Umwandlung in eine Societas Europaea (SE): Die Unter­neh­mens­be­wertung

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zuletzt aktualisiert am 13. Januar 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten
 
Die Eintragung der SE in das Handelsregister setzt aus Gründen des Gläubiger­schutzes voraus, dass ein oder mehrere unabhängige Sachverständige (Umwandlungs­prüfer) bescheinigen, dass die Gesellschaft über eine ausrei­chen­de Kapitalaus­stattung verfügt. Eine solche Wert­haltig­keits­prüfung erfolgt anhand einer Unterneh­mens­bewer­tung. Sie soll sicherstellen, dass die durch Umwandlung entstehende SE zum Zeitpunkt ihrer Eintragung keine Unterdeckung des zu deckenden Kapitals aufweist.

 




Rechtliche Grundlagen der Umwandlung in eine SE

Gesetzliche Grundlage der Umwandlung einer AG in eine SE sind Artikel 2 Abs. 4 sowie Artikel 37 Abs. 1 SE-VO. Durch die Umwandlung einer AG in eine SE erfolgt keine Auflösung der Gesellschaft oder eine Gründung einer neuen juristischen Person. Die Gesellschaft bleibt in ihrer Identität erhalten, ein Vermögensübergang erfolgt nicht.

Die Umwandlung setzt voraus, dass die Gesellschaft über einen Nettovermögenswert mind. in Höhe ihres Grundkapitals zzgl. der kraft Gesetz oder Statut nicht ausschüttungsfähigen Rücklagen verfügt.

Die Kapitaldeckung ist durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen (Umwandlungsprüfer) zu prüfen und zu bescheinigen (Werthaltigkeitsbescheinigung). Der Sachverständige muss in einem Bericht die angewandten Bewertungsverfahren nennen und angeben, ob der anhand der angewandten Bewertungs­verfahren ermittelte Nettovermögenswert mind. dem zu deckenden Kapital entspricht. In Deutschland sind für die Umwandlungsprüfung ausschließlich Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchführer zugelassen.


Wertermittlung durch den Umwandlungsprüfer

Für die Ermittlung des Nettovermögenswerts der Gesellschaft ist zu beachten, dass er nur aus Werten von Vermögensgegenständen bestehen darf, deren wirtschaftliche Werte auch feststellbar sind.

Es kommt allerdings nicht auf die sich aus einer landesspezifischen Norm ergebende Bilanzierungsfähigkeit oder -pflicht der Vermögensgegenstände an. Losgelöst von der Formulierung „Nettovermögenswert”, der einen Einzelbewertungsansatz suggeriert, kann auch ein Gesamtbewertungsansatz gewählt werden.


Ermittlung des bilanziellen Nettovermögens

Zunächst wird der Sachverständige prüfen, ob das zu deckende Kapital bereits durch den Buchwert des Nettovermögens erreicht wird.


Der auf Basis einer HGB-Bilanz abgeleitete Buchwert (sog. bilanzielles Nettovermögen) stellt i.d.R. eine Wertuntergrenze dar. Das liegt an den Ausprägungen des Vorsichtsprinzips im HGB, neben dem entsprechend niedrigen/hohen Ansatz von Vermögensgegenständen bzw. Schuldposten insbesondere dem Einzelbe­wer­tungs­­grundsatz und den Aktivierungsverboten. Der bilanzielle Einzelbewertungsgrundsatz lässt wertbildende Verbundeffekte einzelner Vermögensgegenstände unberücksichtigt. Die Aktivierungsverbote, i.W. für bestimmte selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter, wie Marken, führen ebenfalls zu einem geringen Buchwert des Nettovermögens.

Besteht bereits eine Kapitaldeckung durch die Buchwerte der nach HGB bilanzierten Vermögensgegenstände und Schulden, kann auf den Ansatz von Werten nicht bilanzierter Vermögenswerte und erst recht auf eine sog. Gesamtbewertung verzichtet werden. Gleiches gilt bei einer Kapitaldeckung durch Buchwerte nach einer IFRS-Bilanz wegen des Investorenfokus der IFRS-Regelungen, der eine Bildung von stillen Reserven weit weniger zulässt, erst bei einer ausreichend starken Überdeckung.


Unternehmensbewertung

Unterschreitet das bilanzielle Nettovermögen das zu deckende Kapital, ist es notwendig, eine Bewertung von Vermögensgegenständen und Schuldposten zu Marktwerten oder eine sog. Gesamtbewertung durchzuführen. In der Praxis wird i.d.R. eine Gesamtbewertung durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine Unternehmens­bewertung mittels eines kapitalwertorientierten Verfahrens, wie der Ertragswertmethode oder einer Discounted-Cash-Flow-Methode; beide Methoden führen bei konsistenten Prämissen zum selben Bewertungsergebnis.

Der aufgrund einer Gesamtbewertung bestimmte Nettovermögenswert übersteigt regelmäßig den auf Basis einer Einzelbewertung ermittelten Nettovermögenswert.

Der Umwandlungsprüfer orientiert sich bei seinem Werthaltigkeitstest grundsätzlich und regelmäßig an den aktuell gültigen IDW Standards IDW S 1 „Grundzüge zur Durchführung von Unternehmensbewertungen” und IDW RS HFA 10 „Anwendung der Grundsätze des IDW S 1 bei der Bewertung von Beteiligungen und sonstigen Unternehmensanteilen für die Zwecke eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses”.


Marktkapitalisierung

Bei börsennotierten AGs bietet sich als weitere Indikation für die Höhe des Nettovermögens der Börsenkurs der Aktien an, da in ihm die Marktwerteinschätzung einer Vielzahl von Kapitalmarktteilnehmern zum Ausdruck kommt. Maßstab für das Nettovermögen ist die sog. Marktkapitalisierung. Sie ergibt sich als Produkt aus dem Preis (Börsenkurs) und der Anzahl der Aktien und entspricht der Marktbewertung des Eigenkapitals. Um dabei eine verzerrte Wertindikation zu vermeiden, ist nach herrschender Rechtsauffassung und der Empfehlung des IDW kein Stichtagskurs, sondern ein anhand der Handelsvolumina gewichteter Durchschnittskurs eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor der Hauptversammlung, an der die Umwandlung beschlossen werden soll, heranzuziehen; zudem ist gemäß IDW sicherzustellen, dass die Aktien im Dreimonatszeitraum ausreichend marktgängig waren und keinen Marktverwerfungen oder -manipulationen unterlegen haben, um als Wertmaßstab verwendet werden zu können. In der Praxis wird die Wertindikation der Marktkapitalisierung lediglich zur Plausibilisierung des Ergebnisses einer Unternehmensbewertung angewandt.


Fazit

Der Sachverständige prüft die Kapitaldeckung in einem ersten Schritt anhand des  Nettovermögens (zu bilanziellen Buchwerten). Ist das Kapital nicht bereits danach gedeckt, führt er eine Unternehmensbewertung anhand der Kapitalwertmethode durch. Bei börsennotierten AGs kann er die Marktkapitalisierung als Plausibilisierungsmaßstab heranziehen.

Kontakt

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Christian Hellbardt

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Certified Valuation Analyst (CVA)

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