Zollkodex-Anpassungsgesetz 2.0: Dem Porsche-Modell droht das Aus

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Einer wichtigen Form der Unternehmensumstrukturierung, nämlich der Einbringung, droht eine Verschärfung der Anforderungen für die Buchwertfortführung und damit für die Steuerneutralität solcher Vorgänge. Das geht aus dem Regierungsentwurf für ein „Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum ZollkodexAnpG und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften” vom 25. März 2015 hervor. Bare Zuzahlungen und sonstige Gegenleistungen, die bisher ein wertvolles Gestaltungsmittel bei Umstrukturierungen waren, sollen nur noch begrenzt zulässig sein. Die Änderung wird auch bereits vollzogene Einbringungen des Jahres 2015 treffen.
 

Hintergrund

Der Aufschrei in der Finanzverwaltung war groß, als ein bekanntes deutsches Großunternehmen (VW) im Sommer 2012 eine Beteiligung an einem Mitbewerber (Porsche) erwarb, dafür eine milliardenschwere Zahlung leistete und diese Transaktion trotzdem „steuerneutral” durchgeführt werden konnte. Enthält das Umwandlungssteuergesetz mit der Zulassung eines Mischentgeltes tatsächlich die Möglichkeit zu einem steuerfreien Unternehmensverkauf? Können dem Staat berechtigte Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entzogen werden?
 
Der Bundesrat scheint davon überzeugt zu sein, denn das „Stopfen” dieses „Steuerschlupfloches” war sein größtes Anliegen im Rahmen des ZollkodexAnpG. Der Bundesrat hatte diesem Gesetz am 19. Dezember 2014 nur zugestimmt, nachdem sich die Bundesregierung in einer „Protokollerklärung” verpflichtet hatte, zu dieser und weiteren Änderungsforderungen, die auf eine spätere Prüfung verschoben werden sollten, im 1. Quartal 2015 einen Gesetzesentwurf vorzulegen.
 
Die Bundesregierung hat sich von den Befürchtungen der Länder anstecken lassen und sieht nunmehr in einer Jahrzehnte alten, bewährten Regelung des Umwandlungssteuergesetzes eine „systemwidrige” Lücke, die schnellstmöglich geschlossen werden muss. Alle Argumente aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Beraterschaft, dass sonstige Gegenleistungen ein übliches und notwendiges Mittel zum Ausgleich von Beteiligungsverhältnissen bei Umstrukturierungen sind und es sich beim „Porsche-Modell” um einen nicht zu verallgemeinernden Extremfall handelt, der zudem nicht zu einem Ausfall eines berechtigten Steueranspruchs des Staates führt, haben bisher nicht gefruchtet: Die baren Zuzahlungen oder sonstigen Gegenleistungen, die bei der Einbringung von Betrieben in Personen- oder Kapitalgesellschaften (§§ 20, 24 UmwStG) oder beim Anteilstausch an Kapitalgesellschaften (§ 21 UmwStG) bisher lediglich durch den Buchwert des eingebrachten Vermögens beschränkt wurden, sollen zwar nicht vollständig abgeschafft, aber weiter eingegrenzt werden.
 

Beschränkung des Mischentgeltes

Zukünftig soll das Wahlrecht zum Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten im Rahmen von Umstrukturierungen nach § 20 UmwStG (Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten), § 24 UmwStG (Einbringung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine Mitunternehmerschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) und § 21 UmwStG (Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen, sog. qualifizierter Anteilstausch) nur noch gelten, soweit der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen, die neben den neu zu gewährenden Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erbracht werden, nicht mehr beträgt als 25 Prozent des Buchwertes des eingebrachten Vermögens. (Hinweis: der Bundesrat hatte eine Schwelle von 10 Prozent gefordert; man darf gespannt sein, welche Grenze sich tatsächlich durchsetzen wird). Dieselben Grenzen sollen gelten, wenn für sperrfristbehaftete Anteile im Rahmen einer Weitereinbringung (§ 22 Abs. 2 UmwStG) auch sonstige Gegenleistungen erbracht werden; werden diese überschritten, kommt es insoweit innerhalb der Sperrfrist zu einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung.
 
  • Beispiel 1:

    Es wird eine Mehrheitsbeteiligung nach § 21 UmwStG in eine andere Kapitalgesellschaft eingebracht. Der Buchwert beträgt 10 Mio. EUR. Die maximal zulässige sonstige Gegenleistung ist auf 2,5 Mio. begrenzt.
     
