Grenzüberschreitende Verwaltungsratsmandate in der Schweiz

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zuletzt aktualisiert am 3. Juli 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten
Verwaltungsräte Schweizer Gesellschaften werden oft von Personen besetzt, die keinen Wohnsitz in der Schweiz haben bzw. deren Erwerbstätigkeit sich nicht nur auf die Schweiz beschränkt. V.a. sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen werden dabei oft vernachlässigt und führen häufig zu kostspieligen Konsequenzen. Nachstehend werden die wichtigsten Folgen kurz dargestellt.


  


Sozialversicherung

VR-Honorare sind in der Schweiz sozialversicherungspflichtiges Entgelt. Die Tätigkeit gilt dabei grund­sätzlich als unselbstständige (abhängige) Erwerbstätigkeit. Bei grenzüberschreitenden VR-Tätigkeiten, bei der z.B. der deutsche VR einer Schweizer Gesellschaft in Deutschland ansässig ist, kann z.B. wegen einer weiteren physischen Erwerbstätigkeit in Deutschland nach lokalem deutschen Recht auch in Deutschland eine Sozialver­sicherungspflicht bestehen. In dem Fall regelt das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und den EU/EFTA-Staaten die Anwendung der Verordnungen 883/2004 und 987/2009 hinsichtlich der Koordination der Sozialsysteme.

Ein Ziel der Verordnung 883/2004 ist die Anwendung der sozialrechtlichen Vorschriften nur eines Mitglied­staates im Geltungsbereich dieser Verordnung auf den Erwerbstätigen, selbst wenn der in zwei oder mehreren Ländern einer Beschäftigung nachgeht.


In welchem Land schlussendlich die Unterstellung der Sozialversicherung vorliegt, richtet sich u.a. nach dem Wohnmitgliedsstaat des Mitarbeiters bzw. danach,
  • ob ein oder mehrere Arbeitgeber involviert werden,
  • ob parallel selbstständige und unselbstständige Tätigkeiten vorliegen und
  • welchen Ländern sie zuzuordnen sind.


Dabei wird die Qualifikation der Tätigkeit – ob eine abhängige Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit vorliegt – nach dem Recht des Staates bestimmt, in welchem die Tätigkeit physisch ausgeübt wird. Da die nationalen Sozialversicherungssysteme nur koordiniert, nicht jedoch harmonisiert werden, können dabei bereits unterschiedliche Auffassungen und somit Konfliktpotenzial entstehen.

Ein weiterer Konfliktpunkt besteht in dem Umstand, dass bei der Frage der Arbeit in mehreren Mitglieds­staaten gem. Art 13 der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich nur bedeutende Tätigkeiten für die Festlegung der anzu­wendenden Rechtsvorschriften herangezogen werden. Unbedeutende Tätigkeiten sind marginale Handlungen, die zwar dauerhaft ausgeübt werden, für die aber weniger als 5 Prozent der regulären Arbeitszeit aufgewendet und/oder weniger als 5 Prozent der Gesamtvergütung erzielt wird. Grundsätzlich folgt auch die Schweiz dieser Eingrenzung – nicht jedoch bei den Verwaltungsräten. Da, wie oben ausgeführt, dem Verwaltungsrat als höchstes Organ der Gesellschaft eine ganz besondere Rolle einer AG zukommt, wird nach Schweizer Rechts­auslegung eine solche Tätigkeit unabhängig von deren Umfang nie als unbedeutend angesehen, sodass die 5 Prozent-Hürde keine Anwendung findet.

Wird im Fall des deutschen Verwaltungsrats neben dem Mandat in der Schweiz gleichzeitig nur noch eine selbstständige Erwerbstätigkeit in Deutschland ausgeübt, kann somit eine ausschließliche Sozialver­sicherungs­pflicht (ca. 10 Prozent) in der Schweiz ausgelöst werden. Aufgrund der Prämisse des Freizügigkeitsabkommens, dass der Pflichtige innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung 883/2004 nur in einem einzigen Land den sozialen Vorschriften unterstellt ist, kommt für den in Deutschland selbständigen VR einer Schweizer Aktien­gesellschaft ausschließlich das Schweizer Sozialversicherungsrecht zur Anwendung, selbst wenn er nicht ein einziges Mal in der Schweiz vor Ort ist.

