Early Tax Birds 30/2025: Paukenschlag zur doppelten Grunderwerbsteuer bei Signing und Closing

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 30/2025 (28. Juli – 3. August 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 4. August 2025 | Lesedauer ca. 6​ Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

„Wann wird’s mal wieder richtig Sommer? Ein Sommer, wie er früher einmal war? Mit Sonnenschein von Juni bis September. Und nicht so nass und so sibirisch wie im letzten Jahr.“

Rudi Carrell brachte es 1975 auf den Punkt, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich diese meteorologische Wehklage nicht erst seit 2025 auch auf das deutsche Steuerrecht übertragen lässt. Denn auch hier ist vom Sommerfeeling wenig zu spüren. Statt Leichtigkeit und Klarheit erleben wir trübes Klima, und wo früher zumindest bisweilen noch ein steuerlicher Sonnenschein durch einfache Gesetze oder klare Auslegung strahlte, zieht sich heute das Dunkel komplexer Verwaltungspraxis zu. Doch vielleicht gibt es ein bisschen Hoffnung. 

In diesem „verregneten Steuerjahr“ blitzt nun ein Lichtstrahl durch die grauen Wolken, und zwar aus München (wo aus anderen Gründen wohl Trübsinn herrschen dürfte - lesen Sie gerne in dieser Ausgabe). Der BFH hat nämlich in seinem Beschluss vom 9. Juli 2024 (II B 13/25, AdV) erstmals ernsthafte Zweifel an der bisherigen Praxis der Finanzverwaltung zur doppelten Grunderwerbsteuer beim Auseinanderfallen von Signing und Closing geäußert. Und das ist, um im Bild zu bleiben, nicht weniger als ein Paukenschlag mit Donnerhall. Denn bisher vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass sowohl Signing als auch Closing jeweils eigenständige grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgänge sind und zweimal Grunderwerbsteuer anfallen muss (wovon eine Steuerzahlung dann ggf. wieder entfallen kann). Doch nun fragt der BFH, ob dies überhaupt mit dem Gesetz vereinbar ist?

Wann wird’s mal wieder richtig einfach?“ könnte man da fast in Abwandlung singen. Vielleicht dann, wenn der BFH in der Hauptsache urteilt und diese steuerliche Doppelbelastung endgültig kippt. Die Aussetzung der Vollziehung ist jedenfalls schon ein starkes Signal. Oder wie es bei Rudi Carrell heißt:

„Es muss ja nicht gleich Hawaii sein – ein bisschen Sonne reicht.“

In diesem Sinne: Genießen Sie den Sommer, wo er sich zeigt, sei es am See, auf dem Balkon oder in der Rechtsprechung des BFH. Wir bleiben natürlich den ganzen Sommer über im Dienst, ob nun die Sonne scheint oder es stürmt und regnet.​

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße

Philip Nürnberg und das Redaktionsteam​​

    

Neues aus der Finanzverwaltung 

  
Anpassung des umwste 2025

Mit Schreiben vom 1. August 2025 veröffentlichte das BMF Anpassungen des UmwStE 2025​ vom 2. Januar 2025. Diese betreffen die Randnummer 15.35a zur Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 7 UmwStG, und die Randnummer Org.03 zur ertragsteuerlichen Organschaft und entfalten Wirkung für alle offenen Fälle. 

Mit Rn. 15.35a bringt die Finanzverwaltung zum Ausdruck, dass neben der unmittelbaren Veräußerung von Anteilen an einer Spaltgesellschaft im Anschluss an eine konzerninterne Transaktion auch die mittelbare Veräußerung von Anteilen an einer zwischengeschalteten Gesellschaft schädlich ist. In Org.03 wurde angepasst, dass auch die erstmalige Begründung einer Organschaft nach einer Umwandlung möglich ist, wenn die finanzielle Eingliederung zum übertragenden Rechtstrager erfüllt war. Der übernehmende Rechtsträger tritt dabei im Rahmen der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers.​

   
Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
Vereinte Nationen ernennen Sachverständigenausschuss für internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen

