Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in Matrixstrukturen: Umsetzbarkeit nach dem BetrVG

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Immer mehr Konzerne, aber auch Unternehmens­gruppen, werden in einer Matrixstruktur geführt. Dadurch werden die Personalabteilungen der Konzernunternehmen bzw. der einzelnen Unternehmen einer Gruppe nicht nur vor Herausforderungen beim Individualarbeitsrecht gestellt. Sie müssen sich zudem immer wieder fragen, wie die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in einer Matrixstruktur funktionieren.
 

Der Betriebsbegriff als Ansatzpunkt für Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte

Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz setzen i.d.R. am Betriebsbegriff an. Nach der Rechtsprechung ist der Betrieb eine organisatorische Einheit, in der ein Arbeitgeber allein oder zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Außerdem gilt das Betriebsverfassungsgesetz nach dem Territorialitätsprinzip nur für in Deutschland liegende Betriebe. Besonders in internationalen Konzernen mit ausländischer Konzernspitze oder im Ausland angesiedelter Unternehmer finden sich klassischerweise Matrixstrukturen, wenngleich sie inzwischen auch in Deutschland immer verbreiteter sind.

Der Betrieb nach dem Betriebsverfassungsgesetz setzt nach der Rechtsprechung ein Mindestmaß an Organisation voraus. In Matrixstrukturen sind Weisungsbefugnisse und Führungsaufgaben oft bei einer Führungskraft angesiedelt, deren Arbeitgeber nicht derselbe Arbeitgeber wie der des Arbeitnehmers ist, den diese Führungskraft anweist. Um eine Flucht aus dem Betriebsverfassungsgesetz durch Matrixstrukturen zu vermeiden, darf es jedoch nicht darauf ankommen, wie unternehmensübergreifende Berichtslinien oder Leitungsfunktionen organisiert sind. Wesentlich muss bleiben, in welche betrieblichen Abläufe Arbeitnehmer integriert sind und selbst wenn Berichtslinien und Leitung außerhalb des Vertragsarbeitgebers delegiert sind, müssen diese Leitungsentscheidungen dem Vertragsarbeitgeber des in einer Matrixstruktur tätigen Arbeitnehmers zugerechnet werden.

Sollte ein Mindestmaß an Organisation in einer Matrixstruktur nicht mehr darstellbar und damit der klassische Betriebsbegriff nicht erfüllt sein, so ist über eine alternative betriebsverfassungsrechtliche Struktur gem. § 3 BetrVG nachzudenken. Denkbare Formen sind dabei Spartenbetriebsräte nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG oder andere Arbeitnehmervertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

Auswirkungen einer Matrixstruktur auf die unterschiedlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des BetrVG

Besonderheiten im Hinblick auf die einzelnen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG entstehen in Matrixstrukturen nur dann, wenn ein Arbeitnehmer nicht nur bei seinem Vertragsarbeitgeber, sondern unter Umständen in gewissem Umfang zusätzlich in einer steuernden Einheit eingegliedert ist. Auch in solchen Fällen ist Ansprechpartner des Betriebsrats immer das Unternehmen, in dem der Betriebsrat ansässig ist.

Wird ein Arbeitnehmer nicht nur bei seinem Vertragsarbeitgeber eingesetzt, sondern unterliegt neben fachlichen auch disziplinarischen Weisungsrechten samt Kompetenz zur Leistungsbeurteilung einer Führungskraft in der steuernden Einheit, so ist zu überlegen, ob dadurch bei der steuernden Einheit eine Einstellung vorliegt. Dadurch würden Mitbestimmungs-rechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten ausgelöst. Bei einer Veränderung des Arbeitsregimes könnte auch an eine Versetzung beim Vertragsarbeitgeber gedacht werden, durch die Mitbestimmungsrechte des dortigen Betriebsrats ausgelöst werden könnten.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich in Matrixstrukturen nur fachliche Weisungsrechte auf die Führungskraft der steuernden Einheit zu übertragen.

Da für gewisse Mitbestimmungsrechte ausschlaggebend ist, wer die arbeitsvertragliche Arbeitgeberstellung inne hat, bleibt es selbst bei einer Einbindung des Arbeitnehmers in eine steuernde Einheit im Hinblick auf Kündigungen bei der Mitbestimmung des Betriebsrats nach 102 BetrVG, der beim Vertragsarbeitgeber installiert ist. Gleiches dürfte für die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 4, 10 oder 11 BetrVG gelten.

Fazit

Das Betriebsverfassungsgesetz ist nicht auf Matrixstrukturen ausgerichtet. Der klassische Betriebsbegriff ist durch betriebs- oder unternehmensübergreifende Einheiten in Matrixstrukturen nur mehr schwer festzustellen. Es wird daher zu überlegen sein, ob Unternehmen, die in solchen Matrixstrukturen organisiert sind, auf alternative Organisationsstrukturen nach dem Betriebsverfassungsgesetz zurückgreifen sollten. Unter Umständen muss sich bei Matrixstrukturen, je nach Intensität der Eingliederung von Arbeitnehmern in steuernden Einheiten, überlegt werden, ob nicht in 2 Betrieben Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu berücksichtigen sind.
 
zuletzt aktualisiert am 10.02.2016

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Cornelia Schmid

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