DAC 7: Neue Melde- und Sorgfaltspflichten für Plattformbetreiber

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Betreiber digitaler Plattformen müssen sich auf neue Meldepflichten einstellen. Bis zum 31. Dezember 2022 müssen sämtliche EU-Mitgliedstaaten nationale Gesetze erlassen, mit denen sie Betreiber bestimmter Plattformen ab dem Jahr 2023 zur Erhebung, Prüfung und Meldung von Daten ihrer Nutzer zu deren Identität und über die Plattform abgewickelten Geschäftstätigkeit verpflichten. Ursächlich ist die 6. Änderung der EU-Amtshilferichtlinie „Directive on Administrative Cooperation” (DAC) – die sog. „DAC 7”.



Ziel der DAC 7 ist die Herstellung von Transparenz über geschäftliche Aktivitäten auf digitalen Plattformen, um deren korrekte steuerliche Erfassung sowohl bei den Ertragsteuern als auch bei der Umsatzsteuer sicherzu­stellen. Bisher konnten Finanzbehörden diese Geschäfte nur schwer ermitteln und es besteht die Vermutung, dass ein erhebliches Steuerpotenzial nicht erfasst wird. Daher werden nun spezifische Melde- und Sorg­falts­pflich­ten eingeführt, da die Betreiber digitaler Plattformen als diejenigen gelten, die über die notwendigen Informationen im Rahmen ihres Geschäftsmodells verfügen bzw. diese erlangen können. Die gewonnenen In­for­ma­tio­nen werden im Wege der EU-Amtshilfe bzw. auf Basis internationaler Abkommen automatisch mit be­troffe­nen EU-Mitgliedstaaten bzw. den Behörden qualifizierter Drittstaaten ausgetauscht. Damit müssen Nutzer von digitalen Plattformen ab 2023 damit rechnen, dass alle entgeltlichen Aktivitäten über diese Plattformen europaweit und international für den Fiskus transparent werden.


Umsetzung in Deutschland

Deutschland ist die Umsetzung der DAC 7 nach deren Verabschiedung im März 2021 spät angegangen. Hierzu dient das „Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Platt­form­be­treiber in Steuersachen (Plattformen-Steuertransparenzgesetz – PStTG)“. Es ist Bestandteil des „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Mo­der­ni­sie­rung des Steuerverfahrensrechts“, das am 10. November 2022 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Für eine EU-konforme Umsetzung der Richtlinie muss noch in 2022 die Zustimmung des Bundesrates erfolgen, wofür nur noch die letzte Sitzung am 16. Dezember 2022 in Betracht kommt.


Meldepflichtige Plattformbetreiber

Der neuen Meldepflicht unterliegen die Betreiber digitaler Plattformen. Hierunter ist jedes auf digitalen Tech­no­lo­gien beruhende System (Software, Website, mobile Anwendungen u.ä.) zu verstehen, das es seinen Nutzern ermöglicht, in Kontakt miteinander zu treten und wirksam Rechtsgeschäfte abzuschließen, die auf die Er­bring­ung relevanter Tätigkeiten oder die Erhebung und Zahlung einer damit zusammenhängenden Vergütung ge­rich­tet sind. Entscheidend für die Einordnung ist, dass über die Plattform ein Geschäftsabschluss digital wirksam zustande kommt. Eine Plattform, die ausschließlich die Abwicklung von Zahlungen oder Werbung für eine re­le­van­te Tätigkeit ermöglicht oder die Umleitung oder Weiterleitung von Nutzern auf eine andere Plattform er­laubt, wird nicht erfasst. Betreiber ist derjenige, der sich gegenüber den Nutzern zur Verfügung­stellung der Plattform verpflichtet. Das kann z.B. in einem Konzernverbund die Gesellschaft sein, die das E-Commerce-/ Online-Geschäft für alle Konzernmitglieder abbilden soll.

Vier Gruppen von relevanten Tätigkeiten führen zur Meldepflicht, wenn sie entgeltlich erbracht werden:

  • die zeitlich begrenzte Überlassung von Nutzungen und anderen Rechten jeder Art an unbeweglichem Vermögen,
  • die Erbringung persönlicher Dienstleistungen,
  • der Verkauf von Waren sowie
  • die zeitlich begrenzte Überlassung von Nutzungen und anderen Rechten jeder Art an Verkehrsmitteln.


Ein Plattformbetreiber kann von der Meldepflicht befreit sein, wenn er als freigestellter oder als qualifizierter Plattformbetreiber gilt. Freigestellt ist ein Plattformbetreiber, wenn seine Plattform nicht durch meldepflichtige Anbieter in Anspruch genommen werden kann, was in einem förmlichen Feststellungsverfahren nachzuweisen ist. Als qualifiziert wird ein in einem Drittland ansässiger Plattformbetreiber anerkannt, wenn er dort einer ver­gleich­ba­ren Meldepflicht unterliegt und Informationen dazu mit allen betroffenen EU-Mitgliedstaaten aus­ge­tauscht werden.