Die Vereinten Nationen haben am 30. Juli 2025 die neue Zusammensetzung des Ausschusses für internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen für die Amtszeit 2025-2029 bekanntgegeben. Die Regierungen hatten dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zuvor eine Rekordzahl von Nominierungen ihrer besten Steuerexperten übermittelt. Warum? Der scheidende UN-Steuerausschuss hatte wichtige Leitlinien fertiggestellt, bahnbrechende Vertragsbestimmungen im UN-Musterabkommen zur Besteuerung ausgearbeitet und praktische Instrumente entwickelt, die von Kryptowährungen bis zur Umweltbesteuerung reichen. Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine wirksame Zusammenarbeit im Steuerbereich auch für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung unerlässlich ist. Aufbauend auf diesem Erfolg hat der Generalsekretär 25 Experten aus allen Regionen der Welt – darunter 13 Frauen – ernannt, um die globalen Steuerherausforderungen der nächsten vier Jahre anzugehen. Sie werden ihre eigene Agenda auf der Grundlage der dringendsten Bedürfnisse der Entwicklungsländer und unter Einbeziehung der jeweiligen Interessengruppen festlegen. Der Ausschuss arbeitet nicht isoliert. Führungskräfte aus der Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitgliedstaaten arbeiten aktiv zusammen, um das Arbeitsprogramm zu gestalten und praktische Leitlinien zu entwickeln, die die Länder tatsächlich nutzen können. Zweierlei ist bedauerlich: Aus Deutschland wurde kein Experte benannt (aber vielleicht ist es auch besser so, da die Deutschen schon bei der OECD genug angerichtet haben), und die Early Tax Birds hat auch niemand nach ihrer Meinung gefragt. Aber für die Amtszeit ab 2029 besteht ja eine neue Chance.


EU kapituliert vor den USA im Zollstreit

Die EU hatte am 24. Juli 2025 auf nicht weniger als 250 Seiten ein vorbereitendes Maßnahmenpaket für zollrechtliche Vergeltungsmaßnahmen gegen die US-amerikanischen Strafzölle verabschiedet (wir berichteten in der Ausgabe 29/2025). Kurze Zeit später war dies schon wieder Geschichte. Im Kern: 

  1. Eine pauschale Obergrenze von 15 % Zoll auf die meisten EU-Exporte, darunter Autos, Halbleiter und Arzneimittel. 
  2. Kein Zoll auf Flugzeuge und Flugzeugteile, kritische Rohstoffe, bestimmte Chemikalien, bestimmte Generika, Halbleiterausrüstung, bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und natürliche Ressourcen. 
  3. Gemeinsame Maßnahmen zu Überkapazitäten bei Stahl: Zölle runter, Quoten rauf. 
  4. Stärkere Zusammenarbeit im Energiebereich. 
  5. Schub für KI: US-Chips werden EU-KI-Gigafabriken unterstützen. 

​Ob das nun ein Erfolg ist oder nicht, mag jede(r) individuell entscheiden. 
 

OECD feilt an der Technik für mehr Transparenz

Im Rahmen ihrer fortlaufenden Bemühungen zur Verbesserung der Steuertransparenz und der internationalen Steuerkonformität veröffentlichte die OECD am 20. Juli 2025 zwei XML-Schemata und zugehörige Benutzerhandbücher, um die Berichterstattung und den Informationsaustausch im Rahmen der globalen Mindeststeuer (GMT) und des Crypto-Asset Reporting Framework (CARF) zu unterstützen.

  

    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Zweimalige Festsetzung von Grestg für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen beim Auseinanderfallen von Signing und Closing​ (ADV)​

Unser Urteil der Woche kommt diesmal als Beschluss daher und ist nicht weniger als ein Paukenschlag mit Ansage: Der Beschluss des BFH vom 9. Juli 2024, II B 13/25 (AdV) befasst sich mit der Frage, ob beim Auseinanderfallen von Signing und Closing eigentlich zweimal Grunderwerbsteuer anfallen kann. Anders als die Vorinstanz äußert der BFH nun erstmals ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung bei verspäteter oder unterlassener Anzeige. Ausschlaggebend war dabei insbesondere, dass dem Finanzamt zum Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide der dingliche Vollzug des Geschäfts bereits bekannt war. Der BFH gab der Beschwerde des Steuerpflichtigen statt und setzte die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids aus. Dies ist deshalb beachtlich, da die von der Finanzverwaltung vertretene Praxis, bei zeitlich versetztem Signing und Closing und gestützt auf das Stichtagsprinzip, von zwei selbständigen grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgängen auszugehen, schon lange in der Kritik stand.

