Panafrikanisches Freihandelsabkommen (AfCFTA): Er­wei­terte Investitionschancen für deutsche Unternehmen

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Das panafrikanische Freihandelsabkommen (AfCFTA): Am 1. Januar 2021 trat die sog. panafrikanische Freihandelszone, die „African Continental Free Trade Area (AfCFTA)” in Kraft. Das Abkommen ist ein Projekt der Afrikanischen Union (AU), einen gemein­samen großen Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen zu errichten. Es ist von 54 Mitgliedsstaaten der AU unterzeichnet worden, von denen inzwischen 34 Länder den Vertrag ratifiziert haben. Das ist ein wichtiger Schritt für die Entwicklung eines ge­mein­samen Binnenmarktes auf dem zweitgrößten Kontinent der Erde.



Ziele des Abkommens

Die neue Freihandelszone mit insg. 1,2 Mrd. Menschen und 54 Staaten auf dem afrikanischen Kontinent verspricht viele Wirtschaftspotenziale für die afrikanischen Länder, aber auch für deutsche Unternehmen. Es ist ein Binnenmarkt, in dem Waren/Erzeugnisse zwischen den afrikanischen Ländern hergestellt, gekauft und verkauft sowie Handelszölle weitestgehend abgeschafft werden sollen, um den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu ermöglichen.  

Zu den wichtigsten Zielen gehören die Förderung der Produktion (Industrie) in Verbindung mit einem nach­haltigen Wachstum sowie die Stärkung des innerafrikanischen Handels mit Waren und Dienstleistungen auf dem afrikanischen Kontinent. Dazu gehören auch die Erleichterung des Personenverkehrs sowie der Wett­be­werbs- und Investitionsschutz. Mit der schrittweisen Umsetzung zu einer der weltweit größten Freihandels­zonen soll die Wirtschaft innerhalb Afrikas noch stärker (zusammen-)wachsen und über die bereits beste­henden Handelsblöcke hinaus als Ganzes vereint werden. Daraus resultiert die Chance für die afrikanischen Länder, erhebliches Wachstum zu generieren.

Gleichzeitig könnten sich auch für deutsche Unternehmen Geschäftspotenziale ergeben. Bereits seit 2016 unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Errichtung einer afrikanischen Freihandelszone über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Zugleich stellt die Freihandelszone enorme Herausforderungen für alle beteiligten Länder Afrikas dar. Die mit dem Abkommen anstehenden Aufgaben durch die Mitgliedsländer müssen nun schrittweise bewältigt werden, bspw. die Verhandlung über einheitliche Grenzkontrollen, innerafrikanische Handelszölle und Ursprungsregeln.


Aktueller Stand des innerafrikanischen Handels

Der afrikanische Kontinent gehört weltweit zu den am rasantesten wachsenden Volkswirtschaften. Allerdings beträgt der gesamtkontinentale Außenhandel innerhalb Afrikas lediglich rund 17 Prozent. Im Vergleich dazu wird der weit überwiegende Teil ihres wirtschaftlichen Handels mit den Ländern außerhalb des afrikanischen Kontinents abgewickelt. Die Ursachen dafür sind zahlreich, u.a. geschuldet durch die innerafrikanischen Handelshemmnisse und -zölle, unzureichende Verkehrsinfrastruktur, die einen störungsfreien Warentransport erschweren oder gar unmöglich machen.

Hinzu kommt, dass der überwiegende Anteil der Afrika-Exporte aus Rohstoffen (Primärgütern) besteht (Erdöl und -gas, Mineralien, Agrarerzeugnisse) und zudem hauptsächlich mit Ländern außerhalb des afrikanischen Kontinents abgewickelt wird. Die Rohstoffe unterliegen zudem sehr hohen Preisschwankungen. Darüber hinaus sind ökonomisch schwache afrikanische Länder, mit Ausnahme von bspw. Südafrika und Nigeria, in erheb­lichem Umfang von ihren Einnahmen aus den Exporten von Rohstoffen sowie Agrarprimärprodukten (wie Kakaobohnen) abhängig, wo ein (Rohstoff-)Verarbeitungssektor (Industrie) gar nicht vorhanden ist. Die industrielle Verarbeitung, bspw. von Kakao, findet überwiegend in Südafrika und Nigeria oder gar außerhalb des afrikanischen Kontinents statt. Das macht deutlich, dass viele afrikanische Länder noch immer stark importabhängig sind, etwa von Fertigwaren und Nahrungsmittelerzeugnissen, aber auch von Maschinen (Investitionsgüter) sowie weitere Waren, die die schnell wachsende Bevölkerung benötigt. Solche Waren werden sodann aus Südafrika oder Ländern außerhalb Afrikas bezogen, wie u.a. aus der Volksrepublik China, aus den USA und Europa.

