Pillar 2: Referentenentwurf – Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze und Abschaffung der Lizenzschranke

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veröffentlicht am 14. Juli 2023 | Lesedauer ca. 7 Minuten

 


Update: Durch den Beschluss des Bundesrates am 15. Dezember 2023 und die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 27. Dezember 2023 wurde das deutsche Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Zum Überblick über das Gesetz »

 

 

Am 10. Juli 2023 hat das BMF den Referentenentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung nach der zweiten Säule (Pillar 2) des OECD-Zwei-Säulen-Konzepts veröffentlicht. Der Referentenentwurf enthält zahlreiche Nachjustierungen im Vergleich zu dem bereits im März 2023 veröffentlichten Diskussionsentwurf. Das betrifft insbesondere das neue Mindeststeuergesetz (MinStG), aber auch Anpassung­en anderer Steuergesetze, wie insbesondere eine Absenkung der Niedrigsteuergrenze der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG und die Abschaffung der Lizenzschranke gem. § 4j EStG.

HINTERGRUND

Mit dem im Referentenentwurf enthaltenen MinStG soll die RICHTLINIE (EU) 2022/2523 DES RATES zur Ge­währ­leistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inlän­dische Gruppen in der Union vom 14. Dezember 2022 umgesetzt werden (mehr zur Richtlinie »). Die EU-Richt­linie basiert im Wesentlichen auf den Pillar 2-Model Rules der OECD. Die 26 EU-Staaten inkl. Deutschland sind zur Umsetzung der Richtlinie bis zum 31. Dezember 2023 in nationales Recht verpflichtet. Der Referentenent­wurf sieht daher die Anwendung der deutschen Mindeststeuer erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2023 vor (für die sog. Sekundärergänzungssteuerregelung entsprechend der EU-Vorgaben grundsätzlich erst ab 2025).

INHALT DES REFERENTENENTWURFS

Bereits im März 2023 veröffentlichte das BMF einen ersten Diskussionsentwurf, der aufgrund zahlreicher in­haltlicher Unklarheiten, fehlender Folgeanpassungen in anderen Steuergesetzen (Stichwort: Hinzurechnungs­besteuerung), aber auch einiger redaktioneller Fehler auf viel Kritik gestoßen ist. Vor diesem Hintergrund sieht der nun vorgelegte Referentenentwurf mehrere Nachjustierungen des Mindeststeuergesetzes sowie Anpas­sungen u.a. im Einkommen-, Gewerbesteuer- und Außensteuergesetz vor. Zu einer Übersicht über die schon aus dem Diskussionsentwurf bekannten Ansätze der deutschen Mindeststeuer, die im Wesentlichen – mit redaktionellen Nachbesserungen – auch im Referentenentwurf übernommen wurden, gelangen Sie hier ». Die Ergänzungen zum Diskussionsentwurf betrachten wir im Folgenden genauer.

