Betriebsratswahlen 2022: Neue Regeln aufgrund des Betriebs­räte­modernisierungs­gesetzes

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veröffentlicht am 8. Dezember 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Zum 18. Juni 2021 ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten, das wichtige Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) mit sich bringt. Die neuen Vorschriften sind bei den in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2022 anstehenden Betriebsratswahlen zu beachten.



Ausgangslage

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll die Gründung von Betriebsräten – insbesondere in kleinen Betrieben – gefördert werden, was erheblichen Einfluss auf das Verfahren zur Betriebsratswahl hat. D.h.:

  • das Lebensalter zur Wahlberechtigung wird herabgesetzt,
  • die Mindestanzahl der Stützunterschriften wird auf null reduziert bzw. herabgesetzt,
  • der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens wird ausgeweitet,
  • die Voraussetzungen zur Wahlanfechtung werden modifiziert und
  • ein zusätzlicher Kündigungsschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird eingeführt.


Im Einzelnen bedeutet das:


Absenkung des Wahlalters

Das Wahlalter wird vom 18. auf das 16. Lebensjahr abgesenkt (§ 7 S. 1 BetrVG). Ziel des Gesetzgebers ist es, auch junge Erwerbstätige über das aktive Wahlrecht zur Betriebsratswahl in die Mitgestaltung der Rahmen­bedingungen des Betriebs einzubinden. Für das passive Wahlrecht, die Wählbarkeit, ändert sich nichts: Betriebsratsmitglieder müssen weiterhin volljährig sein, um gewählt werden zu können (§ 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Das Alter bei aktivem und passivem Wahlrecht fällt damit künftig auseinander.


Reduzierung der Stützunterschriften

Eine weitere Änderung betrifft die Reduzierung der Stützunterschriften für Wahlvorschläge (§ 14 Abs. 4 BetrVG). Mit der Änderung wird vom Gesetzgeber intendiert, in kleinen und mittleren Betrieben die Gründung von Betriebsräten zu fördern, indem sich künftig mehr Beschäftigte bereiterklären, sich der Wahl für den Betriebsrat zu stellen. Das Erfordernis der Stützunterschriften dient dazu, nicht ernsthafte Wahlvorschläge zu verhindern, um eine zügige Betriebsratswahl zu ermöglichen. Auf der anderen Seite stellen sie aber ein Hindernis bei der Gründung eines Betriebsrats dar: Arbeit­nehmer, die sich bereiterklären anzutreten, oder Arbeitnehmer, die die notwendige Stützunterschrift leisten, könnten Nachteile durch den Arbeitgeber fürchten. Der Gefahr wird durch die Reduzierung der Stützunterschriften nun mehr Gewicht beigemessen.

Daher bedarf es in Betrieben mit i.d.R. bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern keiner Unterzeichnung von Wahlvorschlägen mehr (Zuvor: zwei Stützunterschriften von Arbeitnehmern waren nötig). In Betrieben mit 21 bis 100 Arbeitnehmern sind Wahlvorschläge nun von mind. zwei wahlberechtigten Arbeitnehmern zu unterschrei­ben; zuvor war die Unterzeichnung von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer erforderlich.

In Betrieben mit mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern bleibt es hingegen bei dem bisherigen Erfordernis der Unterzeichnung durch mind. ein Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer; in jedem Fall genügt aber die Unterzeichnung durch fünfzig wahlberechtigte Arbeitnehmer.


Ausdehnung des vereinfachten Wahlverfahrens

Als weiterer Schritt der Förderung der Bildung von Betriebsräten wurde der Anwendungsbereich des verein­fachten Wahlverfahren ausgedehnt. Das vereinfachte Wahlverfahren kommt für Betriebe mit 5 bis 100 Arbeit­nehmern, statt wie bisher für 5 bis 50 Arbeitnehmer, zur Anwendung (§ 14a Abs. 1 BetrVG). In Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten ist es möglich, dass Arbeitgeber und Wahlvorstand die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren (§ 14a Abs. 5 BetrVG).