Die Zuordnung ist auf Grund der zeitlich oft marginalen Tätigkeit schwer nachvollziehbar. Die folgenreiche Überraschung liegt jedoch in der Tatsache, dass nach Schweizer Recht grundsätzlich das gesamte Erwerbs­einkommen beitragspflichtig ist. Darunter fallen u.a. nicht nur Einkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit, sondern auch Einkünfte aus Personengesellschaften wie die weitverbreitete GmbH & Co. KG.

Schwerwiegend ist zudem der Umstand, dass die Schweiz keine Limitierung der Beitragsbemessung kennt, sondern unbegrenzt das Gesamteinkommen berücksichtigt und insofern nicht unerhebliche Beitragsauf­wendungen verursacht werden können. Die erworbenen, jedoch limitierten Vorsorgeansprüche in der Schweiz stehen i.d.R. in keinem ökonomisch sinnvollen Verhältnis zu den Beiträgen. Im Ergebnis kann somit eine Verwaltungsratstätigkeit, die nach lokalem Recht als abhängige Beschäftigung qualifiziert ist und in der Schweiz lediglich 1 Prozent der Gesamtvergütung und 1 Prozent der regulären Arbeitszeit ausmacht, eine Sozialver­sicherungspflicht in der Schweiz auslösen, bei der Beiträge auf 100 Prozent aller Einnahmen die im Geltungsbereich der Verordnung erzielt werden, in der Schweiz abzuführen sind. Es empfiehlt sich daher, in jedem Fall die sozialversicherungsrechtliche Situation von Personen, die mitunter in der Schweiz eine Tätigkeit ausüben oder ein VR-Mandat aufnehmen wollen, zu prüfen und ggf. gestalterisch eine optimale Lösung zu finden.


Exkurs Steuerpflicht

Unabhängig von der jeweiligen Aufenthaltsbewilligung unterliegen VR-Entschädigungen der Quellensteuer, sobald der VR seinen Wohnsitz im Ausland hat. Die Höhe der Steuer unterscheidet sich von Kanton zu Kanton und beträgt ca. 15 bis 30 Prozent. Dabei ist die Schweizer Gesellschaft in der Pflicht, die Steuer zu ermitteln, einzubehalten und mit dem zuständigen Steueramt abzurechnen. Gestützt wird die Erhebung der Quellensteuer einerseits auf die lokalen Steuergesetze der Schweiz (steuerbegründend) und andererseits auf die Zuteilungs­normen in den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen (steuerbeschränkend).

Entscheidend ergänzt wird das Besteuerungsrecht von den Methoden zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung. Im Fall des DBA zwischen Deutschland und der Schweiz ist vorgesehen, dass die Schweiz zwar besteuern darf, aber Deutschland als Wohnsitzland diese Einkünfte nicht freistellt, sondern „nur” die Schweizer Steuern darauf anrechnet. Das hat zur Folge, dass die Besteuerung schlussendlich mit dem persönlichen Steuersatz in Deutschland erfolgt, der i.d.R. über dem Niveau der Schweiz liegt. Insofern unterscheidet sich die Besteuerung des VR-Honorars maßgeblich von der Besteuerung aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit.


Fazit

Mandate deutscher Verwaltungsräte von Schweizer Unternehmen können zu erheblichen Kostenfolgen führen, selbst wenn eine monetäre Entschädigung gering ist oder gar unterlassen wird. Dazu ist es notwendig, vorab die Sachlage genau zu analysieren, Vorkehrungen zu treffen und ggf. mit den zuständigen Behörden zu diskutieren. Aufgrund der zahlreichen Konstellationsmöglichkeiten ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung empfohlen, um ungewünschte Folgen zu vermeiden.

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