Die Meldepflicht setzt einen Nexus im Inland voraus. Dieser kann sich aus dem Sitz oder der Geschäftsleitung, einer Registereintragung oder einer Betriebsstätte im Inland ergeben. Besteht ein Nexus zu einem anderen EU-Mitgliedstaat, greift in diesem die Meldepflicht. Ein mehrfacher Nexus zu verschiedenen EU-Mitgliedstaaten führt grundsätzlich zur Meldepflicht in mehreren Ländern (nur einmalige Erfüllung mit Hinweispflicht). Besteht ein Nexus zu keinem EU-Mitgliedstaat, greift die Meldepflicht gleichwohl, wenn die Plattform Aktivitäten von meldepflichtigen Anbietern oder die Überlassung von in der EU belegenem unbeweglichen Vermögen er­mög­licht.


Meldepflichtige Anbieter

Die Meldepflicht und die zugehörigen Sorgfaltspflichten beziehen sich nur auf meldepflichtige Anbieter. Ein Anbieter ist ein Nutzer, der auf der Plattform registriert ist und über diese eine relevante Tätigkeit erbringt. Er muss aktiv sein, d.h. er muss im jeweiligen Meldezeitraum eine relevante Tätigkeit erbracht oder eine Vergütung hierfür erhalten haben.

Freigestellt sind Anbieter, die als „risikoarm“ gelten, weil

  • ihre Tätigkeit geringfügig ist (< 30 Fälle und < 2.000 EUR Vergütung über die Plattform im Meldezeitraum),
  • davon auszugehen ist, dass ihre steuerliche Compliance anderweitig sichergestellt ist (staatliche Rechts­träger und ihre 100-Prozent-Beteiligungen sowie börsennotierte Rechtsträger und ihre verbundenen Unternehmen) oder
  • bei der Nutzungsüberlassung von unbeweglichem Vermögen der Finanzverwaltung aufgrund des Umfangs der Geschäftsaktivitäten andere Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung stehen (> 2.000 Fälle pro inserierter Immobilieneinheit auf der Plattform im Meldezeitraum).


Auch die Meldepflicht bzgl. eines Anbieters setzt einen Nexus voraus, der sich sowohl auf das Inland als auch auf das EU-Ausland bezieht und sich aus der Ansässigkeit des Anbieters (speziell definierter Begriff, der sich aus dem Sitz/Wohnsitz, der Steueridentifikationsnummer, dem Unterhalten einer Betriebsstätte oder den Angaben aus einem amtlichen Identifizierungsdienst ableiten kann) oder aus Überlassung von im Inland oder im EU-Ausland belegenem unbeweglichem Vermögen ergeben kann.


Melde- und Sorgfaltspflichten

Meldepflichtige Plattformbetreiber unterliegen zunächst einer jährlichen Meldepflicht, die sich sowohl auf Daten zur Identifizierung des Plattformbetreibers und jedes meldepflichtigen Anbieters als auch auf die wirtschaftlichen Aktivitäten jedes meldepflichtigen Anbieters bezieht. Hinzu kommen spezielle Daten bei der Überlassung von unbeweglichem Vermögen.



1 Meldepflichtige Drittstaatenbetreiber können wählen, in welchem EU-Mitgliedstaat sie ihre Meldepflichten erfüllen wollen und müssen sich hier registrieren lassen. Meldepflicht in Deutschland nur bei Vorliegen deutscher Registriernummer
2 Pro Quartal
3 Bei Überlassung von unbeweglichem Vermögen zusätzlich pro inserierter Immobilieneinheit
4 Pro inserierter Immobilieneinheit

Darüber hinaus werden dem Plattformbetreiber spezielle Sorgfaltspflichten auferlegt. Er hat bestimmte mel­de­pflich­ti­ge Daten in regelmäßigem zeitlichem Rhythmus bei seinen Nutzern zu erheben, diese anhand seiner eigenen Unterlagen und mit Hilfe von automatischen Prüfsystemen, die von den Finanzbehörden zur Verfügung gestellt werden, zu prüfen, die Ansässigkeit festzustellen und die als freigestellt behandelten Anbieter zu identifizieren. Auf Verlangen des Bundeszentralamtes für Steuern hat der Plattformanbieter ein besonderes Prüfverfahren mit der Vorlage von Nachweisen aus unabhängiger Quelle durchzuführen. Kommt ein Anbieter seinen Mitwirkungspflichten in diesen Verfahren trotz Mahnung nicht nach, muss der Plattform­betreiber ihn sanktionieren, indem er ihn entweder von der weiteren Nutzung der Plattform ausschließt oder Vergütungen an den Anbieter einbehält.

Daneben treten weitere Pflichten zur Information der von einer Meldung betroffenen Anbieter, zur Dokumen­tation des Meldesystems (insb. Prozesse und Verantwortlichkeiten) sowie Speicherung, Aufbewahrung und Löschung von Daten und von Unterlagen.


Meldeverfahren

Die Meldepflicht ist einmal jährlich für den zurückliegenden Meldezeitraum bis zum 31. Januar des Folgejahres zu erfüllen. Das bedeutet, dass die erste Meldung für den Meldezeitraum 2023 zum 31. Januar 2024 abzugeben ist. Sie ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch über eine Schnittstelle an das Bundeszen­tral­amt für Steuern (BZSt) zu melden. Einzelheiten sind noch nicht bekannt.

