Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft: Organschaft mit (Tochter)Personengesellschaften ab 1. Januar 2019

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zuletzt aktualisiert am 31. Oktober 2018
Die deutsche Finanzverwaltung nimmt seit Mitte 2017 bestimmte Personen­gesell­schaften als poten­zielle Organgesellschaften in den umsatz­steuerlichen Organkreis auf. Sie setzt damit die revolu­tionierende Rechtsprechung des BFH mit seinen Urteilen vom 2. Dezember 2015 (Az. V R 25/13) sowie vom 19. Januar 2016 (Az. XI R 38/12) um, sodass eine Organgesellschaft entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht nur eine sog. juristische Person (i.d.R. Kapitalgesell­schaften), sondern auch eine Personengesellschaft sein kann.
 
Diese Änderungen in der Verwaltungs­auffassung zur umsatzsteuerlichen Organschaft sind auf nach dem 31. Dezember 2018 ausgeführte Umsätze zwingend anzuwenden. Bislang bestehende Übergangsregelungen laufen zum Jahresende 2018 aus; ab 1. Januar 2019 gelten die im UStAE bereits enthaltenen Regelungen. Das führt – ab 1. Januar 2019 zwingend – zu wesentlichen Änderungen für Konzernstrukturen, in denen (bestimmte) Tochter­personengesellschaften, v.a. in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, vorliegen, die sich als Organ­ge­sell­schaften qualifizieren können und somit in den umsatzsteuerlichen Organkreis bei den entsprechenden Voraussetzungen nunmehr verpflichtend einzubeziehen sind. 

Hintergrund

Die umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist eine Zusammenfassung von herrschen­dem Organträger und abhängiger Organgesellschaft, in der die Organgesellschaft nicht mehr als umsatz­steuerlicher Unternehmer gilt. Nur der Organträger gilt als der Unternehmer für den Organkreis und meldet – verfahrens­rechtlich und erklärungstechnisch gesehen – die (Ein- und Ausgangs-)Umsätze des Organkreises an die Finanzbehörde.
 
Nach derzeitigem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt eine umsatz­steuerliche Organschaft vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist und insoweit der Organträger seinen Willen gegenüber den Organgesellschaften durchsetzen kann.

Feststellungen des BFH: Änderung der Rechtsprechung

Entgegen seiner früheren Rechtsprechung hält der BFH mit seinen Urteilen vom 2. Dezember 2015 (Az. V R 25/13) sowie vom 19. Januar 2016 (Az. XI R 38/12) den Einbezug von Personengesellschaften als Organ­gesellschaften in den Organkreis für möglich. Die im deutschen UStG generelle Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften ist laut BFH nicht haltbar.
 
Nach Ansicht des 5. Senats mit Urteil vom 2. Dezember 2015 (Az. V R 25/13) sollen durch „teleologische Extension” der deutschen Norm jedoch nur solche Personengesellschaften betroffen sein, bei denen neben dem Organträger nur Gesellschafter vorhanden sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organ­trägers finanziell eingegliedert sind, z.B. die kapitalistisch strukturierte GmbH & Co. KG.
 
Grundsätzlich hält also der BFH im Interesse einer einfachen, rechtssicheren Bestimmung des Steuer­schuldners im Organkreis explizit am generellen Ausschluss von Personengesellschaften als Organgesell­schaften fest. Denn über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person – eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit – könne rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden, was so nicht für (alle) Personengesellschaften gilt. Sofern die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unter­nehmen des Organträgers eingegliedert sind, ist es – selbst bei Anwendung des bei einer Personen­gesellschaft vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzips – möglich, die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft zu gewährleisten.
 
Der 11. Senat des BFH folgt den Aussagen des EuGH bei seiner Nachfolgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 16. Juli 2015 in der Rechtssache Larentia+Minerva (C-108/14). Der EuGH entschied, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit seinem Wortlaut „wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsäch­lichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist” insoweit unionsrechtswidrig ist, wenn dies meint, dass eine GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht Organgesellschaft sein kann.
 
Daher legt der 11. Senat des BFH den Wortlaut „juristische Person” des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dahingehend richtlinienkonform aus, dass darunter auch eine GmbH & Co. KG fällt. Der Ausschluss einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft sei weder zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken noch zur Vermeidung von Steuer­hinterziehung oder -umgehungen erforderlich und angemessen.       

Offene Fragen nach Urteilen des BFH

In dem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach dem Urteil des 5. Senats des BFH lediglich solche Personen­gesellschaften und damit auch wohl nur solche GmbH & Co. KGs betroffen sind, bei denen neben dem Organ­träger nur Gesellschafter vorhanden sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (ebenfalls) in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Im Urteil des 11. Senats vom 19. Januar 2016 (Az. XI R 38/12) wurde dagegen trotz eines Fremdanteils die GmbH & Co. KG als Organgesellschaft angenommen.
 