    Für kleine Unternehmen soll es als Erleichterung eine zweite Grenze geben: Danach darf die Gegenleistung alternativ („oder”) 300.000 EUR, max. den Buchwert der Anteile nicht überschreiten.

 

  • Beispiel 2:

    Es wird eine Mehrheitsbeteiligung eingebracht, deren gemeiner Wert 900.000 EUR beträgt. Der Buchwert beträgt 400.000 EUR. Es werden Anteile im Nominalbetrag von 140.000 EUR gewährt und zusätzlich eine bare Zuzahlung von 250.000 EUR vereinbart.
     
    Die maximal zulässige Zuzahlung nach der Grundregel beträgt 25 Prozent von 400.000 EUR = 100.000 EUR. Nach der Alternativregelung ist die Zuzahlung aber erst bei 300.000 EUR gedeckelt, auch wenn sie die 25%-Grenze überschreitet. Der Anteilstausch ist zu Buchwerten möglich, da die vereinbarte Zuzahlung die absolute Grenze von 300.000 EUR nicht überschreitet.

 

  • Beispiel 3:

    Die einzubringende Beteiligung hat einen gemeinen Wert von 400.000 EUR und einen Buchwert von 150.000 EUR. Die maximale sonstige Gegenleistung nach der Grundregel beträgt 37.500 EUR. Nach der Alternativregelung können aber bis zu 149.999 EUR bare Zuzahlung geleistet werden (bei Gewährung nur eines neuen Anteils mit einem Nennwert von 1 EUR), ohne den Buchwertansatz zu gefährden. 

  

Teilweise Besteuerung der Einbringung

Was aber passiert, wenn die Grenzen für ein zulässiges Mischentgelt überschritten werden? Es soll nicht etwa zu einer vollständigen Versagung des Buchwert- oder Teilwertansatzes kommen, sondern zu einer Verhältnisrechnung, zu welchem Teil die Einbringung zu Buchwerten, also steuerneutral, erfolgen kann und zu welchem Teil ein steuerpflichtiger Veräußerungsvorgang vorliegt – so jedenfalls die Gesetzesbegründung in einem Rechenbeispiel. Im Gesetzestext findet man diese Regelung nicht ausdrücklich wieder, man wird sie wohl aus der Verwendung des Wortes „soweit” ableiten müssen.

 

 

  • Beispiel 4 (nach Gesetzesentwurf):

    Die einzubringende Beteiligung hat einen gemeinen Wert von 5 Mio. EUR und einen Buchwert von 2 Mio. EUR. Es wird eine bare Zuzahlung von 1 Mio. EUR vereinbart.
     

    Grenzberechnung

    Gemeiner Wert sonstige Gegenleistung 1.000.000 €
      Höchstens 25% Buchwert (Regelgrenze) - 500.000 €
      Übersteigende Gegenleistung 500.000 €
         

    Verhältnisrechnung

    (Gemeiner Wert eingebrachtes Vermögen – übersteigende Gegenleistung)/Gemeiner Wert eingebrachtes Vermögen = Anteil, zu dem die Buchwerte angesetzt werden können
      (5 Mio. EUR – 500.000 EUR)/5 Mio. EUR 90%

    Wertansatz beim Übernehmenden

    Buchwertfortführung: 90% von 2 Mio. EUR 1.800.000 €
    Überschreitende Gegenleistung + 500.000 €
        2.300.000 €
         

    Einbringungsgewinn des Einbringenden

    Veräußerungspreis 2.300.000 €
    Buchwert der eingebrachten Beteiligung - 2.000.000 €
        300.000 €
         

    Anschaffungskosten des
    Einbringenden für
    übernommene Anteile

    Wertansatz beim Übernehmenden 2.300.000 €
    Wert der gesamten sonstigen Gegenleistung - 1.000.000 €
      1.300.000 €
       
    Die Gegenprobe zeigt, dass die Neuregelung zumindest der Gesetzessystematik entspricht: die gesamten stillen Reserven in der Beteiligung vor Einbringung betragen 3 Mio. EUR. Bei der Einbringung werden davon 300.000 EUR versteuert. Würden die sperrfristbehafteten Anteile anschließend zum gemeinen Wert von 4 Mio. EUR veräußert, würden weitere 2,7 Mio. EUR als Einbringungsgewinn I der Besteuerung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG unterliegen. Würde die eingebrachte Beteiligung veräußert, würden ebenfalls 2,7 Mio. EUR als Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 UmwStG zu versteuern sein.
 