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung wird daher bisher sowohl für den Zeitpunkt des Signing als auch für den des Closing jeweils eine eigenständige Steuerpflicht angenommen. Begründet wird dies u.a. mit den gleichlautenden Erlassen der Länder vom 10. Mai 2022 (BStBl. I 2022, 821) sowie vom 5. März 2024 (BStBl. I 2024, 383). Um der hieraus resultierenden Doppelbesteuerung entgegenzuwirken, wurden mit dem JStG 2022 die Vorschriften des § 16 Abs. 4a sowie Abs. 5 Satz 2 GrEStG eingeführt. Diese eröffnen für Erwerbsvorgänge ab dem 21. Dezember 2022 die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung bei Vorliegen eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG auf Antrag aufzuheben, wenn sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Rechtsgeschäft vollständig und fristgerecht angezeigt wurden (§ 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG). Im vorliegenden Streitfall wurde das schuldrechtliche Geschäft (Signing) am 11. März 2024 notariell beurkundet. Der dingliche Vollzug (Closing) erfolgte nach Kaufpreiszahlung am 29. März 2024. Die Anzeige des Signing erfolgte jedoch erst am 4. April 2024, somit nach dem Closing. Eine gesonderte Anzeige des Closing unterblieb gänzlich. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide am 30. Mai 2024 war dem Finanzamt das Closing bereits bekannt.


Vor diesem Hintergrund äußerte der BFH erhebliche Zweifel daran, ob die zeitliche Differenzierung der Finanzverwaltung mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG vereinbar ist. Der Anwendungsvorrang des Einleitungssatzes dieser Norm gelte einheitlich für sämtliche Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG und das unabhängig davon, ob Signing und Closing zeitlich auseinanderfallen. Auch die Gesetzesbegründungen zu den Änderungen dieser Vorschrift rechtfertigten keine abweichende Auslegung. Soweit die Begründung zur Einführung von § 16 Abs. 4a und Abs. 5 Satz 2 GrEStG eine sachliche und zeitliche Einschränkung des Anwendungsvorrangs des § 1 Abs. 3 GrEStG nahelegt, sei dies im Gesetzeswortlaut nicht nachvollziehbar verankert. Für den BFH stellt sich daher die Frage, ob und in welchem Umfang § 16 Abs. 4a und Abs. 5 GrEStG den materiellen Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 3 GrEStG überhaupt rechtlich beschränken können.


Zusätzliche Zweifel begründet der BFH damit, dass dem Finanzamt beim Erlass des Steuerbescheids zum Signing bereits bekannt war, dass das Closing erfolgt war und somit eine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2b GrEStG bestand. Der Signing-Bescheid stand zudem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Damit hätte es nach Auffassung des Gerichts keines Rückgriffs auf die Regelung des § 16 Abs. 4a GrEStG bedurft, um dem Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 3 GrEStG Rechnung zu tragen. Es ist erfreulich, dass der BFH sich endlich dieser Thematik annimmt und die Auffassung der Finanzverwaltung höchstrichterlich prüft. Sobald sich der BFH in der Hauptsache mit der Fragestellung auseinandergesetzt hat, werden die Early Tax Birds Sie informieren.​


​BFH schrumpft​

Nach einer Pressemitteilung des BFH​ wurde zum 1. August 2025 der XI. Senat des BFH aufgelöst, wodurch sich die Anzahl der für Steuerrecht zuständigen Senate von elf auf zehn reduziert. Zusätzlich werden sieben von rund 60 Richterstellen, die durch Ruhestand frei werden, nicht nachbesetzt. Diese Maßnahme ist Teil einer strukturellen Neuausrichtung, womit auf sinkende Fallzahlen beim BFH reagiert werden soll. Die Zuständigkeiten im Gericht werden entsprechend neu verteilt. Der V. Senat wird sich künftig ausschließlich mit Umsatzsteuerverfahren befassen, während der IX. Senat zusätzlich das Bilanzsteuerrecht übernehmen soll. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Neuausrichtung und Verkleinerung des BFH auf die Anzahl der höchstrichterlichen Entscheidungen auswirken wird. ​​


 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
I R 5/24 (I R 99/15)​​
26. März 2025
Entstrickung durch Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätte - verfassungsrechtliches Vertrauensschutzgebot bei rückwirkenden Gesetzen
II R 34/22
19. März 2025
Anwendung der Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG auf einen fiktiven Nießbrauch nach § 29 Abs. 2 ErbStG
III R 19/23
20. März 2025
Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter​
VI R 12/23
​29. April 2025
Doppelte Haushaltsführung: Kosten der Lebensführung bei einem Ein-Personen-Haushalt
X R 24/23
27. November 2024
Wohnungswirtschaftliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen nach Umwidmung eines Darlehens
XI R 23/24
19. Februar 2025
​EuGH-Vorlage zur Prüfung von Vertrauensschutz bei der Differenzbesteuerung
VIII B 42/24
​15. Juli 2025
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Übergehen von Klägervortrag
​VIII R 16/23
​3. Juni 2025
​Zustellung eines elektronischen Dokuments bei fehlender Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses durch einen Steuerberater ab dem 01.01.2023
​​X B 111/24
​9. Juli 2025
​Wiedereinsetzung, wenn ein Prozessbevollmächtigter erst unmittelbar vor Fristablauf gefunden werden kann

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