Die Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen nach dem neuen Stiftungsrecht

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veröffentlicht am 9. Februar 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten

 

Jahrzehntelang wurde in der Politik um eine Reform des Stiftungsrechts gerungen. Seit Inkrafttreten des BGB fehlte hier eine umfassende, einheitliche und deutschlandweit gültige Regelung. Vielmehr war das Stiftungsrecht bisher nur rudimentär im BGB geregelt. Mehr oder weniger umfangreiche Regelungen fanden sich ergänzend dazu in den Stiftungsgesetzen der Länder. 
 
  

Ab dem 1. Juli 2023 wird sich das ändern und das Stiftungs(privat)recht abschließend im BGB geregelt sein. Erstmals wird es dann auch bundesgesetzliche Regelungen zur Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen geben. Ein Bedürfnis hierfür besteht in der Praxis vor allem im Hinblick auf sog. notleidende Stiftungen, d.h. Stiftungen, die nicht über ein ausreichendes Grundstockvermögen verfügen, um ihre satzungsmäßigen Zwecke sachgerecht zu erfüllen. Solche Stiftungen stellen die Praxis oft vor Probleme, da sie bislang häufig weder sinnvoll umgestaltet noch aufgelöst werden konnten.

 

Zulegung und Zusammenlegung sind gewissermaßen das stiftungsrechtliche Äquivalent zu Umwandlungen von Gesellschaften. Eine Zulegung ist hierbei die Übertragung des Stiftungsvermögens einer oder mehrerer Stiftungen auf eine bestehende andere Stiftung, vergleichbar der Verschmelzung zur Aufnahme. Eine Zusammenlegung ist dagegen die Übertragung des Stiftungsvermögens von mehreren Stiftungen auf eine neu zu errichtende Stiftung, vergleichbar der Verschmelzung zur Neugründung.

 

Bislang aufwendiges Verfahren bei Zulegung und Zusammenlegung

Auch nach der bisherigen Rechtslage waren Zulegungen oder Zusammenlegungen von Stiftungen grundsätzlich möglich (siehe bspw. Art. 8 Abs. 3 und 4 BayStiftG). Zulegung und Zusammenlegung waren jedoch bislang als besondere Form der Aufhebung der Stiftung ausgestaltet. Sie unterlagen entsprechend strengen Voraussetzungen. Sie setzten nach § 87 BGB in der bis 30.06.2023 gültigen Fassung die Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks oder eine Gemeinwohlgefährdung des Stiftungszwecks voraus. Das war insbesondere ein Hindernis für notleidende Stiftungen, bei denen die Erfüllung des Stiftungszwecks zwar nicht unmöglich, aber nicht mehr sinnvoll oder effektiv möglich ist. Zudem konnte das Stiftungsvermögen bei einer Zulegung oder Zusammenlegung nach bisheriger Rechtslage erst nach Liquidation der übertragenden Stiftung, Ablauf eines Sperrjahres und nur durch aufwändige Einzelrechtsnachfolge auf die übernehmende Stiftung übertragen werden. Das Zulegungs- oder Zusammenlegungsverfahren war entsprechend langwierig und setzte ein Wohlwollen der Stiftungsaufsicht voraus. Ein weiteres Problem nach bisherigem Recht war, dass die Satzung der übertragenden Stiftung in der Regel bei Auflösung bestimmte Anfallberechtigte vorsah, an die das Stiftungsvermögen bei Auflösung fallen sollte. Stimmten diese Anfallberechtigten nicht mit der übernehmenden Stiftung überein, war zunächst eine Satzungsänderung der übertragenden Stiftung erforderlich, sofern die Anfallberechtigten nicht zugunsten der übernehmenden Stiftung auf ihre Anfallberechtigung verzichteten.

 

Umwandlungsrecht ist keine Alternative

Umwandlungsmaßnahmen unter Beteiligung von Stiftungen sind nur in begrenztem Umfang zulässig und daher keine Alternative zu Zulegung oder Zusammenlegung. So ist die Auf- oder Abspaltung von Stiftungsvermögen rechtspolitisch nicht gewollt. Diese Maßnahmen sind nicht vereinbar mit dem Grundsatz der ewigen Vermögenserhaltung der Stiftung. Danach ist das Stiftungsvermögen grundsätzlich in seinem Bestand zu erhalten und darf nicht ohne Gegenleistung auf andere Rechtsträger übertragen werden. Zulässig ist einzig die Ausgliederung eines von der Stiftung betriebenen Unternehmens auf einen übernehmenden Rechtsträger, an dem die Stiftung als alleiniger Gesellschafter beteiligt ist (§ 124 Abs. 1 UmwG). Hintergrund dieser Regelung ist, dass durch den Gesetzgeber ein praktisches Bedürfnis gesehen wurde, ein von der Stiftung betriebenes Unternehmen in eine Handelsgesellschaft zu überführen. Das stellt keinen Verstoß gegen den Vermögenserhaltungsgrundsatz dar, da die Ausgliederung für die Stiftung als bloßer Aktivtausch (ausgegliedertes Vermögen gegen Anteile des übernehmenden Rechtsträgers) keinen Einfluss auf das Stiftungsvermögen hat. Voraussetzung der Ausgliederung ist allerdings, dass die Stiftung selbst Unternehmen im Sinne des Umwandlungsrechts und im Handelsregister eingetragen ist. Die Ausgliederung richtet sich nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes. Der Formwechsel einer Gesellschaft in eine Stiftung wurde im Zuge der Einführung des Umwandlungsgesetzes zwar diskutiert, war jedoch ebenfalls rechtspolitisch nicht gewollt. Ist die Übertragung eines Unternehmens oder einer Beteiligung von einer Gesellschaft auf eine Stiftung beabsichtigt, bleibt nur die Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge, bspw. im Rahmen einer Zustiftung. Schließlich können Stiftungen auch nicht an Verschmelzungen beteiligt sein.

