Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte

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veröffentlicht am 11. März 2020 | Lesedauer ca. 2,5 Minuten

von Dr. Jelena Lysovienė

 

Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure und Händler von Medizinprodukten bereiten sich aktiv auf die neue Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte (im Folgenden „MP-Verordnung“) vor, die am 26. Mai 2020 in Kraft treten wird.

 

 

Die neue Verordnung soll in erster Linie der medizinischen Industrie in der EU helfen, ihre bestehende führende Position auf dem Weltmarkt zu halten und zu stärken. Es wird erwartet, dass sie es der medizinischen Industrie in der EU leichter machen wird, noch wettbewerbsfähiger, zuverlässiger und solider zu werden.

 

Die Probleme bei der Auslegung geltender Rechtsvorschriften und negative Erfahrungen aufgrund aufgetretener Vorfälle mit den unzuverlässigen Medizinprodukten (wie z.B. minderwertige Brustimplantate und Metall-Hüftprothesen) bestätigten und hoben Schwachstellen der bestehenden Rechtslage hervor, die dazu führten, dass die Patienten, Verbraucher und das Gesundheitspersonal die Sicherheit von Medizinprodukten in Frage stellten. Daher waren Gesetzesänderungen und Aktualisierungen erforderlich.

 

Eine der wichtigsten und nützlichsten Änderungen, die mit der neuen Verordnung in Kraft treten, ist die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren. Nach der neuen MP-Verordnung werden Medizinprodukte und ihre Wirtschaftsakteure nur einmal in einer gemeinsamen EU-Datenbank registriert. Dementsprechend gilt diese Registrierung in allen EU-Ländern. Diese Vereinfachung der Verwaltungsverfahren ist äußerst wichtig und schafft ein wettbewerbsintensives Umfeld für den EU-Markt. Bisher mussten Medizinprodukte gemäß der Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte (im Folgenden: MP-Richtlinie) in jedem Mitgliedstaat, in dem das betreffende Medizinprodukt in Verkehr gebracht werden sollte, separat registriert oder angemeldet werden.

 

Neuklassifizierung von bestehenden Produkten

Die neue MP-Verordnung ändert die Klassifizierung von Medizinprodukten. Medizinprodukte werden anhand ihrer Risikofaktoren kategorisiert. So werden bspw. Geräte, die zu Überwachungszwecken mithilfe von Software in den Körper implantiert werden, von Klasse I in Klasse III, eine höhere Risikoklasse, verschoben. In diesem speziellen Fall muss die Registrierung solcher Medizinprodukte zunächst zur weiteren Registrierung an eine Benannte Stelle weitergeleitet werden. Infolgedessen werden zuerst die finanziellen Kosten des Medizinprodukteherstellers erhöht, und die Registrierung des Medizinprodukts erfordert mehr Zeit in allen Verwaltungsverfahren.

 

Darüber hinaus werden auch bestimmte nichtmedizinische Produkte (wie Kontaktlinsen ohne Sehkorrektur, invasive Geräte zur Veränderung der menschlichen Anatomie, Materialien zur Verwendung als Füllstoffe für das Gesichtshaut oder das Haut von anderen Körperteilen durch subkutane Injektion usw.) auch als Medizinprodukte eingestuft.

 

In Übereinstimmung mit der neuen Verordnung müssen für die Neuklassifizierung von Medizinprodukten ihre  Berichte über die Begutachtung der klinischen Bewertung überprüft und aktualisiert werden. Eine solche Aktualisierung der Berichte wird direkte finanzielle Auswirkungen auf die Hersteller von Medizinprodukten haben. Es ist daher wichtig, dass sie mit allen Anforderungen der Verordnung vertraut sind und ihren Einfluss auf die Produktpalette des Herstellers bewerten, um ihre Mittel richtig antizipieren und verteilen zu können.

 

Anforderungen für klinische Prüfungen

In Übereinstimmung mit der MP-Richtlinie konnten Hersteller klinische Prüfungen von identischen oder ähnlichen Geräten verwenden und bei der Registrierung von Medizinprodukten eine Literaturübersicht zu klinischen Prüfungen bereitstellen. Die Verordnung hat diese Möglichkeit jedoch eingeschränkt, insbesondere für die Registrierung von Medizinprodukten der höheren Klasse. Darüber hinaus müssen Medizinprodukte, die vor Inkrafttreten der neuen MP-Verordnung auf den Markt gekommen sind, neu bewertet und ihre klinischen Prüfungen entsprechend angepasst werden.

 

Diese Anforderung wirkt sich nicht nur finanziell auf die Hersteller aus, sondern erfordert auch mehr Zeit und Mühe, um ordnungsgemäß einen entsprechenden Antrag bei der benannten Stelle einzureichen und ihr Medizinprodukt zu registrieren.

 

Auswirkungen der Verordnung auf die benannten Stellen

Die neue MP-Verordnung verschärft die Verfahren für die Benennung und Überwachung der benannten Stellen. Auf diese Weise müssen die benannten Stellen erneut geprüft und benannt werden, um den Anforderungen der MP-Verordnung zu entsprechen. Die in der Verordnung festgelegten Anforderungen sind hinreichend streng und erfordern erhebliche Anstrengungen der benannten Stellen, um diese Aufgaben weiterhin wahrzunehmen. Die benannten Stellen werden von den zuständigen Behörden des jeweiligen Staates, den Sachverständigen der Europäischen Kommission und den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten neu bewertet.