Die Mitglieder der AU haben bereits erkannt, wie wichtig es ist, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und weitere Sektoren zu fördern, um sich nicht einseitig von den Einnahmen aus ihren Rohstoffexporten abhängig zu machen. Deren Zielsetzung ist es, vom reinen Fertigwarenimport nicht mehr abhängig zu sein.


Stärkung Afrikas auch auf globaler Ebene

Mit Hilfe der Freihandelszone soll die Position Afrikas zusätzlich auf globaler Ebene deutlich gestärkt werden, indem das wirtschaftliche Potenzial der teilnehmenden Länder besser genutzt wird. Laut Einschätzung der Weltbank könnten etwa bis zum Jahr 2035 die Exporte auf dem Kontinent erheblich zunehmen, das Brutto­inlandsprodukt deutlich ansteigen und viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Für die Wirtschaft Afrikas resultiert daraus die Chance, dass sie sich von den restlichen Ländern der Welt (außerhalb Afrikas) weniger abhängig macht. Derzeit entsteht bspw. in Kenia einer der größten Hochseehäfen des Kontinents, der sich künftig als ein Zugangstor zum asiatischen Markt entwickeln und sich zu einem der bedeutendsten Warenumschlagsplätze etablieren soll. Auch in Nigeria, ein Markt mit rund 196 Mio. Menschen, gibt es zahlreiche Industrien mit Produktionsstandorten. Neben Nigeria hat Südafrika die größte Volkswirt­schaft des Kontinents und dient gleichzeitig als Drehkreuz für deutsche Investitionen in den wachsenden afrikanischen Märkten der Subsahara-Länder. Das ist ein Beispiel dafür, dass Afrika von den Medien noch immer sehr einseitig als Entwicklungsland beschrieben wird – was nicht immer den Tatsachen entspricht.


Noch zahlreiche Handelshemmnisse im Weg

Bis zu den erhofften Vorteilen aus der AfCFTA wird es sicherlich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Das setzt voraus, dass die für den Abbau von Handelshemmnissen erforderlichen Modalitäten im Vorfeld auch in den einzelnen afrikanischen Staaten umgesetzt werden müssten.  

Denn noch immer beeinträchtigen sehr viele Handelshemmnisse den innerafrikanischen Handel in erheb­li­chem Maße. Ein Exporteur muss viele Hürden in Kauf nehmen, wie etwa die unzureichende Straßeninfra­struktur durch fehlende oder kaputte Transportwege für Warentransporte sowie hohe Einfuhrzölle mit beschwerlichen Ausfuhrbestimmungen. Hinzu kommen bürokratische zeitintensive Verfahren mit teils extrem langen Wartezeiten an vielen Grenzübergängen (bspw. die Vorlage von hiesigen Formularen), die einen Handel innerhalb Afrikas erschweren und die Handelskosten zudem erhöhen. Dabei müssen Unternehmen für den Export in Nachbarstaaten oft höhere Zölle zahlen als für einen Export in Länder außerhalb des afrikanischen Kontinents. Letztendlich führt das sodann zu einer Verteuerung der Produkte und zu einem nicht mehr wirtschaftlich rentablen Exportgeschäft (Wirtschaftswachstumsverlust für Afrika). Demzufolge orientieren sich viele afrikanische Länder vorwiegend nach Asien, insbesondere nach China. Das zeigt, dass die bestehenden regionalen Handelsbündnisse, wie die „East African Community (EAC)” für Ostafrika sowie weitere Wirtschafts­räume auf dem afrikanischen Kontinent zwischen denen ein wirtschaftlicher Austausch kaum stattfindet, bei weitem nicht ausreichen, um die bestehenden Potenziale auf dem gesamten Kontinent ausschöpfen zu können.

Mit der Beseitigung von zeitraubenden Exportbestimmungen sowie dem Aufbau einer angemessenen Straßeninfrastruktur, die die afrikanischen Länder miteinander verbindet, könnten afrikanische und deutsche Unternehmen von ihrem Unternehmensstandort aus (etwa Südafrika) ihre Produkte einfacher in afrikanische Nachbarländer transportieren. Denkbar wäre in einem weiteren Schritt (abhängig vom jeweiligen Entwicklungs­stand des Landes) ggf. auch der Aufbau eigener Produktionen in anderen afrikanischen Ländern.

Als weiteres Instrument wäre die Implementierung einer starken inländischen und afrikaweiten Zollverwaltung vorteilhaft und sehr hilfreich. Bei der Umsetzung der Freihandelszone sollen die notwendigen Parameter für Handel, Investitionen und Beschäftigungen in Afrika stufenweise geschaffen werden.


Neue Chancen und Vorteile auch für deutsche Unternehmen

Der steigende Bedarf nach Waren und Dienstleistungen, v.a. bedingt durch das rasant zunehmende Bevölkerungswachstum, hat dazu geführt, dass weitere Investitionsmöglichkeiten geschaffen werden müssen.

