IFRS 9: Verpflichtende Anwendung in der EU ab 2018

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veröffentlicht am 20. September 2017

 

Der neue Standard IFRS 9 zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten löst mit wenigen Ausnahmen die Regelungen des IAS 39 ab. Die Vorschriften von IAS 32 und IFRS 7 sind unter Anpassung an die Neuerungen von IFRS 9 weiterhin anzuwenden.

 

  

  

Regelungsbereiche des IFRS 9

Das übergeordnete Ziel von IFRS 9 ist die Bereitstellung einfacherer, prinzipienbasierter Regelungen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten. Die Überarbeitung ist damit auch Resultat der fortwährenden Kritik an den Regelungen des IAS 39, die sich als komplex und für den Adressaten oft als schwer verständlich erweisen.


Die Neuregelungen durch IFRS 9 umfassen 3 Teilbereiche:
  • Klassifizierung und Bewertung: Vereinfachung anhand der neu eingeführten Kriterien „Geschäftsmodellbedingung” und „Zahlungsstrombedingung”;
  • Wertminderungen: Ein neues Modell, das auf erwartete Verluste abstellt, soll eine angemessene Risikovorsorge sicherstellen;
  • Sicherungsbeziehungen: Verbesserte Abbildung durch stärkere Verzahnung von betrieblichem Risikomanagement und Hedge Accounting.

Der Anwendungsbereich von IFRS 9 ist unverändert zu IAS 39.

 

Klassifizierung und Bewertung

Für die Bewertung finanzieller Vermögenswerte wendet IFRS 9 wie bereits IAS 39 das Konzept der Katego­risierung und Bewertung an. Dazu ist jedes Finanzinstrument zunächst in eine der 3 Bewertungs­kategorien einzuordnen:
  • Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten (AC-Kategorie);
  • Ergebnisneutrale Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (FVtOCI-Kategorie);
  • Ergebniswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (FVtPL-Kategorie).

   

Die Klassifizierung eines finanziellen Vermögenswerts ist grundsätzlich von 2 Kriterien abhängig:
  • Geschäftsmodellbedingung: Die Kategorisierung ist abhängig von der Art des Geschäftsmodells, in dem das Finanzinstrument gehalten wird;
  • Zahlungsstrombedingung: Die Einordnung richtet sich nach der Ausgestaltung der vertraglichen Zahlungsströme.

 

Die Geschäftsmodellbedingung bezieht sich darauf, wie finanzielle Vermögenswerte zur Erzielung von Erträgen eingesetzt werden. Dabei wird zwischen der Vereinnahmung der vertraglichen Zahlungsströme sowie dem Verkauf des finanziellen Vermögenswerts unterschieden. Als 3. Option ist auch eine Kombination aus Halten und Verkaufen möglich.

 

Die Zahlungsstrombedingung ist erfüllt, wenn die vertraglichen Zahlungsströme zu festgelegten Zeit­punkten fällig werden und ausschließlich Tilgungs- und Zinszahlungen auf den ausstehenden Kapitalbetrag umfassen. Die Zahlungen sollen demnach den Charakter einer einfachen Kreditbeziehung aufweisen.

  

Je nach Ausprägung der Zahlungsstrom- und Geschäftsmodellbedingung werden die finanziellen Vermögens­werte einer der 3 Kategorien zugeordnet, nach der sich die Folgebewertung bestimmt. Eine Umklassifizierung ist ausschließlich bei einer Änderung des Geschäftsmodells zulässig.



 

Eine Einordnung in die AC-Kategorie kommt aufgrund der neuen Bedingungen grundsätzlich nur für Schuld­instrumente in Betracht. Derivate sowie Eigenkapitalinstrumente werden dagegen regelmäßig nicht die Zahlungsstrombedingung erfüllen.

 


 

Sofern die Zahlungsstrombedingung erfüllt ist und das Geschäftsmodell sowohl den Verkauf als auch die Vereinnahmung vertraglicher Zahlungen vorsieht, ist der finanzielle Vermögenswert der FVtOCI-Kategorie zuzuordnen. Die FVtPL-Kategorie dient als Auffangkategorie, soweit eine Einstufung in die obigen beiden Klassen nicht möglich ist.

 

Finanzielle Vermögenswerte können darüber hinaus freiwillig erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (Fair Value-Option). Dieses Wahlrecht wird künftig auf die Beseitigung eines „accounting mismatch” beschränkt. Für Eigenkapitalinstrumente besteht bei Zugang schließlich die Möglichkeit einer unwiderruflichen Zuordnung zur FVtOCI-Kategorie, sofern sie nicht lediglich zu Handelszwecken gehalten werden (FVtOCI-Option).

 

Die Klassifizierung und Bewertung finanzieller Verbindlichkeiten bleibt im Vergleich zu IAS 39 weitestgehend unverändert.

 

Wertminderungsmodell der erwarteten Verluste

Im Gegensatz zu IAS 39 stellt IFRS 9 bei der Erfassung von Wertminderungen nicht mehr auf eingetretene, sondern auf erwartete Verluste ab (sog. „Expected Loss Model”). Demnach sind Verluste bereits dann zu erfassen, wenn mit ihnen auf Basis des Kreditrisikos zu rechnen ist. Dazu sind alle Finanzinstrumente einer von 3 Stufen zuzuordnen, nach denen sich der zu erfassende Verlust richtet.

