Betriebsstätten im Fokus: Aktuelles zum Thema Betriebsstättengewinnabgrenzung

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veröffentlicht am 17. März 2017

 

Aus aktuellem Anlass sind Unternehmen mit (potenziellen) internationalen Betriebsstätten angehalten, sich mit den neuen Grundsätzen zur Betriebss­tättengewinnaufteilung auseinanderzusetzen. Nach 9-monatiger Diskussion hat die Finanzverwaltung am 22. Dezember 2016 ihr 186-Seiten langes BMF-Schreiben „Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa” veröffentlicht. 

                

 

Neue Grundsätze der Betriebsstättengewinnaufteilung

Bereits seit dem 1. Januar 2013 wurde die Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorized OECD-Approach” (AOA) über den § 1 Abs. 5 AStG in nationales deutsches Recht umgesetzt. Hiernach werden Betriebsstätten wie eigenständige Unternehmen behandelt(Selbstständigkeits­fiktion). Die im Oktober 2014 erlassene Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung erläuterte diese neuen Grundprinzipien weiterführend. Die Anwendung der Verordnung hat bereits für Wirtschaftsjahre zu erfolgen, die nach dem 31. Dezember 2014 beginnen (i.d.R. also ab 2015). Nun hat sich die Finanzverwaltung mit einem umfangreichen BMF-Schreiben umfassend zu ihrer Auslegung der neuen Grundsätze geäußert.
  
Konnten sich Unternehmen bislang auf die Grandfathering Rule des § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG berufen und aufgrund von Doppelbesteuerungsrisiken beantragen, die neuen Grundsätze noch nicht anwenden zu müssen, so gilt das nun nach Ansicht der Finanzverwaltung zumindest nicht für OECD-Staaten. Und auch bei Nicht-DBA-Staaten sind die Neuerungen zur Gewinnabgrenzung bereits seit 2015 anzuwenden.
  

Das bedeutet für die Betriebsstättengewinnermittlung aus deutscher Sicht:

  • I.d.R. muss die Gewinnermittlung gem. folgendem Schema erfolgen:
  •   
  • Die notwendige Hilfs- und Nebenrechnung ist folgendermaßen 
    aufzustellen:

   

  • Dreh- und Angelpunkt ist die Bestimmung der Personalfunktion – ohne Personalfunktion erfolgt keine oder nur eine geringe Gewinnzuweisung. Anhand der Personalfunktion sind die Funktionen und Risiken der Betriebsstätte zu bestimmen.
  • Der Personalfunktion schließt sich die Zuordnung der Vermögenswerte zu der Betriebsstätte an. Das kann zu Entstrickungen- und Verstrickungen von Vermögensgegenständen führen. Damit einher geht das Risiko der Besteuerung von stillen Reserven, das durch den § 4g EStG unseres Erachtens nur unzureichend abgemildert wird. Zumindest sieht die Finanzverwaltung in ihren VWG BsGa Billigkeitsregelungen vor, die auf Antrag und bei der erstmaligen geänderten Zuordnung der Vermögenswerte greifen. Letztendlich resultieren aber auch aufgrund von nicht abgestimmten Regelungen in den verschiedenen Gesetzen zusätzliche Besteuerungsrisiken. Denn der AOA knüpft allein an der Personalfunktion an, die Entstrickungsregelungen des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes jedoch an den funktionalen Zusammenhang.
  • Die Bestimmung des Dotationskapitals und der übrigen Passivposten ist eine „Rechenaufgabe” und jedes Jahr neu zu ermitteln (kein Bilanzzusammenhang!). Darüber hinaus unterscheidet die deutsche Finanzverwaltung bei der Bestimmung des Dotationskapitals fiskalisch motiviert und international nicht abgestimmt zwischen ausländischen Betriebsstätten (Mindestkapitalausstattungsmethode) und inländischen Betriebsstätten (Kapitalaufteilungsmethode), um möglichst wenig Schuldzinsen im Inland zum Abzug zulassen zu müssen.
  • Letztendlich sind die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen fremdvergleichsüblich zu bestimmen. Das sind zum einen geänderte Zuordnungen von Vermögensgegenständen aufgrund der Personalfunktion, die zur Versteuerung von stillen Reserven führen können. Oder auch „Dienstleistungen” zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, die aufgrund der Selbstständigkeitsfiktion wie unter fremden Dritten bestimmt werden müssen.
  • Mittels der Hilfs- und Nebenrechnung, die spätestens zur Erstellung der Steuererklärung aufgestellt sein muss, erfolgt die Dokumentation der Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise. 
  • Für bestimmt Branchen und Tätigkeiten sind darüber hinaus Sonderregelungen zugelassen (Banken, Versicherungen, Bau- und Montagebetriebsstätten und Betriebsstätten mit vergleichbaren Risikoprofilen, Förderbetriebsstätten, Vertreterbetriebsstätten). 