MINDESTSTEUERGESETZ

Hinsichtlich des Mindeststeuergesetzes finden sich im Referentenentwurf mehrere Ergänzungen um im Dis­kussionsentwurf noch nicht enthaltene Regelungen. Diese neuen Regelungen ergeben sich insbesondere aus den von der OECD im Februar 2023 veröffentlichten Administrativen Leitlinien, aber auch aus der Notwendig­keit zusätzlicher Regelungen aufgrund der im deutschen Umsetzungsgesetz – in Abweichung zu den Vorgaben der EU-Richtlinie und der OECD Model Rules – vorgesehenen Mindeststeuergruppe: 
  • Bereits mit Veröffentlichung des Diskussionsentwurf wurde bekannt, dass das nationale Besteuerungs­verfahren die Besonderheit der sog. Mindeststeuergruppe gem. § 3 MinStG vorsieht. In der Mindeststeuer­gruppe werden alle der Steuerpflicht in Deutschland unterliegenden Geschäftseinheiten einer multinatio­nalen oder großen inländischen Unternehmensgruppe zusammengefasst und sämtliche auf die Geschäfts­einheiten der Mindeststeuergruppe entfallenden Ergänzungssteuerbeträge dem sog. Gruppenträger als alleinigem Steuerschuldner zugerechnet. Das stellt eine Abweichung gegenüber den OECD und EU-Vorgaben dar, die die Erhebung der Ergänzungssteuerbeträge aus der Sekundärergänzungssteuer und der nationalen Ergänzungssteuer auf der Ebene der jeweils betroffenen Geschäftseinheit vorsehen. Der Diskussionsentwurf wurde kritisiert, weil die Frage unbeantwortet blieb, inwieweit die vom Gruppenträger geleisteten Steuer­zahlungen entsprechend der wirtschaftlichen Verursachung innerhalb der Gruppe steuerneutral weiterbe­lastet werden können. Diese Problematik wird nunmehr im Referentenentwurf aufgegriffen durch Ergänzung des § 3 Abs. 6 MinStG, der die Entstehung von Ausgleichsansprüchen zwischen dem Gruppenträger und den übrigen Geschäftseinheiten vorsieht. Demnach sind Geschäftseinheiten, deren Ergänzungssteuerbeträge (Primärergänzungssteuer, Sekundärergänzungssteuer oder nationale Ergänzungssteuer) vom Gruppenträger getragen wurde, dem Gruppenträger zivilrechtlich zum Ausgleich verpflichtet. Sofern demgegenüber der Gruppenträger eine wirtschaftlich auf eine Geschäftseinheit entfallende Steuererstattung vereinnahmt, ist der Gruppenträger der jeweiligen Geschäftseinheit zivilrechtlich zum Ausgleich verpflichtet. Um eine Steuer­neutralität der Ausgleichsansprüche sicherzustellen, sieht der Referentenentwurf eine ausdrückliche Rege­lung vor, nach der derartige Ausgleichansprüche nicht der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen. 
  • Die Begriffsbestimmungen in § 7 MinStG wurden ergänzt um die Begriffe der „Anerkannten Primärer­gänz­ungs­steuerregelung“ (PES) sowie der „Anerkannten Sekundärergänzungssteuerregelung“ (SES). Die Qualifi­kation einer ausländischen Regelung als anerkannte PES bzw. anerkannte SES ist ausschlaggebend dafür, dass durch Freistellung oder Anrechnung der ausländischen Ergänzungssteuerbeträge eine zusätzliche Steuer­belastung mit deutscher Mindeststeuer und somit eine Doppelbesteuerung verhindert werden kann. Demnach liegen eine anerkannte PES bzw. anerkannte SES vor, wenn es sich um ein Regelwerk handelt, das den Vorschriften der EU-Richtlinie zur „Income Inclusion Rule“ bzw. „Undertaxed Profits Rule“ entspricht und die Steuerverwaltung auch diesen Grundsätzen entspricht. Damit wird klargestellt, dass ausländische Rege­lungen nicht an den deutschen Vorgaben des Mindeststeuergesetzes, sondern an den Vorgaben der EU-Richtlinie zu messen sind. 
  • Im neuen § 84 MinStG sind Übergangsregelungen für sog. gemischte Hinzurechnungsbesteuerungsregime enthalten. Gemischte Hinzurechnungsbesteuerungsregime sind solche Hinzurechnungsbesteuerungen, bei deren Berechnung die Gewinne, Verluste und anrechenbaren Steuern aller ausländischen Einheiten zusam-mengefasst werden. Somit wird bei gemischten Hinzurechnungsbesteuerungsregimen – anders als bei der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung – das Vorliegen einer Niedrigbesteuerung nicht gesellschafts­bezogen, sondern gesellschafts- und staatenübergreifend beurteilt. Zu den gemischten Hinzurechnungsbe­steuerungs­regimen zählt insbesondere die US-steuerliche Regelung „GILTI“. Analog den Administrativen Leitlinien enthält der Referentenentwurf nunmehr Regelungen, wie u.a. das US-GILTI-Regime in die Ermitt­lung des effektiven Steuersatzes einzubeziehen, d.h. die GILTI-Steuer auf die Geschäftseinheiten aufzuteilen ist. Für einen begrenzten Zeitraum (bis einschl. 2026) soll ein vereinfachter Verteilungsschlüssel angewendet werden, durch den an Länder mit niedrigeren effektiven Steuersätzen letztlich relativ mehr GILTI-Steuer zugewiesen wird. Nach Angaben der OECD soll der Verteilungsschlüssel im Anschluss an diesen Zeitraum erneut überarbeitet werden. Durch die zeitliche Begrenzung der Übergangsregelung wird der Druck auf die USA erhöht, bis dahin die GILTI zu modifizieren, um eine Qualifikation als anerkannte PES zu ermöglichen. 
  • Darüber hinaus sind in dem Referentenentwurf in §§ 36-38 MinStG mehrere neue Wahlrechte enthalten: ein Wahlrecht zur Steuerpflicht von Portfoliodividenden, ein Wahlrecht zur Steuerpflicht von qualifizierten Gewinnen oder Verlusten aus Eigenkapitalbeteiligungen und zur symmetrischen Behandlung qualifizierter Währungsgewinne, sowie ein Wahlrecht für sog. qualifizierte Sanierungserträge auf der Ebene des Schuld­ners der erlassenen Verbindlichkeit. Das Wahlrecht für qualifizierte Sanierungserträge (§ 38 MinStG) ermög­licht es den Steuerpflichtigen, Sanierungserträge aus einem Schuldenerlass von der Berechnung des Mindest­steuer-Gewinns der sanierungsbedürftigen Geschäftseinheit auszunehmen, sofern die Sanierungs­erträge die im MinStG geregelten Voraussetzungen für „qualifizierte Sanierungserträge“ erfüllen. Sanierungs­erträge gelten insbesondere dann als qualifiziert, wenn sie bei einer Geschäftseinheit entstehen, über deren Vermögen zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses aufgrund von Zahlungsunfähigkeit bereits das Insolvenz­verfahren eröffnet wurde. Sofern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund von nur drohender Zah­lungs­unfähigkeit oder aufgrund von Überschuldung erfolgte, werden Sanierungserträge der betroffenen Geschäftseinheit nur bei Erfüllung bestimmter zusätzlicher Voraussetzungen als qualifiziert anerkannt. Eine Anerkennung erfolgt in diesen Fällen insbesondere dann, wenn es sich bei dem Gläubiger der erlassenen Schuld nicht um ein zu demselben Konzern wie die sanierungsbedürftige Geschäftseinheit gehörendes Unternehmen handelt. Hintergrund dieses aus den Administrativen Leitlinien der OECD übernommenen Wahlrechts ist es, in eine finanzielle Schieflage geratene Geschäftseinheiten steuerlich zu entlasten. 
  • Während die Sanktionshöhe bei Verstößen gegen das MinStG im Diskussionsentwurf noch offen blieb, wird im Referentenentwurf die Sanktionshöhe in § 92 Abs. 2 MinStG auf bis zu 30.000 Euro festgelegt. 
  • Neuerdings findet sich in § 92 Abs. 5 MinStG ferner eine Vereinfachungsregelung für die Abgabe des Mindest­steuerberichts im sog. Übergangszeitraum (bis einschl. 2027). Innerhalb des Übergangszeitraums sollen demnach Sanktionen unterbleiben, sofern der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass angemessene Maßnahmen zur rechtzeitigen, vollständigen bzw. fehlerfreien Erfüllung der Verpflichtungen aus dem MinStG unternommen wurden. 

