Steueramnestien und Neubewertung des Anlagevermögens türkischer Steuerpflichtiger – Steuerliche Regelungen, Nachzahlungen und Vorteile

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veröffentlicht am 24. Juni 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

    
Steueramnestien und Neubewertungen sind beliebte Instrumente in der Türkei, um Gesellschaften von Zeit zu Zeit steuerliche Vorteile zu verschaffen. Nicht zuletzt durch die aktuell von der Pandemie geprägte Wirtschaftslage hat sich das Eigenkapital einiger Unternehmen verringert, bzw. sich bis hin zu einer Unterbilanz entwickelt. Um Abhilfe zu schaffen, kann die Gefahr von Betriebsprüfungen durch das Finanzamt oder auch nachträgliche Veranlagungen sowie einhergehende Bußgelder mithilfe dieser Regelungen beseitigt werden. Im Gegenzug ist zunächst der Steuerabfluss gut abzuwägen.
 

  

  

  

Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über die Besonderheiten des letzten Gesetzes hinsichtlich der Steueramnestie und Neubewertungsmöglichkeit  der Immobilen und abschreibungsfähigen Wirtschaftsgüter  türkischer Gesellschaften darzustellen.

 

Steueramnestie für türkische Steuerpflichtige

Mit dem Inkrafttreten des Gesetztes Nr. 7326 vom 9. Juni 2021 über Regelungen zur Erhöhung von Steuern und steuerlichen Bemessungsgrundlagen wurden Möglichkeiten für Steueramnestien hinsichtlich der Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer sowie Quellensteuer eingeräumt. Die Frist für die Antragsstellung zur Inanspruchnahme der Amnestie endet jeweils am 31. August 2021. Die einhergehende Steuerschuld kann in sechs gleichen Raten oder mit einem 10 prozentigen Nachlass innerhalb einer Frist nach Antragstellung beglichen werden.

 

1. Körperschaftsteuer

Die Erhöhung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage stellt ein Wahlrecht für unbeschränkt Steuerpflichtige dar. Die Erhöhung ist anwendbar für die Jahre 2016 bis 2020, wobei das entweder für alle oder auch nur für einzelne Geschäftsjahre durchgeführt werden kann. Wird das Wahlrecht in Anspruch genommen, so ist die ursprüngliche Bemessungsgrundlage jeweils um die nachfolgenden Prozentsätze, mindestens jedoch um den Mindesterhöhungsbetrag zu erhöhen. Daraus errechnet sich eine mindestens 20 prozentige Steuerschuld wie folgt:

 

JahrErhöhungssatzMindesterhöhungsbetrag KSt-BemessungsgrundlageKSt-Steuerschuld (20%)
201635%TRY 94.000,00TRY 18.800,00
201730%TRY 99.600,00TRY 19.920,00
201825%TRY 105.800,00TRY 21.160,00
201920%TRY 112.400,00TRY 22.480,00
202015%TRY 127.500,00TRY 25.500,00

 

Wird eine Erhöhung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage beantragt und die dadurch resultierende Steuerschuld beglichen, so wird das Unternehmen von einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt oder zusätzlichen Veranlagungen hinsichtlich der Körperschaftsteuer für die entsprechenden Geschäftsjahre befreit.

 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass vor dem Inkrafttretensdatum des Gesetzes bereits eingeleitete und laufende Betriebsprüfungen, die bis einschließlich zum 2. August 2021 noch nicht abgeschlossen wurden, ebenfalls im Zuge der Inanspruchnahme der Steueramnestiemöglichkeit beendet und nicht mehr weitergeführt werden.

 

Eine steuerliche Besonderheit birgt die Steueramnestie jedoch hinsichtlich bestehender steuerlicher Verlustvorträge. Für den Fall, dass steuerliche Verlustvorträge aus den letzten fünf Geschäftsjahren vorliegen, wird die Hälfte der bestehenden Verlustvorträge für die Geschäftsjahre in denen die Körperschaftsteuer­bemessungsgrundlage erhöht worden sind, gekürzt.

 

2. Umsatzsteuer

Gleiche Regelungen gelten für die Steueramnestie im Rahmen der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 bis 2020. Hierbei muss die Jahressumme der Umsatzsteuer aller ausgestellten Ausgangsrechnungen im betreffenden Jahr um nachfolgende Prozentsätze erhöht bzw. nachträglich an das Finanzamt abgeführt werden.

 

Jahr20162017201820192020
Erhöhungssatz3,00%3,00%2,50%2,00%2,00%

 

Bei dieser Erhöhung der Umsatzsteuer sind im Einzelfall alle Veranlagungen im jeweiligen Jahr zu überprüfen. Gab es beispielsweise in einem Jahr nur vier Veranlagungszeiträume, so sind diese vier Veranlagungen im Durchschnitt auf die insgesamt zwölf Veranlagungszeiträume bzw. Monate hochzurechnen. Die Erhöhung und abzuführende Steuerschuld bestimmt sich aus dieser Hochrechnung in Multiplikation mit dem entsprechenden Erhöhungssatz. Für den Fall, dass es in einem Jahr weniger als drei Veranlagungen gab, ist die USt-Erhöhung für dieses Jahr um 18 Prozent der Erhöhung der jeweiligen KSt-Bemessungsgrundlage vorzunehmen.

