Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungs­gesetzes zur Abgabenordnung

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​Sachstand

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BMF-Refe­rentenentwurf

Gesetzentwurf

Bundesregierung

Bundestag:
1. Lesung

Bundesrat: Stellung­nahme

Finanzaus-
schuss des
Bundestages

Bundestag: 2./3. Lesung

Bundesrat: Beschluss

Verkündung im BGBl

14.2.2022 30.3.2022  12.5.2022 20.5.2022 22.6.2022
23.6.2022
​8.7.2022
​21.7.2022

  

veröffentlicht am 11. August 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Seit geraumer Zeit hatte große Kritik am Verzinsungssatz für Steuernachforderungen und -erstattungen geherrscht. Der Zinssatz hatte seit mehr als 50 Jahren unverändert 6 Prozent p.a. betragen, obwohl in den letzten Jahren das allgemeine Zinsniveau weit darunter lag, Guthabenzinsen bei quasi Null lagen und teils sogar Strafzinsen fällig wurden. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht am 8. Juli 2021 entschieden, dass zumindest für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2014 ein Verzinsungsniveau von monatlich 0,5 Prozent (entspricht 6 Prozent p.a.) für Steuernachforderungen und -er­stattungen (§ 233a AO) verfassungswidrig ist. (Stundungs-, Hinterziehungs- und Aus­setzungszinsen werden ausdrücklich nicht von der Entscheidung des Bundesver­fas­sungsgerichts erfasst.) 

 

Das Bundesverfassungsgericht beließ es trotz Verfassungswidrigkeit bei einer An­wendbarkeit der bisherigen Zinshöhe für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018. Für Verzinsungszeiträume ab 2019 wurde der Gesetzgeber aufgefordert, eine verfas­sungsgemäße Neuregelung bis zum 31. Juli 2022 zu treffen. Diese Anforderung soll nun das „Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ erfüllen.

 

 

 

   

Inhalt:

Neuregelung Zinssatz bei Vollverzinsung gem. § 233a AO

  • § 238 Absatz 1a – neu – AO: Der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 beträgt 0,15 Prozent je Monat, das entspricht 1,8 Prozent für ein volles Jahr. 
  • § 238 Absatz 1b – neu – AO: Sind aufgrund der Gesetzesänderung unterschiedliche Zinssätze für den Ver­zinsungszeitraum anzuwenden, ist eine tagesgenaue Aufteilung in entsprechende Teilverzinsungszeiträume vorzunehmen.
  • § 238 Absatz 1c – neu – AO: Regelmäßige Überprüfung der Angemessenheit des Zinssatzes mit Wirkung für die nachfolgenden Verzinsungszeiträume. Die Überprüfung soll wenigstens alle zwei Jahre erfolgen, erstmalig spätestens zum 1. Januar 2024. Referenz ist die Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB (derzeit -0,88 Prozent p.a.);  eine Anpassung erfolgt bei einer signifikanten Abweichung von dem bei der letzten Festlegung oder Änderung des Zinssatzes geltenden Basiszinssatz (laut Gesetzesbegründung signifikante Abweichung bei Abweichung von mehr als 1 Prozentpunkt, laut Koalitionsansicht in der BT-Drucksache 20/2387, Beschluss­empfeh­lung und Bericht des Finanzausschusses, Seite 10 auch schon bei Abweichung von weniger als 1 Prozentpunkt möglich).
  • Andere Verzinsungen, z.B. Hinterziehungs-, Stundungs- oder Aussetzungszinsen werden nicht geändert.
  • Die Neuregelung ist vorbehaltlich der Vertrauensschutzregelung in § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO in allen am Tag der Verkündung des Gesetzes anhängigen Verfahren anzuwenden. Die Vertrauensschutzregelung besagt, dass eine Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides aufgrund der Entscheidung des Bundes­ver­fassungsgerichts nur zugunsten, nicht aber zuungunsten des Steuerpflichtigen erfolgen darf.  
     