ANDERE STEUERGESETZE
Während im Diskussionsentwurf noch keine Anpassungen in anderen Steuergesetzen enthalten waren, wurde der Referentenentwurf um mehrere Begleitmaßnahmen ergänzt:
  • Abgabenordnung: Die Vorschriften der Abgabenordnung zum Verspätungszuschlag sollen dahingehend angepasst werden, dass bei verspäteter Abgabe der Mindeststeuererklärung keine automatische Festsetzung eines Verspätungszuschlags erfolgt. Somit steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe der Mindeststeuererklärung vollumfänglich im Ermessen des Finanzamts. 
  • Außensteuergesetz: Die von nahezu allen Seiten geforderte Absenkung des Niedrigsteuersatzes bei der Hinzurechnungsbesteuerung von 25 Prozent auf 15 Prozent zur Herstellung eines Gleichlaufs zwischen Mindest­besteuerung und Hinzurechnungsbesteuerung hat nun doch Einzug in den Referentenentwurf gefunden. Das ist sehr zu begrüßen. Denn die Hinzurechnungsbesteuerung und die Vorschriften des MinStG sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar. Die durch die Hinzurechnungsbesteuerung erhobenen Steuern sind im Rahmen der Mindestbesteuerung bei der Ermittlung des effektiven Steuersatzes jedoch bis höchs­tens zu einem durch die Hinzurechnungsbesteuerung hochgeschleusten Steuerniveau von 15 Prozent berück­sich­tigungsfähig. Somit kann aufgrund der begrenzten Berücksichtigungsfähigkeit eine Verhinderung von Doppelbesteuerungen nur durch die Absenkung des Niedrigsteuersatzes der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15 Prozent vermieden werden. Die Absenkung des Niedrigsteuersatzes soll erstmalig Anwendung finden ab 1. Januar 2024.
  • Gewerbesteuer: Der Referentenentwurf sieht ferner eine Aufhebung des § 7 Satz 7-9 GewStG und somit eine Aufhebung der Gewerbesteuerpflicht von AStG-Hinzurechnungsbeträgen vor. Diese Anpassung zielt eben­falls ab auf die Herstellung eines Gleichlaufs zwischen Mindeststeuer und Hinzurechnungsbesteuerung, da auch die Mindeststeuer, die eine eigene Steuerart darstellt, nicht zu einer Erhöhung der Gewerbesteuer führt. Die Aufhebung der Gewerbesteuerpflicht von AStG-Hinzurechnungsbeträgen soll gelten ab 1. Januar 2024. 
  • Einkommensteuer: Eine weitere im Referentenentwurf enthaltene Vereinfachung stellt die vorgesehene Auf­hebung der Lizenzschranke gem. § 4j EStG dar. Durch die Lizenzschranke, die seit dem 1. Januar 2018 gilt, sind Aufwendungen für die Überlassung von Rechten an verbundene Unternehmen oder an Unternehmen mit Sitz in einem Niedrigsteuerland nur eingeschränkt abzugsfähig. Gem. dem Referentenentwurf soll die Auf­hebung der Lizenzschranke gelten ab 1. Januar 2024, d.h. letztmalige Anwendung für Aufwendungen, die vor dem 1. Januar 2024 entstehen. 

