die Investmentfonds ihren Veröffentlichungspflichten nicht nachkommen, sei es nicht auszuschließen, dass entsprechende Belege durch die Steuerpflichtigen vorgelegt werden könnten, aus denen die notwendigen Besteuerungsgrundlagen zu entnehmen sind.

Die für die Steuerpflichtigen positiven Urteile gehen sogar noch weiter und nehmen die Finanzverwaltung in die Pflicht, bei lückenhaften oder unvollständigen Angaben den Sachverhalt selbständig aufzuklären. Dies hat ungeachtet des Verwaltungsaufwands zu erfolgen. Hierzu sind nicht nur der interne Informationsaustausch innerhalb der deutschen Finanzverwaltung, sondern auch Informationen von Behörden anderer Staaten zu nutzen, sofern zwischenstaatliche Vereinbarungen zum Informationsaustausch bestehen. Da in der Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen Regelungen zum Informationsaustausch und zur Amtshilfe enthalten sind und innerhalb des EU/EWR-Raumes der länderübergreifende Informationsaustauch durch die Amtshilfe-Richtlinie eröffnet ist, sollte die Anwendung der Pauschalbesteuerung nach § 6 InvStG in Zukunft nicht mehr so häufig zum Tragen kommen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf das Urteil reagiert und vielleicht schon im kommenden Investmentsteuer-Reformgesetz hierzu Anpassungen vornimmt.

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Martin Widder

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