 

Bei Zugang werden alle Finanzinstrumente grundsätzlich in Stufe 1 eingeordnet. Der zu erfassende Wert­minderungsaufwand bemisst sich auf der Stufe nach dem sog. erwarteten 12-Monats-Verlust. Darunter ist der Barwert der Zahlungsausfälle zu verstehen, der sich aus möglichen Ausfallereignissen in den nächsten 12 Monaten nach dem Stichtag ergibt.  

 

Hat sich das Kreditrisiko gegenüber dem Zugangszeitpunkt signifikant erhöht, ist ein Transfer auf Stufe 2 des Wertminderungsmodells vorzunehmen. Das hat zur Folge, dass fortan eine Risikovorsorge in Höhe des Barwerts der über die gesamte Restlaufzeit erwarteten Verluste zu bilden ist.

 

Liegen objektive Hinweise auf eine Wertminderung vor, ist der Vermögenswert schließlich in Stufe 3 einzuordnen. Die Ermittlung der zu erfassenden Risikoversorge ist dabei unverändert wie auf der Stufe 2 vorzunehmen. Die Vereinnahmung von Zinserträgen im Rahmen der Effektivzinsmethode darf für diese Finanzinstrumente jedoch nur noch auf Basis des (wertgeminderten) Nettobuchwerts erfolgen. Da das Wertminderungsmodell des IFRS 9 spiegelbildlich gilt, ist ein Vermögenswert wieder in die vorherige Stufe zurück zu transferieren, falls zum Stichtag keine signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos bzw. kein objektiver Hinweis auf Wertminderung mehr vorliegt.

 

Für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Leasingforderungen besteht die Pflicht bzw. ein Wahlrecht zur Anwendung eines vereinfachten Wertminderungsmodells.  

 

Vermögenswerte, die bereits bei Zugang objektive Hinweise auf Wertminderungen aufweisen, werden ausnahmsweise schon im Zugangszeitpunkt der Stufe 3 zugeordnet. Das hat zur Folge, dass bei ihrer Einbuchung keine Risikovorsorge zu erfassen ist. Stattdessen erfolgt die Berücksichtigung des erwarteten Verlusts über einen risikoadjustierten Effektivzins. Ein Transfer zurück auf Stufe 1 oder Stufe 2 scheidet in diesen Fällen aus.

  

Hedge Accounting

Vorrangiges Ziel der neuen Regelungen zum Hedge Accounting ist eine engere Verzahnung mit dem Risiko­management des bilanzierenden Unternehmens. So wird insbesondere der Kreis der zulässigen Grund- und Sicherungsgeschäfte erweitert. Bspw. können nach IFRS 9 einzelne Risikokomponenten auch dann in eine Sicherungsbeziehung einbezogen werden, wenn sie sich auf nichtfinanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten beziehen. Voraussetzung ist, dass die Risikokomponente getrennt identifizierbar und verlässlich bewertbar ist. Darüber hinaus ist künftig auch die Designation von Nettopositionen sowie aggregierten Risikopositionen möglich, die neben klassischen Grundgeschäften auch Derivate enthalten dürfen.

 

Als weitere Neuerung wird in IFRS 9 der Umfang der erforderlichen Effektivitätsmessungen reduziert. Die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung ist demnach nur noch prospektiv anhand qualitativer Kriterien zu beurteilen. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
  • Wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument;
  • Ausfallrisiko dominiert nicht die aus der Sicherungsbeziehung resultierenden Wertänderungen;
  • Sicherungsquote spiegelt die tatsächlich zur Sicherung eingesetzte Menge des Grundgeschäfts und des Sicherungsinstruments wider.

 

Somit ist grundsätzlich kein rechnerischer Effektivitätstest mehr notwendig, mit dem die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung in der Vergangenheit nachgewiesen wird.

  

Die Einführung der sog. Rekalibrierung bewirkt, dass Sicherungsbeziehungen künftig durch eine Erhöhung oder Verringerung der Sicherungsquote nachträglich angepasst werden können – bspw. bei einer veränderten Korrelation zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument. Bislang ist in solchen Fällen regelmäßig eine Auflösung der Sicherungsbeziehung mit anschließender Neudesignation notwendig.

  

Änderungen ergeben sich auch bei der Beendigung von Sicherungsbeziehungen. Hierzu ist es nach IFRS 9 zwingend erforderlich, dass die Anwendungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind bzw. sich das Risikomanagementziel geändert hat. Eine freiwillige vorzeitige Beendigung von Sicherungsbeziehungen ist somit nicht mehr zulässig.

 

Fazit

Mit IFRS 9 wurde die Bilanzierung von Finanzinstrumenten vollständig überarbeitet. Bei der Umsetzung der neuen Vorschriften ergeben sich folglich zahlreiche Herausforderungen.    
  

So basieren die beiden neu geschaffenen Klassifikationskriterien – Geschäftsmodellbedingung und Zahlungs­strombedingung – in einem hohen Maße auf Einschätzungen und Entscheidungen des Manage­ments. Darüber hinaus bringen auch die geänderten Vorschriften zur Erfassung von Wertminderungen deutliche Änderungen mit sich. So ist künftig zu jedem Abschlussstichtag der erwartete Verlust für sämtliche finanzielle Vermögenswerte zu ermitteln. Erleichterungen werden sich am ehesten durch die Neuregelungen zum Hedge Accounting ergeben.  
  

Da die Neuregelungen bereits ab dem 1. Januar 2018 verpflichtend anzuwenden sind, sollte spätestens jetzt mit der Vorbereitung auf die erstmalige Anwendung begonnen werden.

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Karsten Luce

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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