Die Datenerhebung und Prüfung zu den im jeweiligen Meldezeitraum meldepflichtigen Anbietern muss bis zum Ende des Meldezeitraums vollendet sein. Für alle in 2023 neu gewonnenen Nutzer einer Plattform muss das also bis zum 31. Dezember 2023 geschehen. Für bis zum 31. Dezember 2022 bereits bestehende Nutzer wird die Frist für die erstmalige Erhebung und Prüfung bis zum 31. Dezember 2024 verlängert. Nach der Erhebung und Prüfung von Daten kann der Plattformbetreiber grundsätzlich auf deren weitere Gültigkeit vertrauen. Die Vertrauensphase ist auf maximal 36 Monate seit der letzten Erhebung begrenzt, dann muss eine erneute Erhebung erfolgen.


Sanktionen

Wer den Pflichten aus dem PStTG nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, be­geht eine Ordnungswidrigkeit, die vom Bundeszentralamt für Steuern mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Der Bußgeldrahmen erstreckt sich je nach Tatbestand von 5.000 Euro bis zu 50.000 Euro. Im Falle von meldepflichtigen Drittlandsanbietern, die in Deutschland registriert sind, kann das Bundeszentralamt für Steuern auch die Registrierung widerrufen und den Betrieb der Plattform sperren.


Hinweise für die Praxis zur Vorbereitung

Bestimmte Plattformbetreiber im Bereich des Warenhandels unterliegen bereits Aufzeichnungs- und Mel­de­pflich­ten zu Transaktionen über ihre Plattform nach § 22f UStG. Das PStTG führt jedoch weit darüber hinaus in eine neue Form der Transparenz der Plattformwirtschaft. Es werden eine Vielzahl weiterer Plattformbetreiber insb. aus der Share- und Gig-Ökonomie einbezogen, der Informations- und Pflichtenumfang wird deutlich ausgeweitet.

Sind digitale Vertriebsaktivitäten und -pläne von den neuen Pflichten betroffen? Das werden und müssen sich jetzt viele Unternehmen fragen. Wichtig zu wissen: der Webshop über die Website ist in der Regel nicht be­trof­fen, wenn hierüber nur der eigene Vertrieb abgewickelt wird. Es gibt aber Stolperfallen. So kann die Ko­ope­ra­tion mit Partnern, denen der Webshop für den Vertrieb eigener Leistungen geöffnet wird, je nach Ausgestaltung eine Meldepflicht begründen. Das kann selbst dann gelten, wenn dem Nutzer gegenüber nur der Platt­form­be­trei­ber auftritt. Sämtliche Kooperationen sollten daher geprüft werden. Auch die Zusammenarbeit ver­schie­de­ner Unternehmen einer Gruppe kann den Weg in die Meldepflicht weisen, da es keine allgemeine Kon­zern­be­frei­ung gibt. Eine Ausnahme gilt nur für verbundene Unternehmen eines börsennotierten Konzerns, die über eine zentral organisierte Plattform agieren.

Im Einzelnen kann die Feststellung der persönlichen Meldepflicht durchaus schwierig sein. So soll nach der Begründung zum Regierungsentwurf z.B. der Handel mit Heizung, Strom und Wasser über eine Plattform e­ben­so wenig unter die neuen Regelungen fallen, wie Leistungen im öffentlichen Verkehr (Bus-, Bahn-, Fluglinien).


To Dos und Fragestellungen für die Praxis

  • Betroffenheit prüfen: fällt die Plattform in den Anwendungsbereich? Ggf. Antrag auf verbindliche Auskunft stellen.
  • Kommt eine Befreiung/Erleichterung als freigestellter oder qualifizierter Plattformbetreiber in Betracht? Ggf. Antragsverfahren einleiten.
  • Wenn grds. Meldepflicht besteht: Verantwortlichkeiten klären, Prozesse definieren.
  • Erfassung auch in anderen EU-Staaten? Klären, in welchem Staat gemeldet werden soll und Verfahren zur Befreiung in anderen EU-Staaten klären.
  • Prüfung der Nutzer auf potenziell meldepflichtige Anbieter.
  • Prüfung der bisher erhobenen und aufgezeichneten Daten zu meldepflichtigen Anbietern und Identifizierung von Datenlücken.
  • Konzeption und Implementierung der Aufzeichnung fehlender Daten sowie des Erhebungs- und Prü­fungs­pro­zesses bei Neu- und Bestandsanbietern.
  • Ggf. Anpassung/Ergänzung der vertraglichen Vereinbarungen mit den Nutzern, welche Informationen an­ge­fragt werden dürfen und zur Verfügung gestellt werden müssen.
  • Anpassung der technischen Infrastruktur, insb. der Plattform an die neuen Anforderungen und Prozesse.
  • Konzeption und Implementierung einer technischen Lösung für Datenexport und Übermittlung der Meldungen.
  • Prozessdokumentation erstellen. Speicher-, Lösch- und Informationsprozesse für Anbieter implementieren und dokumentieren.
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