FAZIT

Durch die Vorlage des Referentenentwurfs wird nunmehr das reguläre Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer in Gang gesetzt, da der bisherige „Diskussionsentwurf“ noch als vorgelagerte Stufe außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens stand. 

Positiv zu sehen ist, dass im Referentenentwurf einige Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte der Verbände zum Diskussionsentwurf aufgegriffen wurden. Insbesondere die gesetzliche Regelung der zivilrechtlichen Aus­gleichsansprüche (und deren Steuerfreiheit) zwischen Gruppenträger und sonstigen Geschäftseinheiten, die Absenkung des Niedrigsteuersatzes der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15 Prozent sowie die Abschaffung der Lizenzschranke stellen erhebliche Erleichterungen für die Steuerpflichtigen dar. Auch die Übernahme aus den Administrativen Leitlinien der OECD betreffend des Wahlrechts zur Steuerfreiheit sog. qualifizierter Sanie­rungs­erträge dürfte für in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Geschäftseinheiten eine nicht unerhebliche Erleichterung darstellen. 

Betrachtet man den Umfang der zum Diskussionsentwurf eingegangenen Stellungnahmen, ist der Erfolg dieser der dem Gesetzgebungsverfahren vorgelagerten Einbeziehung der Interessen der Steuerpflichtigen als eher gering zu betrachten. Wichtige Anliegen der Wirtschaft bleiben weiterhin unberücksichtigt. Wünschenswert wäre aus Sicht vieler Familienunternehmen z.B. gewesen, dass im Referentenentwurf auch spezifisch deutsche Themen aufgegriffen werden, wie insbesondere Regelungen zur Behandlung von Sonderbetriebseinnahmen/-ausgaben und Ergänzungsbilanzen im Rahmen der Besteuerung von Mitunternehmerschaften. Somit sehen sich Unternehmen trotz der Nachjustierungen des Referentenentwurfs auch weiterhin mit vielen offenen Zweifels­fragen und Anwendungsproblemen konfrontiert. Die Hoffnung besteht, dass das BMF, wie angekündigt, zu vielen dieser Fragen in einem zeitnahen Anwendungsschreiben Stellung nehmen wird. Grundlegende weitere Erleichterungen in Abweichung von den Model Rules, der EU-Richtlinie und dem jetzigen Referentenentwurf wird man sich davon aber nicht erwarten können. 

Die Verbände sind zu Stellungnahmen zum Referentenentwurf bis zum 21. Juli 2023 aufgefordert. Es ist damit zu rechnen, dass der Kabinettsbeschluss über den Regierungsentwurf im August/September 2023 gefasst wird, um das Gesetzgebungsverfahren zur fristgerechten Umsetzung der EU-Richtlinie bis spätestens Ende des Jahres 2023 abzuschließen.  
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