 

Die benannten Stellen, die eine Genehmigung beantragen, müssen ein höheres Maß an technischem Fachwissen und Qualitätskontrolle nachweisen. Von den 58 bestehenden benannten Stellen werden voraussichtlich nur 35 bis 40 gemäß der MP-Verordnung und nur 11 gemäß der IVD-Verordnung (In-Vitro-Medizinprodukte) neu zugelassen.

 

Das geringe Interesse der benannten Stellen an einer erneuten Genehmigung wurde insbesondere durch Änderungen der organisatorischen Anforderungen, der Qualitätskontrolle (Beweislast), der Humanressourcen (die Benannten Stellen müssen einen internen Sachverständigen und keine Fachkraft als Auftragnehmer im Rahmen separater Dienstleistungsverträge haben) und anderer Anforderungen beeinflusst. Es ist auch wichtig, dass gemäß der MP-Verordnung die finanzielle Verantwortung der benannten Stellen erhöht ist. Sie werden während ihrer Überprüfungsprozesse auch strengeren Anforderungen unterliegen.

 

Es ist klar, dass die Wirtschaftsakteure von Medizinprodukten in hohem Maße von den benannten Stellen abhängig sind. Ohne eine ausreichende Anzahl von benannten Stellen und deren Kapazität besteht ein hohes Risiko, dass einige Medizinprodukte zu gegebener Zeit nicht in Verkehr gebracht werden, die Hersteller enorme Verluste erleiden und den Patienten nicht die erforderlichen Medizinprodukte zur Verfügung gestellt werden.

 

Transparenz und Rückverfolgbarkeit

Mit der neuen Verordnung wird eine umfassendere und transparentere EUDAMED-Datenbank eingerichtet, die allen interessierten Parteien zugänglich ist. Es werden alle Daten zu Medizinprodukten, deren Herstellern und Verantwortlichen veröffentlicht.

 

Darüber hinaus sieht die Verordnung die Einführung eines neuen einzigartigen Systems der einmaligen Produktkennung Identifikationssystems für Medizinprodukte („UDI-System“ — Unique Device Identification system) vor. 

 
Der UDI-Code muss auf der Verpackung des Medizinprodukts und in einigen Fällen auf dem Medizinprodukt selbst angebracht werden.

 

Die Hersteller von Medizinprodukten werden nicht nur Informationen zu Medizinprodukten und verantwortlichen Personen in der EUDAMED-Datenbank bereitstellen, sondern sie wird auch als einzige Plattform für die Meldung von Unfällen und unzuverlässigen Produkten verwendet. Darüber hinaus ermöglicht diese Datenbank den zuständigen Behörden der EU/des EWR, Informationen bei Bedarf direkt auszutauschen.

 

Neue Anforderungen an die Kennzeichnung

Neben anderen Innovationen und Herausforderungen wird das Inkrafttreten der neuen MP-Verordnung eine weitere Aufgabe für Hersteller von Medizinprodukten mit sich bringen. Mit der neuen Verordnung wurden bestimmte zusätzliche Anforderungen für die Kennzeichnung von Medizinprodukten eingeführt, die nicht in der MP-Richtlinie enthalten waren.

 

Insbesondere muss gemäß der Verordnung die Verpackung des Medizinprodukts mit dem  UDI-Code gekennzeichnet werden. Darüber hinaus muss neu angegeben werden, dass es sich bei dem Produkt um ein Medizinprodukt handelt. Zudem muss auf dem Etikett der Verpackung der Verwendungszweck des Medizinprodukts und die Sicherheitshinweise deutlich angegeben sein. Bisher wurden diese Informationen nur in den Aufklärungshinweisen für Patienten angegeben.

 

Die EUDAMED-Datenbank wird 2020 eingerichtet. Daher müssen die Wirtschaftsakteure die neue MP-Verordnung ab dem Datum ihres Inkrafttretens einhalten. Sie müssen ihre medizinischen Verbrauchsmaterialien ordnungsgemäß kennzeichnen, registrieren oder neu registrieren. Wenn ein Medizinprodukt nicht den Anforderungen der neuen Verordnung entspricht, muss es sofort vom EU-Markt genommen werden.

 

Nach unserer Erfahrung ist es für Unternehmen sehr wichtig, ihre Hauptziele und -strategien bei der Registrierung und Vermarktung von Medizinprodukten vorwegzunehmen. Dies erfordert ein klares Verständnis zukünftiger Anforderungen und deren strikte Einhaltung. Den Unternehmen, Herstellern, Importeuren und Lieferanten von Medizinprodukten fehlt häufig das praktische Wissen, um grundlegende Anforderungen richtig zu interpretieren. Dies führt zu Verzögerungen bei den Registrierungsprozessen und höheren Kosten. Um sicherzustellen, dass alle Prozesse reibungslos ablaufen, ist es daher am besten, diese Aufgaben den Fachleuten in Ihrem Bereich anzuvertrauen. Das Inkrafttreten der neuen Rechtsvorschriften und die Änderung der Anforderungen werden dann keine negativen Auswirkungen auf die Registrierung und das Inverkehrbringen der Produktion haben.

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Eglė Pinaitė

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