Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

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Waagevon Alexander Saueracker
 
Der Einsatz von Handelsvertretern ist in Deutschland nach wie vor eine der populärsten Vertriebsformen. Dies hat nicht zuletzt seine Ursache darin, dass die Einschaltung eines Handelsvertreters ein ideales Instrument zur Erschließung neuer Märkte bzw. Kundenkreise darstellt.
 
Ein hoher Grad der Kundenbindung, vielfältige, vertraglich ausgestaltbare Einflussmöglichkeiten auf die konkrete Tätigkeit des Handelsvertreters sowie insbesondere die geringen Anlaufinvestitionen sind die wesentlichen Vorteile eines Handelsvertreters – verglichen mit dem Aufbau einer eigenen Vertriebsorganisation durch eigene Mitarbeiter oder mittels eigener Niederlassungen. Die Provisionen, die dem Handelsvertreter für seine Vermittlungstätigkeit geschuldet sind, können zudem transparent im Rahmen der eigenen Preisgestaltung berücksichtigt werden.
 

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

Nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) steht dem Handelsvertreter bei Beendigung der Vertragsbeziehung mit dem Unternehmer grundsätzlich zwingend ein Ausgleich für die für den Unternehmer geworbenen Kunden zu. Dieser Ausgleichsanspruch kann im Voraus vertraglich von den Parteien nicht abgeändert oder ausgeschlossen werden. Der Anspruch selbst stellt eine Kompensation für die vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenbeziehungen dar, die nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses rechtlich dem Unternehmer (und nicht dem Handelsvertreter) zugeordnet werden. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist vom Gesetz nur in ganz bestimmten Fällen ausgeschlossen, wie etwa bei der Eigenkündigung des Handelsvertreters oder der Kündigung des Vertrags durch den Unternehmer aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters.
 

Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs

Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs sind zum einen der Umstand, dass der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen, vom Handelsvertreter geworbenen Kunden auch nach Vertragsbeendigung noch erhebliche Vorteile hat. Zudem muss die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Billigkeit entsprechen. Das früher geltende Kriterium, dass die Höhe des Ausgleichsanspruchs mit den dem Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung entstehenden Provisionsverlusten korrelieren muss, ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2009 nicht mehr anspruchseinschränkend heranzuziehen. Derartige Provisionsverluste seien allenfalls im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Der Ausgleichsanspruch kann nunmehr auch höher sein als die tatsächlichen Provisionsverluste, die der Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung erleidet. Hinsichtlich der Höhe ist der Ausgleichsanspruch nach dem Gesetz auf den Betrag einer nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechneten Jahresprovision gedeckelt.
 

Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs

Von zentraler Bedeutung für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nunmehr die Frage, in welchem (finanziell quantifizierbaren) Ausmaß dem Unternehmer tatsächlich Vorteile aus der Tätigkeit des Handelsvertreters zugeflossen sind. Die Ermittlung dieser Unternehmervorteile erfordert in aller Regel Einblick in die unternehmerische Rechnungslegung und Buchhaltung. Dem trägt die Rechtsprechung mit weitgehenden Auskunfts- und Bucheinsichtsrechten des Handelsvertreters Rechnung. Typischerweise besteht daher ein großes Interesse des Unternehmers daran, derartige Einsichtnahme in die Bücher durch den Handelsvertreter zu unterbinden. Dies mag in vielerlei Fällen zu einer deutlichen Erhöhung der Vergleichsbereitschaft führen, um eine solche Offenlegung vor Gericht zu vermeiden.
 

Fazit

Die vermeintlich ideale Vertriebsform mittels Handelsvertreter birgt in der Tat viele Vorzüge. Gleichwohl ist eine rechtzeitige Befassung mit Fragen des Ausgleichsanspruchs im Rahmen von Handelsvertreterverhältnissen dringend anzuraten, insbesondere vor dem Hintergrund der Vermeidung der Offenlegung von sensiblen Unternehmensdaten an den Handelsvertreter im Rahmen einer Auseinandersetzung über die Ausgleichsberechnung. Hier gilt also im Besonderen: „Was immer du tust, handele klug und bedenke das Ende.”
 
zuletzt aktualisiert am 25.03.2015

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Horst Grätz

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