Entwicklungsbedarf gibt es in vielen Sektoren, u.a. in den Bereichen Agrarwirtschaft, Ausbildung und Gesundheit. Der hohe Nachholbedarf an Waren und Dienstleistungen, v.a. in den Bereichen Infrastruktur, Nahrungsmittel, Energie und Wassersektor bietet deutschen Unternehmen eine Chance, in Afrika unternehmerisch tätig zu werden.

Um sich diesen riesigen Markt auf dem afrikanischen Kontinent zu erschließen, ist deutschen Unternehmen anzuraten, sich ihn über Kenia, Nigeria und Südafrika als Sprungbrett in andere afrikanische Märkte zugänglich zu machen. Insbesondere verfügt Südafrika mit seiner diversifizierten Wirtschaft, modernen Infrastruktur und seinem hochentwickelten Finanzsektor mit funktionierendem Rechtssystem über ein großes Geschäfts­potenzial für deutsche Unternehmen. Mit zahlreichen Produktionsbetrieben in den Wirtschaftszentren von Johannesburg (u.a. Automobile, Nahrungsmittel, Chemie) sowie Dienstleistungen in Kapstadt (Erneuerbare Energien, Finanzen, Versicherungen, IT und Handel) bietet das Land am Kap außerdem eine breite industrielle Basis. Bislang dient die Republik Südafrika als Drehscheibe für deutsche Investitionen in die wachsenden afrikanischen Länder der Subsahara. Das könnte künftig auch weitere Länder der innerafrikanischen Freihandelszone umfassen. Denkbar wäre ein Unternehmensstandort im modernen und wirtschaftlich stark entwickelten Südafrika, um von dort aus (Drehkreuz) die afrikanischen Märkte zu beliefern. Ein deutscher Fruchtsafthersteller mit Produktionsstandort in Südafrika könnte sodann die mit seinen Abfüllanlagen aus Deutschland hergestellten Säfte aus frischen Früchten aus der entsprechenden Region in weitere afrikanische Länder exportieren.

Für einen Automobilhersteller wäre zugleich vorstellbar, die für seine Fahrzeugfertigung benötigten Innenausstattungskomponenten, wie etwa Fahrzeugsitzbezüge aus Äthiopien oder Eisen für Motorblöcke aus Uganda (preisgünstig) zu beziehen.

Mit der Gründung von Produktionsbetrieben, bspw. im Nahrungsmittelsektor oder in der Automobilindustrie, könnten zudem Zulieferer- und Abnehmerbranchen für die gesamte afrikanische Region entstehen. Bspw. könnten deutsche Maschinenbauunternehmen neue Produktionsfabriken mit Maschinen und technischer Ausstattung ausrüsten. Das könnte deutsche Investoren motivieren, verstärkt Produktionsstandorte (zunächst in Südafrika) aufzubauen, um letztendlich ihre Produkte verstärkt auf dem afrikanischen Kontinent absetzen zu können. Schließlich könnte sich demzufolge in der Region auch der Einzelhandels- sowie Dienstleistungssektor verstärken, etwa in den Wirtschaftsbereichen Gastronomie, Catering, Transport und Unternehmensberatung.

Durch einen gesamtafrikanischen Markt für afrikanische sowie für deutsche Unternehmen, die in Afrika ansässig sind, könnten der Handel und die Dienstleistungen für die Unternehmen deutlich attraktiver werden.

Für in Deutschland ansässige Unternehmen, die ihre Produkte nach Afrika exportieren, bleibt abzuwarten, wie sich für sie die Höhe der Handelskosten künftig entwickelt. Allerdings ist denkbar, dass bestehende Zollbestimmungen zwischen den einzelnen afrikanischen Staaten und der Europäischen Union trotz der AfCFTA zunächst (noch) bestehen bleiben. Wann und inwieweit künftig ein einheitlicher afrikanischer Außenzoll umgesetzt wird, hängt sicherlich auch vom politischen Umsetzungswillen und dem Engagement der einzelnen afrikanischen Staaten ab.


Aufgaben für ein gemeinsames Projekt

Mit der Einrichtung der panafrikanischen Freihandelszone werden Weichen gestellt, um bestehende Hemm­nisse abzubauen, die nationalen Handelsgesetze zu reformieren und zu vereinheitlichen sowie die Produktion und den Handel auf dem afrikanischen Kontinent insgesamt zu erhöhen. Das stellt die Länder vor enorme Herausforderungen. Es ist davon auszugehen, dass die Effekte in den einzelnen Ländern u.a. aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstands in den einzelnen afrikanischen Ländern zunächst unterschiedlich stark ausfallen werden.

Vor dem Hintergrund der noch zu bewältigenden Aufgaben bleibt es abzuwarten, inwieweit es gelingt, dass sich die Wirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent dynamischer entwickelt als bisher. Verhandlungen über die konkreten weiteren Schritte zwischen den einzelnen Länderverantwortlichen (Kommission der AU), sollen kontinuierlich stattfinden sowie weitere Details in den kommenden Monaten schrittweise erarbeitet werden.

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Nicola Lohrey

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