Finanzielle Resilienz – Die handelsrechtliche Fortführungsannahme

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​​​​​​​​​​veröffentlicht am 12. September 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten 
 
​Die deutsche Wirtschaft steht weiter unter Druck. Im Jahr 2024 haben 22,4 % mehr Unternehmen Insolvenz angemeldet als im Vorjahr 2023 (Quelle: Statistisches Bundesamt). Auch für das laufende Jahr scheint (noch) keine Entspannung der Situation einzutreten. Durch weiter anhaltende geopolitische Spannungen und Handelskonflikte, u.a. mit den USA, sind Unternehmen nahezu aller Größenklassen und Branchen betroffen. 


R​egulatorik

Bei der Bewertung der im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden ist gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB grundsätzlich von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit (auch: Going Concern) auszugehen, es sei denn, dass der Fortführung tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Die Einschätzung ist von den gesetzlichen Vertretern des Unternehmens vorzunehmen und hat sich auf einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten ab dem Abschlussstichtag zu erstrecken. Gemäß § 1 StaRUG sind zudem die zur Geschäftsführung berufenen Organe verpflichtet, fortlaufend die Entwicklungen, welche den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können, zu überwachen. Sofern demnach Ereignisse und Gegebenheiten festgestellt werden, welche bedeutsame Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, beginnt und umfasst der Prognosehorizont 12 Monate gerechnet ab dem Aufstellungszeitpunkt des Jahresabschlusses.

Bedeutung von Fremdfinanzierungen und Covenants

Nicht erst in wirtschaftlich und geopolitisch herausfordernden Zeiten ist es von großer Bedeutung zu prüfen, ob derartige Gegebenheiten vorliegen. Bei einer fremdfinanzierten Finanzierungsstruktur werden überwiegend in den Kreditverträgen Covenants vereinbart, welche über die Dauer der Fremdfinanzierung eingehalten werden müssen. Hierfür ist ein frühzeitiges und kontinuierliches Monitoring hinsichtlich der Einhaltung der Covenants essenziell. Durch das Monitoring und das Erkennen von potenziellen Covenant-Brüchen kann frühzeitig gegengesteuert werden, um einen Bruch der vereinbarten Covenants und damit das Risiko eines außerordentlichen Kündigungsrechtes des Kreditgebers und damit den Verlust eines etwaigen wesentlichen Finanzierungsbausteins zu vermeiden.

Das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) hat am 07.05.2025 ein Fragen-​Antworten-Papier zum Thema „Going Concern und Insolvenz“ veröffentlicht. Hier werden häufig gestellte Fragen im Kontext der Aufstellung, Erstellung und Prüfung behandelt. Hinsichtlich einer Covenant-Verletzung ist demnach zu unterscheiden zu welchem Zeitpunkt diese vorliegt bzw. vorliegen wird. Tritt diese Verletzung bis zum Ende des Aufstellungs­zeitraums des Jahresabschlusses ein, kann diese mittels einer Vereinbarung mit dem Kreditgeber, welcher auf sein Recht auf außerordentliche Kündigung des Kreditvertrages verzichtet (sog. „Waiver“), geheilt werden. Im Falle einer (potenziellen) Verletzung während des Prognosezeitraums hat eine umfassende Würdigung in Form einer Gesamtschau zu erfolgen. In jedem Fall sollte bei vorliegenden Covenant-Verletzungen eine Aussetzung des jeweiligen Covenants mit dem Kreditgeber vereinbart werden, um die Finanzierungszusage im Prognosezeitraum zu sichern. 

Finanzierungen, die innerhalb des Prognosezeitraums fällig werden, müssen mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit refinanziert bzw. zurückgezahlt werden können. Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Refinanzierung bzw. möglichen Rückzahlung ist durch das Geschäftsführungsorgans entsprechend mit Nachweisen in Form von Verträgen bzw. anderer Unterlagenzu belegen und zu dokumentieren. Eine Abkehr von der Fortführungsannahme ist hingegen dann zwingend, wenn die gesetzlichen Vertreter gezwungen sind das Unternehmen zu liquidieren oder die Unternehmenstätigkeit einzustellen, d.h. wenn keine realistische Alternative besteht. Die Annahme der Fortführung ist demnach auch im Insolvenzfall weiter zutreffend, wenn bspw. ein glaubhafter Insolvenzplan vorhanden ist und keine Entscheidung zur Liquidation getroffen wurde.

Fazit

Unternehmen sollten die Entwicklungen im Blick behalten und ein angemessenes Überwachungssystem implementieren um frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Unternehmen geraten nicht überraschend in eine Liquiditätskrise. Jeder Liquiditätskrise geht eine Strategiekrise und eine darauf beruhende Ertragskrise voran. Ein wirksames Krisenfrüherkennungsmanagement setzt demnach zeitlich weit vor dem Stadium von Liquiditätsproblemen an. 

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