 

Detaillierte Regelungen zu Zulegung und Zusammenlegung nach neuem Recht

Mit Wirkung zum 1. Juli 2023 werden nun die Voraussetzungen, das Verfahren und die Wirkung von Zulegungen und Zusammenlegungen detailliert und abschließend im BGB geregelt. Das bringt einige Erleichterungen und erhebliche Rechtssicherheit für betroffene Stiftungen.

 

So können Zulegung und Zusammenlegung künftig unter bestimmten gesetzlich geregelten Voraussetzungen durch Vertrag der beteiligten Stiftungen erfolgen. Er bedarf der Genehmigung durch die zuständige Stiftungsbehörde. Erforderlich sind zudem wie bisher Beschlüsse der satzungsmäßig zuständigen Stiftungsorgane der beteiligten Stiftungen und – falls das wie in der Praxis üblich in der Satzung einer beteiligten Stiftung vorgesehen ist – die Zustimmung des Stifters.

 

Daneben kann zukünftig auch die zuständige Stiftungsbehörde eine Zulegung oder Zusammenlegung anordnen. Das gilt auch dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulegung oder Zusammenlegung durch Vertrag nicht vorliegen. Lediglich die übernehmende Stiftung muss dann zustimmen. Hierdurch eröffnen sich insbesondere Gestaltungsmöglichkeiten für notleidende Stiftungen, eine behördliche Zulegung oder Zusammenlegung anzuregen, wenn die Voraussetzungen für eine Zulegung oder Zusammenlegung durch Vertrag nicht gegeben sind.

 

Künftige Voraussetzungen von Zulegung und Zusammenlegung

Die Voraussetzungen einer Zulegung oder Zusammenlegung durch Vertrag sind zukünftig gesetzlich geregelt. Sie setzten insbesondere voraus, dass sich die Verhältnisse der übertragenden Stiftung seit der Errichtung wesentlich verändert haben und eine Satzungsänderung nicht ausreicht, um die übertragende Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Eine Unmöglichkeit der Zweckerfüllung ist damit nicht mehr Voraussetzung für eine Zulegung oder Zusammenlegung. Bei einer Zulegung muss der Zweck der übertragenden Stiftung zudem im Wesentlichen zumindest einem Zweck der übernehmenden Stiftung entsprechen; eine vollständige Zweckidentität von übertragender und übernehmender Stiftung wird dagegen nicht erforderlich sein. Weiterhin muss gesichert erscheinen, dass die übernehmende Stiftung ihren Zweck bzw. im Fall der Zusammenlegung die Zwecke der übertragenden Stiftungen im Wesentlichen in gleicher Weise dauernd und nachhaltig erfüllen kann. Hierfür ist ggf. eine Satzungsänderung der übernehmenden Stiftung erforderlich, die in einem Zug mit dem Zulegungs- oder Zusammenlegungsbeschluss erfolgen kann. Schließlich müssen die Rechte von Personen gewahrt werden, die nach der Satzung der übertragenden Stiftungen Ansprüche auf Stiftungsleistungen haben. Das können insbesondere die Destinatäre der übertragenden Stiftung sein, sofern sie ausnahmsweise einen klagbaren Anspruch auf Auszahlung gegen die übertragende Stiftung haben. Die Rechte der Anfallsberechtigten der übertragenden Stiftung sind dagegen im Zulegungs- oder Zusammenlegungsverfahren anders als bislang grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Anders als bislang können eine Änderung der Satzung der übertragenden Stiftung oder die Zustimmung der Anfallberechtigten zu Zulegung oder Zusammenlegung daher zukünftig regelmäßig unterbleiben. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich, wenn sich aus der Auslegung des Stifterwillens ergibt, dass der Stifter das Vermögen der übertragenden Stiftung bei Auflösung unbedingt den Anfallberechtigten zukommen lassen wollte. Dann ist die Zulegung oder Zusammenlegung wegen Verstoßes gegen den Stifterwillen (jedenfalls durch Vertrag der beteiligten Stiftungen) unzulässig. Praktisch dürfte das eher selten relevant werden, da die Auslegung des Stifterwillen in der Regel ergeben dürfte, dass es diesem vorrangig auf die Erfüllung der Stiftungszwecke ankam (egal durch welchen Rechtsträger), statt darauf, das Stiftungsvermögen bei Auflösung der Stiftung bestimmten Personen zuzuwenden. Bei der Satzungsgestaltung empfiehlt sich aber dennoch eine präzise Regelung.

