Außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen

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aktualisiert am 4. Mai 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

von Dr. Reinhard Göbel

    

Rechtsstreitigkeiten im Bauwesen gehören zu den langwierigsten und kostspieligsten gerichtlichen Auseinandersetzungen. Im Fokus stehen dabei oft weniger rechtliche Aspekte, sondern vielmehr komplexe bautechnische Probleme. Sie erfordern die Hinzuziehung von Sachverständigen unterschiedlicher Gewerke und die Fertigung umfangreicher Gutachten und verursachen dadurch zusätzliche zeitliche und finanzielle Belastungen für die streitenden Parteien. Und das mit nur begrenztem Erfolg: Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts lag die Erfolgsquote der Kläger in gerichtlichen Baukonflikten im Jahr 2014 in erster Instanz bei lediglich 53 Prozent und in zweiter Instanz bei noch dürftigeren 14 Prozent.
 
 

 

Die Vorteile alternativer Streitbeilegung

Die daraus resultierende Ineffizienz gerichtlicher Bauprozesse weckt den Bedarf von alternativen Konflikt­lösungsstrategien. Dafür stehen den streitenden Bauvertragsparteien und öffentlichen Auftraggebern verschiedene Verfahren zur Verfügung, für die sich auch hierzulande der Begriff der Alternative Dispute Resolution (ADR, Alternative Streitbelegung) als Oberbegriff durchgesetzt hat. Gemeinsames Merkmal der Verfahren ist eine in aller Regel deutlich kürzere Verfahrensdauer und eine gegenüber den zwingenden Rechtsvorschriften des Zivilprozesses flexiblere Ausgestaltung des Verfahrens. Die Vorzüge hat auch der Gesetzgeber erkannt und realisiert, indem er in einigen Bundesländern die Anwendung eines außerge­richtlichen Schlichtungsverfahrens für bestimmte Baustreitigkeiten vorgeschrieben hat, die vor Einleitung eines Gerichts­prozesses zu absolvieren sind. Dadurch werden auch die Gerichte entlastet.

 

Außergerichtliche Konfliktlösungsverfahren

Der Großteil alternativer Streitbeilegungsverfahren geht auf die Initiative von Expertenkreisen der öffentlichen Hand und der Bauwirtschaft zurück. So sieht die vom Vergabe- und Vertragsausschuss erlassene und in unregelmäßigem Turnus an sich ändernde rechtliche und bautechnische Anforderungen angepasste Vergabe- und Vertragsordnung (VOB) in § 18 Abs. 2 bei Meinungsverschiedenheiten bei Verträgen mit Behörden vor, dass der Auftragnehmer zunächst die der auftraggebenden Stelle unmittelbar vorgesetzte Stelle anrufen soll. Sie soll dem Auftragnehmer Gelegenheit zur mündlichen Aussprache geben und ihn möglichst innerhalb von 2 Monaten nach der Anrufung schriftlich bescheiden. Erhebt der Auftragnehmer daraufhin nicht binnen 3 Monaten nach Eingang des Bescheids schriftlich Einspruch beim Auftraggeber, so gilt die Entscheidung als anerkannt. Das Verfahren hat sich für eine Vielzahl öffentlicher Bauaufträge so gut zur Streitbeilegung bewährt, dass die Vereinbarung eines Verfahrens zur Streit­beilegung in § 18 Abs. 3 VOB/B auch im Übrigen ausdrücklich zugelassen und bereits für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses empfohlen wurde.

  

Seit Anfang 2010 gilt zusätzlich die durch eine Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.  und dem Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e.V. geschaffene Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau), die den Konfliktparteien einen verlässlichen und berechenbaren Rahmen bieten soll. Die auf der Schieds­gerichts­ordnung von 1909 basierende SL Bau sieht vier von den Vertragsparteien nach Wunsch zu vereinbarende Streitlösungsmechanismen vor: Schlichtung, Mediation, Adjukation und Schiedsverfahren. 

 

Prinzipien der Streitlösungsordnung für das Bauwesen

Allen 4 genannten in der SL Bau geregelten Verfahrensarten liegen folgende gemeinsame Prinzipien zugrunde:
  • absolute Vertraulichkeit durch Nichtöffentlichkeit,
  • persönliche Teilnahme der Konfliktparteien am Verfahren (bei juristischen Personen deren Organe),
  • Förderung zügiger Lösung durch angemessene Fristen und ausreichende Termine,
  • Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der eingesetzten Streitlöser,
  • keine Anrufung eines ordentlichen Gerichts oder Schiedsgerichts vor Beendigung des jeweils ausgewählten Konfliktlösungsverfahrens sowie
  • gleichmäßige Aufteilung der Verfahrenskosten unter den Konfliktparteien.

 

Zur Verstärkung der Wahrnehmung der bestehenden Alternativen zur Außergerichtlichen Streitbeilegung im Bauwesen (ASB) wurde von interessierten Baufachkreisen eigens die Gesellschaft für Außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die proaktive Nutzung der außer­gerichtlichen Konfliktlösungsverfahren zu fördern und die Umsetzung vorhandener Initiativen und Empfehlungen zu unterstützen. Neben den vorgenannten Verfahrensarten der SL Bau sind noch die Streit­beilegung durch Schiedsgutachten und durch sog. Dispute Boards als eingeführte Mechanismen zu erwähnen.

 

Fazit

Die außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen bietet ein Spektrum an effizienten Alternativen zu gerichtlichen Bauprozessen. Sie trägt nicht nur zu einer mitunter erheblichen Beschleunigung der Lösung komplexer techniklastiger Konflikte bei, sondern auch zu einer Verringerung der Verfahrenskosten und dient darüber hinaus dem Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei – meist die Auftragnehmerseite – vor einer unangemessenen und bisweilen sogar existenzbedrohenden Verzögerung. Daher ist ihr eine weitere intensive Förderung und Verbreitung zu wünschen.

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