Unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters

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veröffentlicht am 29. November 2017


Im Handelsvertretervertrag darf das Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 9. März 2017 (Az. 23 U 2601/16) kann eine unzulässige Einschränkung der Kündi­gungsfreiheit zu Lasten des Handelsvertreters gegeben sein, wenn die Kündigung durch den Han­dels­vertreter für ihn mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbunden ist.

 
Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall forderte eine Versicherungsgesellschaft als Klägerin von dem beklagten Versicherungsvertreter die Rückzahlung von gewährten Provisionsvorschüssen in Höhe von 21.426,90 Euro.

 
Der zwischen den Parteien bestehende Vertretervertrag sah unter der Überschrift „Provisionsgarantie” u.a. eine monatliche Mindestprovision in Höhe von 2.500 Euro vor; die Provisionsgutschriften sollten auf einem „Garantie­konto” angesammelt werden. Weiter hieß es: „Das Garantiekonto wird erst nach Ablauf der Garantie­zeit abgerechnet. Ein angesammelter Überverdienst wird ausbezahlt, ein verbleibender Unterver­dienst ist vom Vertreter auszugleichen. (…) Endet das Vertragsverhältnis wider Erwarten vor Ablauf der vereinbarten Garantiezeit, endet auch die Garantiezusage entsprechend.”

 
Die Klägerin hatte das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten gekündigt und von ihm den Ausgleich des Negativsaldos auf dem Vorschusskonto verlangt.

 

Entscheidung

Erstinstanzlich hat das LG Landshut die Klage abgewiesen und die Entscheidung auf das Bestehen eines mündlich geschlossenen Erlassvertrages gestützt. Das OLG München hat die Berufung zurückgewiesen und dabei die Nichtigkeit der vertraglichen Rückzahlungsverpflichtung nach §§ 89a Abs. 1 S. 2, 92 Abs. 2 HGB, § 134 BGB festgestellt. Nach § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB dürfe das Recht zur außerordentlichen Kündigung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Eine solche Beschränkung der Kündigungsfreiheit zu Lasten des Handelsvertreters könne auch dann vorliegen, wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende finanzielle Nachteile geknüpft werden. Das könne auch bei Vertragsklauseln der Fall sein, die eine Rückzahlung langfristiger Provisionsvorschusszahlungen bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter vorsehen.

 

Nicht jede der Klauseln führt aber zwangsläufig zur Nichtigkeit. Auch das OLG München betont, dass es sich hierbei um eine Entscheidung handelt, die nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist. Maßgeblich dürfte sein, dass aus der Regelung wesentliche finanzielle Nachteile für den Vertreter bei der Lösung vom Vertrag resultieren. Kriterien hierfür sind insbesondere die Höhe des nach der betreffenden Klausel zurückzuzahlenden Betrages und der Zeitraum, auf den sich die Rückzahlungsverpflichtung erstreckt. Wesentliche Nachteile können sich darüber hinaus  auch noch in anderer Form ergeben, z.B. durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Fall der Kündigung, Vereinbarung mehrjähriger und ungleicher Kündigungsfristen, Verfall einer vom Handelsvertreter gestellten Sicherheit oder der Gewährung eines zinsfreien Darlehens, verbunden mit der Pflicht zur nachträglichen Verzinsung im Falle der Vertragsbe­endigung durch den Handelsvertreter.

 

Fazit

Die Entscheidung bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, sollte aber insbesondere noch einmal Anlass sein, die Klauseln in Handels- bzw. Versicherungsvertreterverträgen kritisch daraufhin zu überprüf­en, ob in den entsprechenden Regelungen eine Einschränkung der Kündigungsfreiheit gesehen werden kann. Tatsächlich enthalten viele der Verträge Klauseln, die finanzielle Nachteile für den Vertreter mit sich bringen, wenn er seinerseits das Vertragsverhältnis (ordentlich oder außerordentlich) beenden will. Im ungünstigsten, aber – wie das Urteil des OLG München zeigt – nicht unwahrscheinlichen Fall, können vertraglich vereinbarte (Rück-)Zahlungen aufgrund der Nichtigkeit der betreffenden Klausel nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

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Dirk Christian Kolata

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