Dauerhafte Personalgestellung ist keine Leiharbeit

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veröffentlicht am 29. Juni 2023

 

Die Personalgestellung im öffentlichen Dienst, bei der Beschäftigte dauerhaft bei einem Dritten arbeiten, fällt nicht unter die Leiharbeitsrichtlinie. Dies entschied der EuGH in einer Entscheidung auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (EuGH, Urteil vom 22.06.2023 – C 427/21). Damit ein Arbeitsverhältnis unter die Richtlinie falle, müsse der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages sowie bei der tatsächlichen Überlassung die Absicht haben, den Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen „vorübergehend“ zur Verfügung zu stellen. Dies sei bei der dauerhaften Personalgestellung nicht der Fall.


Das Urteil des EuGH beruht auf einem Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Geklagt hatte ein Angestellter eines privatrechtlichen Krankenhauses, in welchem die Bereiche Poststelle, Archiv und Bibliothek auf eine neu gegründete Service GmbH ausgegliedert wurden. Der Kläger hatte dem mit seiner Versetzung einhergehenden Betriebsübergang auf die Service GmbH widersprochen, sodass sein Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus fortbestand. Allerdings war der Kläger verpflichtet, seine Arbeitsleistung auf Grundlage des § 4 Abs. 3 TVöD dauerhaft bei der Service GmbH zu erbringen. Nach dieser Vorschrift wird dem Arbeitgeber ein erweitertes Direktionsrecht zugesprochen, durch welches er den Beschäftigten ohne dessen Zustimmung dauerhaft zur Arbeitsleistung bei einem Dritten verpflichten kann. Der Kläger hatte geltend gemacht, dass die tarifliche Norm gegen die Leiharbeitsrichtlinie verstoße.

 

Das BAG hatte daraufhin dem EuGH zum einen die Frage vorgelegt, ob die Personalgestellung als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG) zu beurteilen ist; zum anderen, ob bei Bejahung der ersten Frage, die Richtlinie eine Bereichsausnahme für die Personalgestellung im öffentlichen Dienst zulasse. Der EuGH lehnte bereits die erste Frage ab, sodass er über die zweite Frage nicht mehr entscheiden musste.

 

Ziel der Leiharbeitsrichtlinie sei die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Entwicklung flexibler Arbeitsformen. Ein Arbeitsverhältnis solle nur dann unter die Richtlinie fallen, wenn der Arbeitgeber sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrages als auch bei der Überlassung selbst, in der Absicht handele, den betreffenden Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen vorübergehend zur Verfügung zu stellen.

 

Diese Voraussetzungen lagen im Ausgangsfall nicht vor, da das Krankenhaus bei Vertragsschluss einerseits keinerlei Absicht hatte, den Kläger einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen und andererseits die Zurverfügungstellung nicht vorübergehend war, sondern vielmehr dauerhaft erfolgen sollte. Damit könnten die mit der Richtlinie verfolgten Ziele der Flexibilität, der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Förderung des Zugangs der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung im vorliegenden Fall keine Bedeutung haben. Der Kläger habe auch des Schutzes der Richtlinie nicht bedurft, weil dieser von seinem Recht, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, Gebrauch gemacht hatte und somit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis fortbestehe.

 

Bedeutung für öffentliche Arbeitgeber

Für öffentliche Arbeitgeber, wie Krankenhäuser, bedeutet dies, dass sie sich weiterhin auf die Vorschrift des § 4 Abs. 3 TVöD berufen können, wenn sie die Verrichtung der Tätigkeit bei einem Dritten anordnen und dieser Anwendung die Leiharbeitsrichtlinie nicht entgegensteht. Daneben müssen Gewerkschaften keine Kündigung von Beschäftigten fürchten, die einem Betriebsübergang widersprechen, weil vor einem etwaigen Ausspruch einer solchen die Möglichkeit der Personalgestellung in Betracht gezogen werden muss.

 

AUTORinnen

​Pauline RauchCarina Richters

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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