    Hinweis: Im Regierungsentwurf wird dazu Folgendes ergänzt: Sollten die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung des neuen § 238 Absatz 1a AO noch nicht vorliegen, so wird für Verzin­sungszeiträume ab 1. Januar 2019 die Verzinsung weiterhin erst einmal ausgesetzt und sobald möglich nach neuer Regelung die Festsetzung nachgeholt.

Weitere Änderungen bei der Verzinsung

  • § 233 Satz 1 AO: Klarstellung, dass Verzinsung erfolgt, soweit das durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union vorgeschrieben ist (z. B. bei Erstattung einer Steuer aufgrund unionsrechtswidrigem Steuergesetz); anwendbar auf festgesetzte Zinsen ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes.
  • § 233a Absatz 2 Satz 2 AO: Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 EStG ("Abgeltungsteuer") sind bei der Entscheidung über die maßgebliche Karenzzeit nicht zu berücksichtigen.
     
    Anmerkung: Karenzzeit = Zeit nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, bis zum Beginn des Zinslaufs. Es gilt eine reguläre Karenzzeit von 15 Monaten nach § 233a Absatz 2 Satz 1 AO. Diese verlängert sich nach § 233a Absatz 2 Satz 2 AO auf 23 Monate, wenn die Einkünfte aus Land- und Forst­wirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen. 
  • § 233a Absatz 3 Satz 4 – neu – AO: Gesetzliche Regelung für die bereits langjährig bestehende Finanz­verwaltungspraxis, dass bei der Verzinsung von Erstattungsbeträgen nach dem „last in - first out“-Prinzip vorgegangen wird: Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsbe­rechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Teil-Leistung. Die Teil-Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge, beginnend mit der jüngsten Teil-Leistung, zu berücksichtigen. Anwendung auf festgesetzte Zinsen ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes.
  • § 233a Absatz 8 – neu – AO: Gesetzliche Regelung der Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund „freiwilliger“ Steuervorauszahlungen bei Annahme und An­rechnung durch die Finanzbehörde. Dies gilt auch für die Gewerbesteuer. Anwendung auf alle am Tag der Verkündung anhängigen Verfahren. 
  • § 239 Absatz 1 Satz 1 AO: Verlängerung der Festsetzungsfrist von Zinsen von bisher einem Jahr auf zwei Jahre. Gültig in allen Fällen, in denen die Festsetzungsfrist am Tag der Verkündung noch nicht abgelaufen ist.
  • § 239 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 – neu – AO: Auffangregelung: Beginn der Festsetzungsfrist in allen in den Nummern 1 bis 5 nicht geregelten Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet. Betroffen sind alle nicht in der AO geregelten Zinsen, auf die nach § 233 AO die Regelungen des § 239 AO anzuwenden sind. Gültig in allen Fällen, in denen die Festsetzungsfrist am Tag der Verkündung noch nicht abgelaufen ist.
  • § 239 Absatz 5 – neu – AO: Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO dient als Grundlagenbescheid bei der Anrechnung auf andere Zinsen, soweit hierbei Zinsen nach § 233a AO anzurechnen sind.

Mitteilungspflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen (DAC 6)

Anpassungen an unionsrechtliche Vorgaben der Amtshilferichtlinie:
  • § 138e Absatz 3 Satz 6 AO: Bei mittelbaren Beteiligungen gilt eine Person als Halterin von 100 Prozent der Stimmrechte, wenn sie Stimmrechtsbeteiligungen von mehr als 50 Prozent hält. (Anwendung in allen bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängigen Verfahren.)
  • § 138h Absatz 2 Satz 1 AO: Bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen sind Änderungen und Ergänzungen auch zu verbundenen Unternehmen mitzuteilen. (Anwendung in allen bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängigen Verfahren.)

Dieses Gesetz ist am 22. Juli 2022, dem Tag nach der Verkündung, in Kraft getreten.

Hinweis: Das Bundesfinanzministerium hat zu Anwendungsfragen und Übergangsregelungen mehrere BMF-Schreiben veröffentlicht:

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