Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife: Haftungsrisiken beachten

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von Rainer Schaaf und Nadine Stefan
 
Der Geschäftsführer einer GmbH ist verpflichtet bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich einen Insolvenz­antrag zu stellen. Kommt er dem nicht nach, so macht er sich gemäß § 64 GmbHG u.U. per­sön­lich haftbar, wenn er veranlasst bzw. nicht ver­hindert, dass die Gesellschaft in diesem Zeitraum noch Zahlungen leistet.
Gemäß § 64 S. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer der Gesellschaft grundsätzlich zum Ersatz aller Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt wurden.
 

Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu vereinbarende Zahlungen

Ausgenommen von der Haftung sind solche Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind (§ 64 S. 2 GmbHG). Dies gilt insbesondere für Zahlungen zur Aufrechterhaltung der – betriebswirtschaftlich noch sinnvollen – Produktion oder betriebs­not­wendigen Abläufe, wie bspw. Zahlungen für Wasser und Strom.  Ohne sie müsste der Betrieb aufgrund drohender Abschaltung sofort eingestellt werden. Damit würden jegliche Sanierungs­chancen zunichte gemacht werden. Hierfür gilt ein strenger Maßstab. Der Geschäftsführer muss genau dokumentieren und nachweisen, dass genau diese Zahlung unabdingbar für die (wirtschaftlich sinnvolle) Fortführung des Geschäftsbetriebs war.
 

Keine Haftung bei unmittelbarem Ausgleich der Masseschmälerung

Eine Haftung scheidet nach § 64 GmbHG dann aus, wenn die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr wieder ausgeglichen wird. Das ist bspw. der Fall bei dem Kauf von Waren zum Marktpreis, die unmittelbar nach der Zahlung geliefert und übereignet werden. Die Zahlung des Kaufpreises ist zwar masseschmälernd, jedoch wird dies durch die Übereignung der Waren zum Marktpreis und damit durch die Mehrung des Aktivvermögens wieder ausgeglichen. Dieser Wert muss nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 18. November 2014 – II ZR 231/13) auch nicht mehr – wie bislang vertreten – zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein. Maßgeblich für eine Bewertung ist vielmehr nur noch der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch den Massezufluss ausgeglichen wird.
 

Haftung bei Einzug von Zahlungen auf ein debitorisches Konto

Der Begriff der Zahlung i.S.d. § 64 GmbHG ist weit auszulegen. Hiervon umfasst wird auch der Einzug von Forderungen auf ein debitorisch geführtes Konto, da hierdurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird. Eine masseschmälernde Zahlung liegt nur dann nicht vor, wenn die eingezogenen Forderungen an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, wenn vor der Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 – II ZR 366/13). Da eine Abgrenzung im Einzelfall oft schwierig ist, sollte in jedem Fall unverzüglich ein neues Konto bei einem Bankinstitut – mit welchem die Gesellschaft bislang noch nicht in Geschäftsbeziehung steht – eröffnet werden, auf das die Forderungen eingezogen werden.     
 

Directors-and-Officers (D&O)-Versicherung

Viele Unternehmen schließen für ihre Geschäftsführer eine Vermögens­schadens­haft­pflicht­ver­sicherung (die sog. Directors-and-Officers-Versicherung) ab. Die Geschäftsführer sollten aber dennoch angehalten sein, Haftungsrisiken zu vermeiden, da nur solche Vermögensschäden ersetzt werden, die während der Laufzeit des Vertrages verursacht und geltend gemacht wurden („claims-made-Prinzip“). In vielen Fällen ist aber zu befürchten, dass der Insolvenz­verwalter zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche bereits den Nichteintritt in den Vertrag erklärt hat, um die Masse nicht mit den monatlichen Versicherungsprämien zu belasten. In einer aktuellen Entscheidung des BGH (Beschluss vom 14. April 2016 – IX ZR 161/15) wurde auch entschieden, dass der Insolvenzverwalter zu einer Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung nicht verpflichtet ist.
 

Fazit

Ist eine Insolvenzreife eingetreten, sollte bei jeder noch auszuführenden Zahlung im Einzelfall genau geprüft werden, ob sie getätigt werden darf oder ob hierdurch persönliche Haftungs­ansprüche ausgelöst werden.
 

zuletzt aktualisiert am 29.06.2016

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Nadine Schug

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