Es ist daher fraglich, ob der 11. Senat des BFH die engere Betrachtungsweise des 5. Senats teilt oder nicht. Denn im vorliegenden Sachverhalt war die Führungsholding als Kommanditist an der GmbH & Co. KG (nur) zu 99 Prozent neben einem weiteren Gesellschafter beteiligt, sodass in der Struktur mit einem Fremdanteil ein „Einstimmigkeitsprinzip” nicht besteht, das der 5. Senat des BFH verlangt: Danach sollen lediglich solche Personen­gesellschaften betroffen sein, bei denen neben dem Organträger nur Gesell­schafter vorhanden sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind.   

Änderung der Ansicht der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 26. Mai 2017 (veröffentlicht am 1. Juni 2017) die neuere Recht­sprechung des BFH umgesetzt und lässt Personengesellschaften als potenzielle Organgesellschaften zu. Dabei bezieht sich die Finanzverwaltung auf die engere Betrachtungsweise des 5. Senats. Nach dem nun­mehrigen Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE sind Personengesellschaften finanziell in das Unternehmen des Organ­trägers ein­ge­gliedert, wenn dieser sämtliche Gesellschaftsanteile der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar hält: „Die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft setzt voraus, dass Gesellschafter der Personen­gesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unter­nehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.” Für die notwendige Beteiligung des Organträgers seien auch mittelbare Beteiligungen ausreichend.
 
Die Änderungen in der Verwaltungsauffassung zur umsatzsteuerlichen Organschaft sind auf nach dem 31. Dezember 2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Eine frühere Anwendung wurde bis dahin jedoch laut BMF-Schreiben nicht beanstandet, wenn sich die am Organkreis Beteiligten bei der Beurteilung des Umfangs der umsatzsteuerlichen Organschaft übereinstimmend auf das BMF-Schreiben berufen.

Hinweise für die Praxis und Handlungsempfehlungen

Die umsatzsteuerliche Organschaft, die (inhaltlich wie zeitlich) andere Voraussetzungen hat als etwa die körperschaftsteuerliche oder gewerbesteuerliche Organschaft, ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Konzerne und Unternehmensgruppen, denen Gesellschaften ohne oder nur mit teilweiser Vorsteuerab­zugs­berechtigung angehören, z.B. Banken, Versicherungen, Vermietungs- und Bauunternehmen, Kranken­häuser, Alten- oder Pflegeheime. Aufgrund der Organschaft ist es Unternehmen in diesen Bereichen möglich, unter­einander Leistungen zu erbringen, die nicht umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sind und so nicht zur Entstehung von Vorsteuerbeträgen führen, die wegen des fehlenden Vorsteuerab­zugsrechts eines leistungs­empfangenden verbundenen Unternehmens nicht abziehbar und damit Kostenfaktor wären. Zudem bietet die Organschaft i.d.R.  administrative Vereinfachungen.
 
Bei Konzernstrukturen, die bisher keine Organschaft (ggf. bewusst) durch Gestaltung der Beteiligungs­ge­sell­schaften als Personengesellschaften begründet haben, könnten potenziell kapitalistische Personen­gesellschaften als Organgesellschaften in Frage kommen. Werden in der Beteiligungskette eines Organkreises auch von (Enkel-)Personengesellschaften die Vorgaben des BFH erfüllt, dürfte wohl ein Einbezug dieser in den Organkreis erforderlich sein, selbst wenn die übergeordnete Tochtergesellschaft in die Organschaftsstruktur nicht selbst eingebunden ist (sog. „Blasentheorie” der Finanzverwaltung).
 
In Konzernstrukturen sollte nun mit Blick auf die auslaufende Übergangsregelung zum 31. Dezember 2018 der damit verpflichtende Einbezug einer Personengesellschaft in den Organkreis dringend bis zum Jahresende geprüft werden.
 
V.a. ist zu beurteilen, ob Personengesellschaften, die zu 100 Prozent vom Organträger oder dessen Tochter­gesellschaften gehalten werden, unter den weiteren Eingliederungsvoraussetzungen in einen umsatz­steuer­lichen Organkreis einzubeziehen sind; dies insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsfolgen, mit denen dann konzerninterne Leistungsverrechnungen nicht mehr steuerbar wären und für die der Organträger die Umsätze zu melden hätte.
 
Auch die praktischen Folgen für umsatzsteuerliche Risikomanagement- und Compliance-Prozesse (z.B. Ein­stellungen im ERP-System, Abrechnungs- und Reportingabläufe) müssen beachtet werden. Soll eine umsatzsteuerliche Organschaft vermieden oder begründet werden, sollten auch die  gesellschafts­rechtlichen Maßnahmen in Bezug darauf überlegt werden.

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