In der Gesetzesbegründung wird diesbezüglich angeführt, dass die Wahlbeteiligung in Betrieben, die 2018 das vereinfachte Wahlverfahren angewendet haben, höher gelegen habe als in Betrieben, die das reguläre Wahlverfahren angewendet haben.


Eingeschränkte Anfechtbarkeit wegen Fehlern in der Wählerliste

Schließlich wird die Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste eingeschränkt (§ 19 Abs. 3 BetrVG). Die Vorschrift führt dazu, dass die Rechtssicherheit der Betriebsratswahl gesteigert wird.

Die Anfechtung ist danach für die Arbeitnehmerseite ausgeschlossen, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Einspruch und Anfechtung muss nicht von dem gleichen Arbeitnehmer eingelegt werden, da der Wahlvorstand vor dem vermeintlichen Fehler auf der Wahlliste gewarnt war. § 4 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsver­fassungs­gesetzes („Wahlordnung“ oder „WO“) setzt voraus, dass der Einspruch vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand schriftlich eingelegt worden sein muss.

Der Ausschluss gilt jedoch nicht, wenn die Wahlberechtigten an der Einlegung des Einspruchs gehindert waren.

Im Übrigen schränkt § 19 Abs. 3 S. 3 BetrVG auch das Anfechtungsrecht für die Arbeitgeberseite ein, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen falschen Auskünften beruht. Damit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber letztlich aus Gründen anfechten kann, die er selbst zu verantworten hat.


Ausweitung des Kündigungsschutzes

Als weiteres Instrument, um Arbeitnehmer zu ermutigen, Betriebsratswahlen zu organisieren und Betriebsräte zu gründen, hat der Gesetzgeber den bereits für Betriebsratsmitglieder, Wahlbewerber und Mitglieder des Wahlvorstandes bestehenden besonderen Kündigungsschutz nochmals nicht unerheblich erweitert.

So genießen nunmehr bis zu sechs statt bislang drei Arbeitnehmer, die in einem Betrieb zu einer Betriebs­ratswahl einladen oder die ersten drei Arbeitnehmer, die die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen, Sonderkündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3a Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Gemäß des neu hinzugefügten § 15 Abs. 3b KSchG werden nunmehr auch Arbeitnehmer geschützt, die Vorbe­reitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben haben, dass sie die Absicht haben, einen Betriebsrat zu errichten. In dem Fall ist die Kündigung unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeit­nehmers liegen – es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Daraus ergibt sich, dass neben der außerordent­lichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund weiterhin auch betriebsbedingte Kündigungen erlaubt sind, was äußerst bemerkenswert ist.

Da ausweislich der Gesetzesbegründung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes bspw. bereits Gespräche mit Kollegen über eine Betriebsratsgründung oder die Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft zu den vorbereitenden Handlungen vor einer möglichen Betriebsratswahl zählen, sehen wir ein nicht unerhebliches Missbrauchspotenzial. Ob allein die öffentlich beglaubigte Erklärung geeignet ist, dem Missbrauch tatsächlich Einhalt zu gebieten, wird die Praxis zeigen. Wir jedenfalls werden die diesbezüglichen Entwicklungen aufmerksam beobachten.


Ausblick und Fazit

Zusätzlich zu den Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde nun zudem auch die Wahlordnung zum BetrVG reformiert. Die seit dem 15. Oktober 2021 in Kraft getretene Verordnung zur Änderung der Wahlordnungen sieht diverse Änderungen vor – z.B. bei der Ermöglichung von Video- und Telefonkonfe­renzen, der Briefwahl, der Präsenzwahl (kein Wahlumschlag mehr erforderlich), der Berichtigung der Wählerliste und den Hinweispflichten des Wahlvorstandes. Wir werden dazu gesondert an geeigneter Stelle berichten.

Schon in der Vergangenheit war das Verfahren zur Wahl der Betriebsräte kompliziert und fehleranfällig, das durch die Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die Verordnung zur Änderung der Wahlordnungen unserer Ansicht nach – trotz der entsprechenden Intention des Gesetzgebers – nicht unbedingt vereinfacht wurde. Jedenfalls sollten sich nicht nur die Wahlvorstände, sondern insbesondere auch die Arbeitgeber dringend mit den neuen Regeln vertraut machen.

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