 

Wirkung von Zulegung und Zusammenlegung nach neuem Recht

Wichtige Folge der Gesetzesreform im Bereich von Zulegung und Zusammenlegung ist, dass sie künftig einen Übergang des Stiftungsvermögens mittels Gesamtrechtsnachfolge bewirken. Mit der Unanfechtbarkeit des Zulegungs- oder Zusammenlegungsvertrags geht das Stiftungsvermögen auf die übernehmende Stiftung über und erlischt die übertragende Stiftung. Im Fall der Zusammenlegung entsteht in diesem Zeitpunkt auch die übernehmende Stiftung.

 

Rechtssicherheit für die Praxis bewirkt darüber hinaus künftig die Heilungswirkung der Genehmigung der Stiftungsbehörde bzgl. etwaiger Mängel des Zulegungs- oder Zusammenlegungsvertrages. Dagegen wurden Mängel der Zulegungs- oder Zusammenlegungsbeschlüsse der Organe der beteiligten Stiftungen nach bisher gültiger Rechtslage nicht durch die behördliche Genehmigung der Zulegung oder Zusammenlegung geheilt. Es blieb somit bei Beschlussmängeln dauerhaft eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Beschlüsse und damit der Zulegung oder Zusammenlegung.

 

Nach Abschluss der Zulegung oder Zusammenlegung ist sie durch die übernehmende Stiftung im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Das bisher erforderliche Sperrjahr vor Übertragung des Stiftungsvermögens der übertragenden Stiftung entfällt zukünftig. Der hierdurch bezweckte Schutz der Gläubiger der übertragenden Stiftung wird stattdessen durch die unter bestimmten Bedingungen bestehende Pflicht zur Sicherheitsleistung der übernehmenden Stiftung an die Altgläubiger der übertragenden Stiftung erreicht. Das Zulegungs- und Zusammenlegungsverfahren verkürzt sich dadurch ganz erheblich.

Für die Praxis ist schließlich zu beachten, dass das neue Recht nicht automatisch für im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 01.07.2023 noch laufende Zulegungs- oder Zusammenlegungsverfahren gilt. In diesen Verfahren muss vielmehr der Ablauf des Sperrjahrs abgewartet werden, bis das Stiftungsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge übertragen werden kann.

 

Alternative: Umwandlung in Verbrauchsstiftung

Speziell für Stiftungen mit nicht für die Zweckverfolgung ausreichendem Grundstockvermögen enthält das neue Stiftungsrecht eine Alternative zur Zulegung oder Zusammenlegung. § 85 Abs. 1 Satz 4 BGB in der Fassung vom 01.07.2023 sieht vor, dass eine Ewigkeitsstiftung unter bestimmten Bedingungen in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt werden kann. Eine Verbrauchsstiftung ist eine Stiftung, deren Stiftungsvermögen über einen bestimmten Zeitraum verbraucht wird und die damit nicht dem Vermögenserhaltungsgrundsatz unterliegt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Stiftungszweck durch die Ewigkeitsstiftung nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann, wohl aber durch Verbrauch des Stiftungsvermögens über einen bestimmten Zeitraum. Dieser Zeitraum muss mindestens zehn Jahre betragen. Weitere Voraussetzung für die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung ist zudem, dass der Stifterwille dem nicht entgegensteht. Auch hier kann durch entsprechende Satzungsgestaltung Klarheit geschaffen werden.

Reicht das Stiftungsvermögen nicht aus, um den Stiftungszweck für mindestens zehn Jahre nachhaltig zu erfüllen, kommen nur Zulegung oder Zusammenlegung (ggf. durch Anordnung der Stiftungsbehörde) sowie Zweckänderung oder Auflösung der Stiftung in Betracht.

 

Fazit

Die Gesetzesreform bringt durch die Einführung der Gesamtrechtsnachfolge und den Entfall des Sperrjahrs bei Zulegungen und Zusammenlegungen von Stiftungen erhebliche Erleichterungen für die Praxis. Durch die detaillierte Regelung der Voraussetzungen und Wirkungen von Zulegung und Zusammenlegung sowie die Heilungswirkung der Genehmigung der Stiftungsbehörde sind Zulegungen und Zusammenlegungen künftig rechtssicherer möglich als bisher und sollten Eingang in die Satzungsgestaltung finden.

 

Dennoch ist wie bisher eine sorgfältige Planung von Zulegungen und Zusammenlegungen und die Abstimmung des geplanten Vorgehens mit der zuständigen Stiftungsbehörde erforderlich. Auch bei der Satzungsgestaltung von neu zu errichtenden Stiftungen gilt es Vorkehrungen für den Fall der Zulegung, Zusammenlegung und ggf. die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung zu treffen.

 

Stiftungen, die gegenwärtig eine Zulegung oder Zusammenlegung in Betracht ziehen, sollten daher nach Möglichkeit das Inkrafttreten des neuen Stiftungsrechts am 1. Juli 2023 noch abwarten, um von den Vorteilen der Gesetzesreform zu profitieren.

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