Einbringungen werden erschwert

Auch wenn die Begrenzung der sonstigen Gegenleistung mit 25 Prozent des Buchwertes des eingebrachten Vermögens zunächst moderat erscheint, wird sie die Flexibilität zukünftiger Umstrukturierungen erheblich einschränken. Dabei ist zu bedenken, dass „sonstige Gegenleistungen” nicht nur in baren Zuzahlungen bestehen können, sondern auch bei der Übernahme von Verbindlichkeiten oder bei der Gutschrift auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto (Darlehenskonto). Lediglich die Gutschrift auf einem (gesamthänderisch gebundenen) Rücklagenkonto ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht als Mischentgelt anzusehen.
 
Oftmals erfordern die Gesellschaftersituation und die Wertverhältnisse bei einer Umstrukturierung höhere Ausgleichszahlungen als die nun für die Steuerneutralität gesetzte Grenze, um die beabsichtigten Beteiligungs- und Wertverhältnisse abbilden zu können. In vielen Fällen wird eine Umstrukturierung auch zum Anlass genommen, die Kapitalverhältnisse an geänderte Verhältnisse und Bedürfnisse anzupassen, indem z.B. bei der Einbringung in eine Familien-Holding mit einer Beteiligung im Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten aus einem entgeltlichen Erwerb übernommen oder Darlehenskonten der Altgesellschafter dotiert werden. Die neuen Regelungen ziehen für solche sinnvollen Gestaltungen jetzt enge Grenzen. Schließlich werden Darlehenskonten als sonstige Gegenleistung häufig gewährt, um den Wert von miteinzubringenden Gesellschafterdarlehen oder sonstigem Sonderbetriebsvermögen wirtschaftlich adäquat auszugleichen; eine 25%-Grenze ist hier völlig unangemessen. Inwieweit solche Möglichkeiten weiterhin uneingeschränkt genutzt werden können (z.B. durch Zuordnung sonstiger Gegenleistungen vorrangig zu bestimmten Teilen des eingebrachten Vermögens, z.B. dem eingebrachten Gesellschafterdarlehen oder den refinanzierten Anteilen), ist noch nicht geklärt.
 

Rückwirkende Anwendung

Die Verschärfung der §§ 20, 21 und 24 UmwStG soll rückwirkend ab dem 01. Januar 2015 gelten, d.h. für alle Einbringungen, die nach dem 31 Dezember 2014 beschlossen oder vertraglich vereinbart werden. Sie trifft damit nicht nur zukünftige Umstrukturierungen, sondern auch alle Maßnahmen, die im I. Quartal 2015 noch ohne Kenntnis dieses Gesetzentwurfs beschlossen wurden. Ist diese Rückwirkung verfassungsrechtlich zulässig? Die Bundesregierung sagt ja, wegen des Charakters der Ertragssteuern als Jahressteuer und weil ein schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen auf die alte Rechtslage aufgrund der Protokollerklärung zum ZollkodexAnpG nicht mehr bestehe. Natürlich gibt es hierzu bereits Gegenstimmen. Nicht auszuschließen ist, dass diese Frage wieder einmal nur vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden kann.
 
Wer kein Risiko eingehen will, wird sich für Umstrukturierungen in der Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits an die geplanten Beschränkungen der sonstigen Gegenleistungen halten müssen.
 

Update

Am 25. September 2015 hat der Deutsche Bundestag die Verschärfung des Buchwertwahlrechtes nach §§ 20, 21, 24 UmwStG bei Gewährung sonstiger Gegenleistungen im Rahmen des nunmehr Steueränderungsgesetzes 2015 genannten Maßnahmenpaketes beschlossen. Der Bundesrat hat am 16. Oktober 2015 zugestimmt (verkündet am 05. November 2015 im BGBl 2015 Teil 1, Nr. 43, S. 1834).
 
Lediglich die Alternativgrenze für kleine Unternehmen wurde von 300.000 Euro auf 500.000 Euro erhöht.
 
zuletzt aktualisiert am 19.11.2015
 
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