  
Auch wenn die OECD erst kürzlich wieder mit Diskussionspapier vom 4. Juli 2016 empfohlen hat, die AOA-Grundsätze zügig abkommensrechtlich umzusetzen, erfolgte das bislang nur durch wenige Länder (Liechtenstein, Luxemburg, Norwegen, USA, Niederlande). Aus diesem Grund drohen erhebliche Doppelbesteuerungsrisiken. Im DBA-Fall kann man sich nur außerhalb der OECD auf die Grandfathering Rule berufen, ansonsten bleibt nur der Weg über ein Verständigungsverfahren. Im Nicht-DBA-Fall wird man die Doppelbesteuerungsrisiken wohl nur im Einzelfall und durch Verhandlung abmildern können.
Umso wichtiger ist es für Unternehmen, sich zeitnah einen Überblick zu verschaffen, wo Doppelbesteuerungs­risiken drohen und inwieweit Gestaltungspotenzial besteht – z.B. über die Personalfunktion. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die neuen Grundsätze spätestens ab Wirtschaftsjahren die nach dem 31. Dezember 2014 beginnen, anzuwenden sind. Soweit Unternehmen noch nach alten Grundsätzen verfahren, empfiehlt es sich, das in der Steuererklärung offen zu legen, um sich gegen den Vorwurf des Vorsatzes abzusichern. Ebenfalls nicht vernachlässigt werden darf die Dokumentation der Verrechnungspreise in dem Zusammenhang. Auch hier sind aufgrund BEPS zahlreiche Neuerungen zu beachten.

  

Neuregelung des Betriebsstättenbegriffs – Status Quo zu BEPS

Und auch die BEPS-Initiative führt aktuell zu zahlreichen Änderungen im Bereich der internationalen Betriebsstätte. Bisher sahen die Regelungen im Art. 5 des DBA-Musterabkommens umfangreiche Ausnahmeregelungen für Betriebsstätten vor. Neben einem Negativkatalog, der insbesondere Lager, Einkaufsvorrichtungen sowie vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten umfasst, fallen bislang auch selbstständige Vertreter und Kommissionäre nicht unter Art. 5 des DBA-Musterabkommen. Das wurde in der Vergangenheit oft genutzt, um durch geschickte Gestaltungen Betriebsstätten zu umgehen. Nun wird der Betriebsstättenbegriff aktualisiert. Wie das erfolgen wird, kann man zum einen den Regelungen zum Multilateralen Instrument („Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent BEPS”) entnehmen, welche am 24. November 2016 durch die OECD veröffentlicht wurden. Deutschland hat nur knapp 4 Wochen später der Unterzeichnung des mehrseitigen Übereinkommens zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung zugestimmt. Die Unterzeichnung ist für Juni 2017 geplant. Darüber hinaus wird derzeit das OECD-Musterabkommen umfangreich überarbeitet. In neuen Doppelbesteuerungsabkommen (z.B. Australien, noch nicht in Kraft getreten) werden die geplanten Neuregelungen zur Betriebsstätte bereits umfassend umgesetzt. 
  

Folgende Massnahmen sind geplant, um künftig die Umgehung des Betriebsstättenstatus zu verhindern:

  • Einschränkungen von Agenten- und Kommissionärmodellen
    Agenten und Kommissionäre werden künftig als abhängige Vertreter behandelt, wenn sie ihre Tätigkeit überwiegend für verbundene Unternehmen ausüben.
  • Ausweitung der Vertreterbetriebsstätte
    in Zukunft genügt es, wenn der Vertreter durch umfassende Vorbereitungshandlungen einen wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Verträge mit Kunden hat, die anschließend in der Regel routinemäßig ohne wesentliche Änderungen abgeschlossen werden (quasi faktische Abschlussvollmacht).
  • Vorbereitende Tätigkeiten/Hilfstätigkeiten (Negativkatalog)
    Die bisherigen Ausnahmeregelungen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA sollen nur noch gelten, wenn es sich um ausschließlich um vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten handelt. Hiervon betroffen sind insbesondere Warenlager und Informationsbüros bei Einkaufsgesellschaften. 
  • Antifragmentierungsregelung
    Darüber hinaus werden künftig Gestaltungen nicht mehr anerkannt, mit denen Aktivitäten zwischen verbundenen Unternehmen künstlich so aufgeteilt werden, dass die einzelnen Tätigkeiten Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten darstellen oder durch Vertragsgestaltung die zeitlichen Grenzen für die Begründung einer Bau- und Montagebetriebsstätte umgangen werden.   
  • Regelungen zur digitalen Betriebsstätte wurden zunächst zurückgestellt. Es ist aber nach dem vereinbarten Beobachtungszeitraum bis 2020 auch hier mit weiteren Maßnahmen zu rechnen.

   
Weitere Informationen zu den oben genannten Maßnahmen finden Sie im Artikel „BEPS Maßnahme 7 – Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte”.


Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang Deutschland die einzelnen Regelungen umsetzten wird, auch vor dem Hintergrund, dass gerade bei Vertreter- und Kommissionärbetriebsstätten wohl aufgrund der Gewinnaufteilungssystematik kaum Betriebsstättengewinne anfallen werden, aber mit hohen administrativen Kosten zu rechnen ist. 
  
All diese Änderungen werden dazu führen, dass sich international tätige Unternehmen zunehmend mit höheren Betriebsstättenrisiken beschäftigen müssen und dass, last but not least, die Steuerwelt wieder einmal komplexer wird.  
  

Fazit

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen empfiehlt es sich für Unternehmen, die derzeit gelebten Geschäftsmodelle auf neue (BEPS) Betriebsstättenrisiken zu überprüfen und ggf. die Modelle umzustellen. Bei bereits bestehenden Betriebsstätten ist die Betriebsstättengewinnabgrenzung auf Doppelbesteuerungsrisiken zu untersuchen und mögliches Gestaltungspotenzial zu eruieren. Aus Tax-Compliance-Sicht ist darauf hinzuweisen, dass die Betriebsstättengewinnabgrenzung nach deutschen (AOA-)Grundsätzen ab spätestens 2015 erfolgen muss. 

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