 

3. Quellensteuer

Analog wird im Rahmen der Quellensteuer verfahren. Grundlage für die Erhöhung bildet die Jahressumme der ursprünglichen Quellensteuer-Bemessungsgrundlage aus Löhnen und Gehältern, Mieteinnahmen, freiberufliche Einnahmen oder sonstigen der Quellensteuer unterworfenen Einnahmen. Auch hier sind im Einzelfall alle Veranlagungen im jeweiligen Jahr zu überprüfen und im Durchschnitt auf insgesamt zwölf Veranlagungszeiträume bzw. Monate hochzurechnen. Die nachfolgenden Prozentsätze sind dabei zu berücksichtigen:

 

Jahr20162017201820192020
Erhöhungssatz6,00%5,00%4,00%3,00%2,00%

 

Neubewertung von Anlagevermögen

Mit gleichlautendem Gesetz Nr. 7326 vom 9. Juni 2021 wurde ebenfalls die Neubewertung von Immobilien und abschreibungsfähigen Wirtschaftsgütern eingeführt. Demzufolge besteht erneut das Wahlrecht, Gebäude, Anlagen, Fahrzeuge oder sonstige Sachanlagen und/oder abschreibungsfähige Vermögenswerte neuzubewerten. Unbeschränkt Steuerpflichtige und bilanzierungspflichtige Personen können einmalig bis zum 31. Dezember 2021 von diesem Wahlrecht Gebrauch machen.

 

Ausgenommen von dieser Regelung sind Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungssektor wie bspw. Kreditinstitute, Versicherungen, Rückversicherer oder Pensionsfonds. Ebenfalls ist die Neubewertung von Anlagen, die vermietet oder verpachtet werden, oder für Immobilienunternehmen untersagt. 

 

Alle zum 9. Juni 2021 in die Bilanz aufgenommenen Vermögenswerte können dem zeitanteiligen Erzeugerpreisindex zugeschrieben werden. Für die Bestimmung des neuen Wertes der Anlagen wird der nationale Erzeugerpreisindex von Mai 2021 im Verhältnis zum nationalen Erzeugerpreisindex vom Folgemonat des Anschaffungsmonats des jeweiligen Anlagevermögens zugrunde gelegt. Bei Anlagevermögen, das bereits zu einem früheren Zeitpunkt neubewertet wurde, ist der nationale Erzeugerpreisindex vom Mai 2018 heranzuziehen.

 

Die Zuschreibung erfolgt auf der Passivseite über eine Neubewertungsrücklage als Unterposten im Eigenkapital. Diese Neubewertungsrücklage kann lediglich in gezeichnetes Kapital umgewandelt, nicht aber an Anteilseigner ausgeschüttet werden. Bei Veräußerung der neubewerteten Vermögenswerte kann die Neubewertungsrücklage weiterhin erhalten bleiben.

 

Im Rahmen der Neubewertung wird auf den Zuschreibungsbetrag eine pauschale Steuer von zwei Prozent erhoben. Die resultierende Ertragsteuer wird separat spätestens bis zum Ende des Folgemonats der Neubewertung deklariert. Die Steuerschuld kann in drei gleichen Raten gezahlt werden, wobei die erste Rate binnen der Deklarationsfrist ebenfalls bis zum Ende des Folgemonats der Neubewertung fällig ist.

 

Die Abschreibung erfolgt im Weiteren auf den zugeschriebenen Wert, sodass die Neubewertung ebenfalls jährlich abgeschrieben und als Betriebsausgaben geltend gemacht wird. Die relevante Nutzungsdauer und Abschreibungsquote bleiben durch die Neubewertung unberührt. Im Falle der Veräußerung der neubewerteten Anlagengüter wird der angepasste Wert bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes berücksichtigt.

 

Fazit

Steueramnestien und die Neubewertung von Immobilien und abschreibungsfähigen Wirtschaftsgütern bieten Möglichkeiten, von steuerlichen Vorteilen zu profitieren. Durch Steuernachzahlungen können Unternehmen von Betriebsprüfungen oder zusätzlichen Veranlagungen befreit und sogar bereits laufende Prüfungen vorzeitig beendet werden. Insbesondere die Neubewertung hat eine positive Auswirkung auf das Eigenkapital, das für Unternehmen mit einem sog. verdeckten Eigenkapital (Thin Cap) von hoher Signifikanz sein kann. Ebenso kann beim Verkauf von Anlagevermögen der Veräußerungsgewinn (abzgl. der Abschreibungen bis zum Verkaufsdatum) und die damit einhergehende Ertragsteuer deutlich vermindert werden.

 

Um von solchen Regelungen nachhaltig profitieren zu können, sind resultierende Steuernachzahlungen und ggfs. das Verfallen von Verlustvorträgen auch aus Liquiditätsgesichtspunkten zu prüfen und beurteilen. Solche Möglichkeiten stellen jedoch generell für die Steuerpflichtigen, die die Aufgaben zeitgerecht erfüllen, einen Nachteil dar.

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